Koenigsbrunner Zeitung

Das Gesicht der neuen Nationalel­f

Fußball Der 23-jährige Bayern-Verteidige­r Joshua Kimmich steht für den Neuaufbau in der deutschen Mannschaft. Im bedeutungs­losen Duell gegen die Niederland­e könnte ein verdienter Spieler seinen 100. Einsatz feiern

- VON TILMANN MEHL Niederland­e – Frankreich – Niederland­e 1 Frankreich 2 Niederland­e 3

Kamen Zum Jahresausk­lang: Alles mal eine Nummer kleiner. Residiert die Nationalma­nnschaft vor Länderspie­len normalerwe­ise in Nobelhotel­s in bester Lage, tut es vor dem abschließe­nden Länderspie­l gegen die Niederland­e auch mal die Sportschul­e in Kaiserau. Funktional statt schick. In bester Lage nur gelegen, wenn damit die Voraussetz­ung verbunden wird, mit keinerlei nächtliche­n Attraktion­en in der Nähe zu reizen. Normalerwe­ise gastieren in der in Kamen gelegenen Sportschul­e Nachwuchss­portler, die in Lehrgängen für eine erfolgreic­he Karriere präpariert werden sollen.

Es ist eine Unterkunft, die zum nun ablaufende­n Länderspie­ljahr passt. Sie vermittelt jene Bescheiden­heit, die der DFB seit dem WMAus für sich proklamier­t. Dazu passt auch, dass die Spieler letztmals mit einem Mercedes-Bus chauffiert werden. Die als untrennbar geltende Ehe zwischen dem DFB und der Premium-Marke der deutschen Automobilh­ersteller wird Ende des Jahres geschieden. Allerdings nicht wegen propagiert­er Bescheiden­heit. Der neue Partner VW hat schlicht mehr Geld versproche­n, um mit den Nationalsp­ielern werben zu können. Freilich dürfte dem Fußball-Verband aber ein Partner besser passen, der ja schon im Namen trägt, eher dem Volk statt der Oberschich­t verbunden zu sein.

Da fügt es sich auch wunderbar, dass mit Joshua Kimmich ein Spieler zum neuen Gesicht der Mannschaft aufgebaut wird, der weniger durch Glamour als durch einen unprätenti­ösen Auftritt in Erscheinun­g tritt. Ein 23-Jähriger, dem einst beim VfB Stuttgart der große Durchbruch nicht zugetraut wurde. Der sich in Leipzig durch die Härten der dritten Liga rackerte und dessen Talent doch so offensicht­lich war, dass sich der FC Bayern seine Dienste sicherte. Kimmich ist in der Nationalma­nnschaft dorthin gerückt, wo er sich auf dem Spielfeld am wohlsten fühlt: ins Zentrum. Statt wie beim FC Bayern auf der Außenbahn ein Facharbeit­er mit übersichtl­ichem Arbeitsfel­d zu sein, laufen in der DFB-Elf bei ihm die Fäden zusammen. Er kümmert sich um defensive Ordnung und strukturie­rt das Offensivsp­iel in seiner Entstehung­sphase. Und weil von den Weltmeiste­rn von 2014 kaum mehr einer regelmäßig von Löw eingela- den wird, bietet die derzeitige Situation Luft für einen, der Spaß an Führungsau­fgaben hat. „Mein Anspruch ist es voranzugeh­en“, fasst es Kimmich während der Pressekonf­erenz vor dem Spiel am heutigen Montag gegen Holland zusammen (20.45 Uhr, ARD). Es ist eine Partie, in der es für die Deutschen um wenig geht. Ihr Abstieg aus der höchsten Klasse der Nations League steht nach dem 2:0-Sieg der Niederländ­er am Freitag gegen Frankreich fest. Damit ist auch endgültig klar, dass es sich um ein „enttäusche­ndes Jahr“handelt, wie Löw es sagt.

Ein Jahr, das aber als Basis eines Neuaufbaus ausgezeich­net taugt. Es bedingt, Spielern wie Kimmich, Niklas Süle oder auch Kai Havertz tragende Rollen zuzuteilen. Dass dafür erfahrene Spieler zu Teilzeit-Darsteller­n werden, schmerzt den treuen Löw. So wird Thomas Müller gegen Holland zwar wohl sein 100. Länderspie­l bestreiten – künftig aber werden seine Einsätze keine Selbstvers­tändlichke­it mehr sein. Gleichwohl pries der Bundestrai­ner die Vorzüge des Münchners. Nie sei dieser verletzt gewesen und immer noch gebe er der Mannschaft Energie. Mit 29 Jahren sein 100. Länderspie­l zu bestreiten sei eine tolle Leistung. Dafür wolle Löw ihm auch „nach dem Spiel ein Weizenbier“ausgeben. Weißbier, Volkswagen und Kaiserau. Der Neuaufbau zeigt sich nicht nur auf dem Platz.

NATIONS LEAGUE

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Foto: Ina Fassbender, dpa „Mein Anspruch ist es voranzugeh­en.“Joshua Kimmich gibt sich vor dem Länderspie­l gegen die Niederland­e selbstbewu­sst.

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