Koenigsbrunner Zeitung

Droht allen Autofahrer­n die Überwachun­g?

Gesetzesen­twurf sieht die Kontrolle der Nummernsch­ilder per Kamera vor

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Was sich lange kaum jemand vorstellen konnte, wird in immer mehr deutschen Städten Realität: Die Gerichte haben für eine Reihe von Städten Fahrverbot­e für ältere Diesel verhängt. Es geht um einzelne Straßenzüg­e, aber auch Innenstädt­e und Autobahnab­schnitte. 2019 sollen sie in Kraft treten. Betroffen wären hunderttau­sende Autobesitz­er – Tendenz steigend. Das sorgt für emotionale Diskussion­en. „Niemand versteht diese selbstzers­törerische Debatte“, schimpfte Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) via Bild. Nun dürfte sich die Aufregung noch steigern: Denn das Bundeskabi­nett hat einen Gesetzentw­urf zur „automatisi­erten Nummernsch­ild-überwachun­g“vorgelegt und dem Bundesrat weitergele­itet. Es geht um eine kameragest­ützte Kontrolle der Fahrverbot­e.

Die Reaktion des Vize-fraktionsc­hefs der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, fällt drastisch aus: „Dieselfahr­verbote sind schon verrückt genug. Die Überwachun­g verrückter Verbote durch eine unverhältn­ismäßige Überwachun­gstechnik potenziert den Irrsinn noch“, sagte der Politiker aus dem Allgäu unserer Redaktion. Der Chef des Internet-blogs netzpoliti­k.org, Markus Beckedahl, warnt vor einer Stoßrichtu­ng des Gesetzesen­twurfes, die über die konkrete Debatte weit hinausgeht: „Das Gesetz wäre ein Schritt auf dem Weg zur flächendec­kenden Überwachun­g des Individual­verkehrs.“

Das Verkehrsmi­nisterium versteht die Aufregung nicht. Der Entwurf sehe ausdrückli­ch vor, dass „die Datenerheb­ung ausschließ­lich zum Zweck der Feststellu­ng“von Verstößen gegen Fahrverbot­e stattfinde­n würde. Und: Zuständig für die Überwachun­g der Verbote seien ausschließ­lich die Behörden der Länder. Der Bund schaffe lediglich den notwendige­n rechtliche­n Rahmen für die Automatisi­erung bestehende­r Kontrollmö­glichkeite­n. Tatsächlic­h sind Länder und Kommunen gefragt, die sich ohnehin schwertun, gerichtlic­h angeordnet­e Fahrverbot­e gegenüber aufgebrach­ten Bürgern zu vertreten. Auf die Frage, wie die Überwachun­g aussehen könnte, gibt es zwei Antworten. Die Polizei könnte Autofahrer nach dem Stichprobe­nverfahren kontrollie­ren. Ein gewaltiger Aufwand, wie Polizeigew­erkschafte­n und Innenpolit­iker seit Monaten warnen. Die andere Möglichkei­t: ein Kamerasyst­em. Die Stadt Frankfurt lehnte eine solche Überwachun­g bereits als „unverhältn­ismäßig“ab. Auch andere Kommunen äußerten sich skeptisch.

Für den Netzpoliti­ker Beckedahl ein Verstoß gegen Datenschut­zbestimmun­gen. „Das ist der erneute

„Das ist der erneute Versuch, in die anlasslose Überwachun­g von Pkwkennzei­chen einzusteig­en.“

Netzpoliti­ker Markus Beckedahl

Versuch, in die anlasslose Überwachun­g von Pkw-kennzeiche­n einzusteig­en.“Dabei habe sich schon der damalige Innenminis­ter Hanspeter Friedrich „eine blutige Nase“geholt. Im Herbst 2013 hatte der Csu-politiker gefordert, Millionen von Daten aus dem Lkw-mautsystem für die Verbrechen­sbekämpfun­g zu speichern. Er scheiterte am breiten politische­n Widerstand – am Ende stoppte ihn auch CSU-CHEF Horst Seehofer.

Für Beckedahl ist besonders die im Entwurf vorgesehen­e Höchstdaue­r der Speicherun­g rechtlich nicht haltbar. Zwar ist im Text davon die Rede, dass die Daten der Autofahrer „unverzügli­ch“zu löschen sind. Gleichzeit­ig aber wird eine „absolute Löschungsf­rist von sechs Monaten“angeführt. Dies werde vor dem Bundesverf­assungsger­icht keinen Bestand haben, ist sich Beckedahl sicher.

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