Zwischen Traumwelt und Sozialkritik
Malerei Die in Bobingen geborene Verena Kandler erobert mit ihren Werken die Kunstszene. Ihre Karriere hat erst vor Kurzem begonnen, mit ihrem von Gegensätzen geprägten illustrativen Stil erzielt sie aber europaweit Aufmerksamkeit
Bobingen/Augsburg Was haben beispielsweise Esther Irina Pschibul, Reinhard Osiander, Ralf Tekaat, Meike Droste, Axel Obiger, Erwin Holzhauser und Christine Gruber gemeinsam? Sie sind Künstler und alle in Bobingen geboren. Und sie weisen Erfolge in der Ferne auf, teilweise weit weg von ihrem Geburtsort. Kunstpreise, Stipendien und Auszeichnungen stehen in der einen oder anderen Vita. Nicht anders ist es bei Verena Kandler.
Auch sie wurde in Bobingen geboren. Das war im April 1995. Doch von den dortigen Sehenswürdigkeiten wie St. Felizitas und das Untere Schlösschen ist bei der Malerin nichts hängen geblieben. Sie ist eine der vielen in Bobingen gebürtigen Künstler, die bereits kurz nach der Geburt oder in frühen Lebensjahren der Stadt den Rücken kehrten. Ihre Kindheit verbrachte sie im Augsburger Stadtbezirk Spickel. Mit sieben Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Weilheim/Teck. Dort machte sie ihr Abitur. Heute lebt sie in Augsburg und studiert Kunstpädagogik an der Universität.
Die Kunst hat Verena Kandler bereits in jungen Jahren in den Bann gezogen. „Schon als Kind habe ich viel gezeichnet und kleine Bilderbücher mit Geschichten gefertigt“, erzählt sie. Viel Einfluss auf ihr künstlerisches Talent hatte auch ihre Oma. Sie ist die bekannte Malerin Gertraud Schoen, die in ihren Abstraktionen geschickt Kontroverses aufbaut und es mit Energie, Sinnlichkeit und Poesie verbindet. „Sie hat mir viele Tipps gegeben und mich letztlich auch ermutigt, an der Malerei dran zu bleiben.“
Ihre erste Einzelausstellung hatte Verena Kandler anfangs 2015 im Augsburger Kulturcafé Neruda. Ihre Werke wurden dort zu einem Verkaufserfolg. Gleich danach zeigte sie ihre Bilder in einer Art Gallery in Leipzig. Bis heute hat die gebürtige Bobingerin zahlreiche Präsentationen absolviert, unter anderem in München und Berlin, aber auch in Amsterdam und Galway in Irland. Die künstlerische Aufmerksamkeit, die ihr im In- und Ausland entgegengebracht wird, geht auf ihren speziellen illustrativen Malstil zu- rück. „Er zeichnet sich vor allem durch starke Farbkontraste, eine intensive Farbwirkung und eine plakative Ästhetik aus“, definiert Verena Kandler.
Um dies zu erzielen, arbeitet sie mit verschiedenen Techniken, Materialien und Präsentationsformen wie Spiegel, Papier und Plexiglas. Aquarellfarben, Kugelschreiber und Buntstifte gehören ebenso dazu wie Acrylfarben. Mit Letzteren lasse sich ihr Zeichenstil bestens im Großformat umsetzen, sagt sie.
Bei den Themen ihrer Arbeiten weicht sie ab vom Gros ihrer Künstlerkollegen. Ihre Werke beinhalten sozialkritische Themen und politische Statements ebenso wie surrealistische Tendenzen und das Ausleben von Traumwelten. Tabus kennt sie nicht, auch keine Scheu. Als Beispiel dafür führt sie ihre kirchenfensterähnliche Plexigläser an, ihre „Heroes for Non-Heroes“, die einerseits Glaube assoziieren, jedoch abseits der Religion. Soll heißen: Der Glaube ist das Transportmittel für Alltägliches, Gut und Böse und die Beobachtung von Natur und Menschen. „In allem steckt eine Aussage, die der Betrachter nicht gleich sieht, vielleicht auch nie eruiert“, sagt die 23-Jährige.
Oder ihre großformatigen Planen, auf denen Zirkus und Sadomasochismus vereint werden. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch ihre sechsteilige Serie „Glamouraqe“, die im letzten Jahr das Meisterschaftsstipendium der Kunstförderung der Stadt Augsburg erhalten hat. Hier serviert sie Modemagazin-Cover, auf denen aber nicht die wohlproportionierten Züge junger Models abgebildet sind, sondern betagte Frauen mit zeichenstift-unterstützten Falten. All das spiele mit Gegensätzen aus Tradition und aktuellen Zeiterscheinungen, erläutert die junge Künstlerin. „Ich kommentiere vielmehr Etabliertes, überschriebe und interpretiere es neu“, so ihr Resümee.
Auffallend ist zudem das Düstere in ihren Werken. „Ich greife intuitiv zu den Farben“, gesteht sie. Doch kühle Farben favorisiere sie. „Dadurch entstehen apokalyptische Stimmungen.“Das Dunkle stelle die Zerrissenheit der Welt dar. Gleichzeitig liebe sie es aber auch poppig, schrill, bunt und pink. „Ich blicke kämpfend nach vorne - aber nur in der Kunst“, offenbart Verena Kandler. Ihre Bilder nehmen dann schon mal die Form von Wahlplakaten oder Werbung an.
Dass die Kunststudentin auch bei ihrem Weg in die Öffentlichkeit immer gut für eine Überraschung ist, beweist ihre unlängst stattgefundene Ausstellung im Eingangsbereich eines Supermarkts. „Ich liebe in meinem Genre Überraschungseffekte“, sagt sie. Gerne würde sie ihre Werke in einer Straßenbahn zeigen. Aber da stelle sich Behördenkram entgegen.
Noch ist ihre Künstlerkarriere jung. Ihr oberstes Ziel ist zunächst, ihre Arbeiten – obwohl sie sich von verkauften Werken nur schwer trennen kann – in den öffentlichen Raum zu bringen. Und vielleicht gibt es dabei auch mal eine Ausstellungsmöglichkeit in ihrem Geburtsort Bobingen.