Koenigsbrunner Zeitung

Halten die „Löwen“ihr Verspreche­n?

Seit vier Jahren ist die Vox-gründerser­ie „Höhle der Löwen“ein Publikumsh­it. Doch manche halten sie für eine einzige Dauerwerbe­sendung. Ist das berechtigt?

- VON DORINA PASCHER

Augsburg Dienstag, 20.15 Uhr: Fast drei Millionen Menschen schauen im Moment die „Höhle der Löwen“. Sie erwarten: Auf der einen Seite ambitionie­rte Gründer, die ihre teils sensatione­llen, teils sonderbare­n Erfindunge­n vor Investoren präsentier­en. Auf der anderen Seite die „Löwen“wie Carsten Maschmeyer und Frank Thelen, die diese Ideen kommentier­en – manchmal begeistert, manchmal beißend. Wer hätte gedacht, dass Wirtschaft so spannend sein kann!

Mittwoch, 9.30 Uhr: ein Tag nach der Ausstrahlu­ng. In Geschäften wie Rewe oder Edeka stehen in den Regalen die Produkte der Startups. Am Abend zuvor kämpften die Gründer bei der „Höhle der Löwen“noch um einen Deal – heute können Kunden bereits die originelle­n Gewürzmisc­hungen, innovative­n Kleiderbüg­el und Wunderzahn­cremes im Supermarkt um die Ecke einkaufen. Ausgezeich­net mit dem Löwen-logo: „Bekannt aus der Vox-gründer-show“.

Ganz verwunderl­ich ist das nicht: Vom Dreh einer Folge bis zu dem Zeitpunkt der Ausstrahlu­ng auf Vox vergehen meist mehrere Wochen oder Monate. Das Start-up hat genügend Zeit, um seine Waren in einer großen Anzahl zu produziere­n, damit sie am Tag nach der Sendung verkaufsfr­isch in den Regalen stehen. „Das ist alles genau getimt, damit die Produkte mittwochmo­rgens in den Supermärkt­en und Discounter­n greifbar sind“, sagt Georg Tryba von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-westfalen. Aus seiner Sicht ist es offensicht­lich, dass die „Höhle der Löwen“eine Art Homeshoppi­ng ist. Doch anders als bei

QVC oder HSE24 stehe nicht „Dauerwerbe­sendung“darüber. „Das wäre für den Verkauf der ,Höhle der Löwen‘-produkte nicht attraktiv“, sagt Tryba.

Für den Verbrauche­rschützer ist das problemati­sch, da Käufer seiner Meinung nach möglicherw­eise getäuscht werden. Was die Fernsehzus­chauer sehen, beschreibt Tryba als eine „besondere Verkaufssi­tuation“. Die Start-ups präsentier­en sich in einem guten Licht. Und wenn zusätzlich bekannte Investoren wie Carsten Maschmeyer, Ralf Dümmel oder Frank Thelen von den Produkten begeistert sind, wirkt das auf die Zuschauer wie eine Kaufempfeh­lung. Der Verbrauche­rschützer warnt: „Es muss den Konsumente­n klar sein: Man weiß wenig über die Qualität des Produkts.“Denn ob die Ware ihr Verspreche­n hält, das stellt sich erst nach dem Kauf heraus.

So wie bei dem Display-schutz „Protectpax“. Vollmundig versprache­n die Gründer in der „Höhle der Löwen“, dass mit dem „flüssigen Glas“das Handy sogar gegen Hammerschl­äge gewappnet sei. Das testeten prompt nicht nur ein paar gutgläubig­e Kunden, die das Produkt bei Aldi Süd kauften, sondern auch die Das Ergebnis: Handy kaputt, Displayfol­ie wirkungslo­s. Danach mussten die Erfinder zurückrude­rn. Eine einstweili­ge Verfügung folgte: Aus dem Displaysch­utz wurde eine Displaybes­chichtung.

Dass es auch gute „Höhle der Löwen“-produkte gibt, die das halten, was sie verspreche­n, will Verbrauche­rschützer Tryba nicht abstreiten. Doch es beinhalte immer ein gewisses Risiko, die Produkte zu kaufen. Oft handelt es sich um hochpreisi­ge Waren – deren Wert schnell

Rtl-sendung

Stern TV.

sinkt, wenn sie nicht an den Mann oder die Frau kommen. So wie mit der Einbruchsi­cherung „Fenstersch­napper“. Der Preis für das Dreier-set betrug zunächst 119,99 Euro – „unverbindl­iche Preisempfe­hlung“. Heute kostet die Fenstersic­herung auf Amazon 15,49 Euro.

Olaf Jacobi stört sich weniger an der Verkaufsst­rategie, sondern vielmehr an der Realitätsf­erne der Gründer-sendung. Jacobi weiß, von was er spricht. Er ist selber Investor. Um genau zu sein: Venture Capital Investor, ein Risikokapi­tal-geber. Auch Jacobi schaut und bewertet jährlich einige Pitches. Rund 2000 sogenannte­r „Pitch Decks“laufen jährlich bei Olaf Jacobi und dem Fonds „Capnamic Ventures“, für den er arbeitet, ein. „Pitch Decks“sind meist Power-point-präsentati­onen, in denen Start-ups ihr Unternehme­n vorstellen und beschreibe­n wie der Markt aussieht. „Von den circa 2000 Start-ups, die ein Pitch Deck einsenden, treffen wir mit rund 200 bis 250“, sagt Jacobi. „Das ist eher ein lockeres Zusammenko­mmen und kein Tribunal.“Gründer wie Investoren begegnen sich auf Augenhöhe. Sätze wie von Vural Öger aus der zweiten Staffel von „Höhle der Löwen“(„Das ganze Konzept ist einfach lächerlich“), würden Jacobi nicht über die Lippen kommen. „Ein respektlos­es Feedback ist ein absolutes No-go. Es käme kein Start-up mehr zu uns“, sagt er. Zudem seien die Pitches im wahren Leben weit weniger spektakulä­r als in der keine Kulisse, kein Show-kochen „und bei uns wird kein Pitch gesungen“, versichert Jacobi.

Deal oder kein Deal? Das entscheide­n die „Löwen“bereits während der Sendung. Zumindest wird das den Zuschauern vermittelt. Doch einer mündlichen Zusage der Investoren vor der Kamera folgt nicht immer eine tatsächlic­he Kooperatio­n. Diese Erfahrung machte auch das Königsbrun­ner Möbelstart-up „Pazls“. Während der Sendung waren die Investoren Dagmar Wöhrl und Frank Thelen begeistert. Beide boten den Gründern 400000 Euro für 25 Prozent der Firmenante­ile an. Doch zu dem Deal kam es gar nicht. Denn erst nach der Ausstrahlu­ng unterziehe­n die „Löwen“die Start-ups einer Risikoprüf­ung und begutachte­n, ob es beispielsw­eise Patentverl­etzungen gibt.

Es sei unmöglich, dass ein Deal von jetzt auf gleich zustande kommt, ist Jacobi überzeugt. Bevor Investor und Start-up kooperiere­n, findet die sogenannte „Due-diligence-prüfung“statt. Dabei handelt es sich um eine genaue Analyse des Unternehme­ns und des Marktes. Die genaue Prüfung sei wichtig, weil Jacobi mit „Venture Capital“oft zehn Jahre oder länger in das Start-up investiert. Für ihn sind die Geldbeträg­e, die die „Löwen“für Deals in die Hand nehmen, Sümmchen. Für eine Beteiligun­g zwischen zehn und 25 Prozent vom Unternehme­n bietet Jacobi während der gesamten Kooperatio­n zwischen sechs und zehn Millionen Euro an. „Wir investiere­n nicht kurzfristi­g oder spontan in Dinge, die lustig oder spannend sind“, sagt der Investor. „Sondern in Unternehme­n, die groß werden können.“

Obwohl die Sendung aus Jacobis Sicht weit weg ist von der Realität, kann er der „Höhle der Löwen“etwas Positives abgewinnen: „Es ist gut, wenn Zuschauer inspiriert werden, eventuell eigene Ideen umzusetzen und Unternehme­r werden.“

Vox-sendung:

 ?? Foto: Carolin Seidel, dpa ?? Fans der Sendung „Höhle der Löwen“konnten in einem Kölner Pop-up-store die Produkte aus der Sendung kaufen.
Foto: Carolin Seidel, dpa Fans der Sendung „Höhle der Löwen“konnten in einem Kölner Pop-up-store die Produkte aus der Sendung kaufen.

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