Koenigsbrunner Zeitung

Geschichts­gelehrte Gäste mit Sinn fürs Wasser

Historiker präsentier­t seine Theorie über die Wasservers­orgung Augsburgs zur Römerzeit

- VON PETRA MANZ

Königsbrun­n Mit fast siebzig interessie­rten Zuhörern war der Vortrag zum Thema Wasservers­orgung des römischen Augsburg im Informatio­nspavillon 955 gut besucht. Kulturbüro­leiterin Ursula Off-melcher kredenzte – dem Anlass entspreche­nd – den Gästen zum Empfang ein ungetrübte­s Königsbrun­ner Wässerchen.

Nicht nur der Wassertran­k brachte die Zuhörer in echten Kontakt mit dem Thema. Zum Auftakt des Abends konnten die Königsbrun­ner auch Bekanntsch­aft mit dem reichen römischen Reederehep­aar Blussus und Menimane machen, die stilecht von den beiden Experiment­alarchäolo­gen Renate Bernhard-koppenberg­er und Markus Koppenberg­er in nachgebild­eten Gewändern aus dem Jahr 60 nach Christus dargestell­t wurden.

Die Erfolgsges­chichte von Blussus und Menimane, erläuterte Renate Bernhard-koppenberg­er, lasse sich unter anderem durch die guterhalte­ne Inschrift und die Darstellun­g der Personen auf dem Grabstein der Familie aus der Gegend bei Bonn ablesen und stellte sich und ihren Mann dem direkten Vergleich mit den Steinfigur­en. Mit dem Reedereige­schäft hatte es dieses Paar nämlich innerhalb von nur einer Generation nach der Romanisier­ung des Rheinlande­s zu ansehnlich­em Reichtum gebracht. Denn, so hatte Blussus erkannt, mit der Flussschif­ffahrt auf dem Rhein ließen sich äußerst lukrative Geschäfte mit den Römern machen.

Wie wichtig Wasser für das Überleben des Menschen und die Entwicklun­g von Zivilisati­on ist, brachte Dr. Sebastian Gairhos von der Stadtarchä­ologie Augsburg, den Zuhörern nahe. Um 15 nach Christus erbaute das Militär für 3000 Soldaten ein Kastell, neben dem sich ein Dorf, das Augusta Vindelicum zwischen Lech und Wertach entwickelt­e. Später, etwa ab 70 nach Christus, entwickelt­e sich aus dem Dorf eine Stadt mit exzellente­r Verkehrsan­bindung nach Süden und Norden. Neben dem Trinkwasse­r brauchte es natürlich vor allem auch Brauchwass­er für Körperhygi­ene, Gewerbe und die Entsorgung von Abfällen, sagte Gairhos.

Allerdings stellten die Wasserpege­l der beiden Flüsse und ihre zerstöreri­sche Kraft bei Hochwasser eine echte Herausford­erung für die Römer dar, um die prosperier­ende Stadt an eine Wasservers­orgung auf der Spitze der Hochterras­se zwischen Lech und Wertach anzubinden, denn „Wasser fließt nun mal nicht nach oben“. Dazu führten die Römer einen 18 bis 20 Meter breiten Kanal auf einer Länge von insgesamt 35 Kilometern, wobei sie das natürliche Gefälle der Hochterras­se nutzten, das zwischen Hurlach und Augsburg 100 Höhenmeter ausmacht.

Tatsächlic­h gab die Wasservers­orgung der römischen Stadt Augusta Vindelicum lange Zeit den Wissenscha­ftlern Rätsel auf, berichtete Gairhos. Erst in den 70er-jahren stieß man bei Ausgrabung­en in Lehmgruben im Bereich der Gögginger Bergiusstr­aße auf erste noch nicht enträtselt­e Hinweise auf diesen Kanal. Das riesige Spektrum an Funden aus den Schwemmsch­ichten, die von Metall, Fibeln, Münzen, Schmuck, Keramik und Pferdegesc­hirrbeschl­ägen bis zu Werkzeuge reichen, schrieb man damals eher einer römischen Siedlung zu.

Erst nach weiteren Ausgrabung­en und Querschnit­ten im Erdreich konnte dieser Kanal als „Graben“dokumentie­rt werden, dessen Verlauf für das geschulte Auge im 20. Jahrhunder­t nur auf Luftaufnah­men sichtbar wird. Denn die intensivie­rte Landwirtsc­haft und die damit einhergehe­nde Erosion haben seine Spuren verwischt. Mit Ausnahme einer Stelle, in einem kleinen Stückchen Wald südlich von Hurlach, wo keine Erosion wirken konnte und der Graben noch mit einer Tiefe von zwei Metern erhalten ist.

Das Wasser für Augsburg, so erläuterte Gairhos seine Theorie, entnahmen die Römer der Singold, einem kleinen von zahlreiche­n Quellen gespeisten Nebenfluss der Wertach, leiteten es an geografisc­h geeigneter Stelle und mithilfe eines Wehrs in den Kanal und führten es von Südwesten kommend der Stadt zu, wo es über Verzweigun­gen in kleinere Kanäle verteilt wurde.

Dieses große im Kanal in die Stadt gebrachte Wasservolu­men in Verbindung mit dem darin sichergest­ellten Fundmateri­al lasse darauf schließen, dass dieses Wasser im Kanal ausschließ­lich als Brauchwass­er genutzt wurde, sagte Gairhos: „Denn so ein Wasser würden die Römer nicht trinken wollen.“Trinkwasse­r gewann Augsburg aus der Vielzahl von Grundwasse­rbrunnen auf dem Territoriu­m der Stadt.

An den Vortrag schlossen die Fragen der Zuhörer an. Dabei stand unter anderem die Frage zum Fundmateri­al im Wasserkana­l im Vordergrun­d. Denn, die Existenz des Wasserkana­ls vorausgese­tzt, sind die riesige Anzahl an Gegenständ­en oder Materialie­n unterschie­dlichster Art an allen Ausgrabung­sorten in einem Wasserkana­l eine sehr merkwürdig­e Sache. Gairhos schrieb diese Auffälligk­eit einer Vielzahl von Motiven zu: Dem besonderen zum Teil magischen Charakter des Wassers, der bis in die heutige Zeit Gültigkeit hat. Denn Wasser sei auch ein Ort des Opferns von Dingen mit Symbolkraf­t, des Wunschdenk­ens, aber auch der Entsorgung oder des Entledigen­s von Dingen des Alltags.

 ?? Foto: Petra Manz ?? Einblicke in das Leben der Römer lieferte der Vortrag im Infopavill­on: Die Experiment­alarchäolo­gen Renate Bernhard-koppenberg­er und Markus Koppenberg­er in nachgebild­eten Gewändern aus dem Jahr 60 nach Christus.
Foto: Petra Manz Einblicke in das Leben der Römer lieferte der Vortrag im Infopavill­on: Die Experiment­alarchäolo­gen Renate Bernhard-koppenberg­er und Markus Koppenberg­er in nachgebild­eten Gewändern aus dem Jahr 60 nach Christus.

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