Neues Spiel, neues Glück?
Sind Sportwetten seriös? Der Staat sagt Nein, viele Zocker sehen das anders. Ein Besuch im Wettlokal
Bundeswirtschaftsministeriums investieren die Deutschen jährlich rund 900 Millionen Euro in Sportwetten. Das ist ein knappes Viertel mehr als das, was sie im Jahr für Fanartikel ausgeben. Wer will, kann jetzt schon den nächsten Weltmeister in der Formel 1 tippen oder auf ein Double der Bayern setzen. Dutzende Spiele aus aller Welt werden rund um die Uhr für Live-Wetten angeboten. Je unwahrscheinlicher die Vorhersage, desto höher die Wettquote, die mit dem eingesetzten Betrag multipliziert wird. Die Quoten lassen sich zudem kombinieren – aus einem kleinen Einsatz kann plötzlich viel Geld werden.
Wolfgang sieht sich nicht als Glücksspieler. Statt auf den bloßen Zufall hoffen zu müssen, könne man seine Erfolgschancen beim Wetten zum Beispiel durch gute Fachkenntnis beeinflussen. „Münzen in einen Automaten oder Spielkarten auf einen Tisch zu werfen hat keinen Reiz für mich“, sagt Wolfgang. Auch der deutsche Marktführer für Sportwetten, Tipico, lässt mitteilen, dass er aus seiner Sicht kein Glücksspiel betreibe. „Natürlich kann man bei einer Wette auf Sportereignisse nicht alle Einflussfaktoren gegeneinander abwägen und damit das Ergebnis vorhersagen“, betont das Unternehmen. Anders als bei klassischen Glücksspielen wie Roulette sei die Gewinnwahrscheinlichkeit auch nicht immer gleich. Das Wettangebot solle laut Tipico nicht dazu anregen, reich werden zu wollen. Vielmehr solle es darum gehen, ein sportliches Ereignis noch persönlicher und spannender zu machen.
Für den Staat sieht das freilich anders aus. Sportwetten gelten als Glücksspiel. „Die Politik argumentiert mit dem Suchtfaktor des Glücksspiels, weshalb es die Menschen zu schützen gilt“, sagt der Rechtsanwalt Henrik Bremer, der mit seiner Hamburger Anwaltsgesellschaft 2012 an einem Gesetzesentwurf zur Liberalisierung des Glücksspielrechts mitgearbeitet hat. Buchmacher müssen daher wie alle Glücksspielanbieter in Deutschland über eine offizielle Erlaubnis verfügen. Das ist im sogenannten Glücksspielstaatsvertrag geregelt, den die Länder in Eigenregie umsetzen. Aktuell werden allerdings keine Lizenzen für Wettanbieter vergeben. „Für einige ausgewählte Anbieter von Sportwetten gelten befristete Genehmigungen, die im kommenden Jahr auslaufen“, erläutert Rechtsexperte Bremer. Weil es gleichzeitig kein offizielles Verfahren gibt, über das die Buchmacher an eine Lizenz kommen können, werden sie in Deutschland derzeit „geduldet“und befänden sich in einer „juristischen Grauzone“.
Gleichzeitig verdient der Staat durch die Glücksspielsteuer mit, nicht nur bei Sportwetten, sondern zum Beispiel auch bei der Lotterie. „6 aus 49“ist das mit Abstand populärste Glücksspiel in Deutschland. Etwa 57 Prozent der 16 bis 65-Jährigen haben schon einmal einen Lottoschein ausgefüllt. Sofortlotterien mit Rubbellosen liegen in der Beliebtheitsskala direkt dahinter.
Ein Fünftel aller Bundesbürger hat einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge schon einmal an einem Automaten gespielt – 267000 solcher Geräte stehen im Bundesgebiet in Kneipen und Spielotheken. Den Gesamtumsatz der Glücksspielindustrie beziffert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen auf 40 Milliarden Euro, etwa 25 Milliarden Euro verbuchen die Aufsteller von Spielautomaten.
„Diese Dinger sind mir zu anstrengend und kompliziert“, sagt Fußballfan Wolfgang, als einige der anderen Gäste im Wettlokal zu einer der rund 100 Spielotheken im Augsburger Stadtgebiet aufbrechen. Auf das Spitzenspiel des Bundesligaspieltags, das gleich angepfiffen wird, verzichtet er ebenfalls. „Ohne Einsatz ist das für mich dann doch irgendwie witzlos.“