Die Frauen drängen nach
Gerhard Richter wieder Nr. 1. Aber viele Künstlerinnen mit Bedeutungszuwachs
Der achtunggebietendste Gegenwartskünstler bleibt Gerhard Richter – gemessen an der Resonanz im Kunstbetrieb, gemessen also an Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit sowie an Ehrungen, Museumsankäufen plus Besprechungen in der Fachpresse. Verkaufspreise und Auktionszuschläge werden hingegen nicht berücksichtigt. Gleichwohl ist das Ruhmespunktekonto des 1932 in Dresden geborenen und heute in Köln arbeitenden Richters angefüllt bis über die Halskrause. Lust, den neuerlichen Platz 1 zu kommentieren, hat er natürlich nicht. Er schweigt ja gern.
Auch die neun nachfolgenden Künstler sind – wegen nur leichter Verschiebungen – keine wirklichen Überraschungen: Bruce Nauman, Georg Baselitz,
Rosema- rie Trockel, Cindy Sherman, Anselm Kiefer, Olafur Eliasson, Tony Cragg, William Kentridge und Richard Serra. Man kennt sie von Documenta-ausstellungen in Kassel und von Biennalen. Immerhin sind zwei Frauen unter diesen Top 10 – was freilich ausbaubar bleibt.
Und genau daran arbeiten die Frauen auch: Wie die Kunstkompass-analystin Linde Rohr-bongard mit Augen auf insgesamt 30 000 Künstler feststellt, gehören zu den parallel ermittelten 100 besonders rasant aufsteigenden Künstlern 48 Frauen. Man achte auf die Koreanerin Haegue Yang (*1971), diese Professorin der Frankfurter Städelschule, die 2012 im Kulturbahnhof Kassel eine ihrer typischen Jalousienenarbeiten zeigte und ihr Punktekonto zuletzt besonders schnell nach oben trieb; man achte auf Alicja Kwade (*1979), die bei der letzten venezianischen Biennale ein schönes steinernes und tönendes Planetensystem vor dem Arsenal ausbreitete. Auch Katharina Sieverding aus Deutschland und Berlinde De Bruyckere (Belgien) zählen zu den bemerkenswertesten Aufsteigerinnen.
Was der Kunstkompass weiterhin festhält: Nach wie vor ist Deutschland führend in der Anzahl von respektierten Großkünstlern. 28 Namen unter den Top 100 kommen von hier, 27 aber immerhin aus den USA. Auf Platz 3 liegt Großbritannien mit elf Künstler(innen).
Auch wenn Kunstkompass beziehungsweise nicht Kunstverkäufe bewerten – insofern hat auch David Hockney, der seit ein paar Tagen der teuerste lebende Künstler ist, keinen Schub erhalten –, so nutzen sie doch die Gunst der Aufmerksamkeit, selbst Kunst an den Mann, die Frau zu bringen. Dieses Jahr mit einer Skulptur-edition von Tony Cragg. Preis: 8500 Euro. So viel Geschäft darf dann doch sein.
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