Wer waren Athanasius Ogir und Delfino Rizzi?
● Athanasius Ogir Seine Familie stammte wohl aus der Pfalz, vermutet sein Enkel Ludwig Ogir, und war wohl Ende des 18. oder zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Ukraine ausgewandert. Athanasius Ogir floh, nachdem seine ganze Familie in seiner Geburtsstadt Odessa ermordet worden war, vor der russischen Armee, die ihn fortan wohl als Überläufer betrachtete. Tatsächlich dachten das wohl auch die Deutschen, die ihn zunächst auf dem Lechfeld internierten, erinnert sich sein Enkel Ludwig Ogir.
● Militärhistoriker Peter Keller, Leiter des Stadtarchivs in Kaufbeuren, stellt den geschichtlichen Zusammenhang her: „Im Zarenreich hatten die Deutschstämmigen wegen ihrer wirtschaftlichen Stellung jahrhundertelang zu den verhältnismäßig privilegierten Völkerschaften gehört. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs änderte sich dies radikal: Der Zar ließ den Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit verbieten, und in verschiedenen Städten des Zarenreichs kam es zu antideutschen Ausschreitungen. Vielfach wurden Deutschstämmige auch nach Sibirien deportiert.“Keller hält es für wahrscheinlich, dass das Massaker an der Familie Ogir hier einordnen lässt, etwa zwischen 1915 und 1917. ● Delfino Rizzi Historiker Peter Keller vermutet, dass Delfino Rizzi zu jenen Kriegsgefangenen gehörte, die das Deutsche Reich unmittelbar nach Abschluss des Waffenstillstands im November 1918 freilassen musste. Er war wohl von seinem Kriegsgefangenenlager in Marsch gesetzt worden, als ihn Athansius Ogir in Buchloe auflas. „Es war damals durchaus üblich (und auch durch die Haager Landkriegsordnung gedeckt), Kriegsgefangene in der Landwirtschaft einzusetzen. Es gibt Schätzungen, die dahin gehen, dass zeitweise fast 50 Prozent aller im Deutschen Reich gefangen gehaltenen alliierten Soldaten in der Landwirtschaft ihren Dienst taten“, so Peter Keller. Durchaus ungewöhnlich war aber wohl, dass ein nun ehemals Kriegsgefangener als Knecht im bisherigen Feindesland blieb, in ganz Deutschland gab es wohl nur wenige Fälle dieser Art. Ludwig Ogir erzählt, dass die Familie von Delfino Rizzi auch später nicht mehr als ein Schwein und eine Kuh besessen habe – und vermutet den Grund für sein Bleiben in der Armut in der Heimat. Das hält auch Peter Keller für plausibel. Zudem habe es italienische Landarbeiter in Deutschland schon vor dem Ersten Weltkrieg gegeben. (jah)