„Es gibt nicht den einfachen Weg zum Glück“
Alexandra Reinwarth schreibt Ratgeber, mehrere ihrer Bücher sind zu Bestsellern geworden. Zu ihren Erkenntnissen über die Glückssuche gehört, dass der Selbstoptimierung Grenzen gesetzt sind
den meisten Sachen immer die gleiche Einsicht herauskam, nämlich, dass es so nicht funktioniert, wie es in den Ratgebern steht. Ich wollte immer so eine YoguretteFrau sein, die gut gelaunt durch den Park joggt bei schönem Wetter. Ich fand es auch total wichtig, dass man nach den eigenen Prioritäten lebt, was man ganz oft im Alltag nicht macht. Besonders Frauen machen das nicht, weil sie zu sehr nach dem leben, was andere oder die Gesellschaft von ihnen erwarten. Reinwarth: Es gibt einen feststehenden Begriff in der Verlagswelt: Glück geht immer. Ich denke nicht daran, was allgemein akzeptiert ist. Ich habe meine Sicht der Dinge, und wenn die ankommt, finde ich es super. Außerdem gibt es nicht so viele Glücksbücher, die witzig sind. Reinwarth: Ich glaube, dass viele eine komische Vorstellung von Glück haben. Man müsste schlanker, reicher, besser organisiert und aufgeschlossener sein. Diese Vorstellung ist einfach schräg. Denn genau dieses improvisierte Leben, das man jeden Tag hinbastelt, ist das Leben. Es kommt nicht der Tag, an dem man endlich alles verbessert hat. Das ist eine dieser Erkenntnisse: Dass ich den aktuellen Status genießen kann und nicht permanent ein schlechtes Gewissen haben muss. Reinwarth: Es geht weniger darum, sich selbst zu optimieren, als sich selbst zu erkennen. Es ist schon erstaunlich, wie voll man von Selbstbeschiss ist. Einer Selbstoptimierung sind extreme Grenzen gesetzt. Bevor ich mich herumärgere, warum dieses oder jenes nicht klappt, macht es mehr Sinn, sich mit den Grenzen auseinanderzusetzen. Im Laufe der Zeit kommen bei den Menschen dieselben Fragen auf, weil uns alle dieselben Themen beschäftigen. Deshalb, glaube ich, sind die Bücher auch so erfolgreich. Reinwarth: Beim letzten Buch hat sich herausgestellt, dass es eigentlich um vier Themen geht: Von was willst du leben? Mit wem willst du leben? Wo willst du leben? Und wie willst leben? Wenn man die nicht in Ordnung bringt, kann man sich noch so viele Ratgeber und buddhistische Gebetsfähnchen kaufen wie man will, denn dann wird man ein- fach nicht froh. Reinwarth: Ich glaube ehrlich, dass man sich auf einem lebenslangen Prozess befindet. Den einfachen Weg gibt es nicht. Wenn jemand sagt: „Ich habe es raus“, darf man skeptisch werden. Dann stimmt etwas nicht.
Alexandra Reinwarth
Kernfragen des Daseins sind es eher selten, die Alexander Dobrindt umtreiben. Der CSU-Politiker, einst Generalsekretär, dann Verkehrsminister, nun Landesgruppenchef, apportierte jahrelang die Pkw-Maut als des Pudels Kern deutscher Politik-Utopien. Brüssel weigerte sich lange hartnäckig, über dieses Stöckchen zu springen. Und die „konservative Revolution“, die Dobrindt ausgerufen hat, ist über den Stand eines Rohrkrepierers nicht recht hinausgekommen.
Alexander Dobrindt kommt gerne verbal zum Punkt, punktet aber selten. Sein rhetorisches Temperament hält er dennoch für eine Kernkompetenz, die unerschrocken einzusetzen er nicht müde wird – gegen „Zeitgeistgetriebene“, gegen die FDP („Gurkentruppe“), die „Anti-Abschiebe-Industrie“oder einstens gegen Hannelore Kraft aus dem Igitt-Land NRW, die er „das faulste Ei in der deutschen Politik“nannte. Kernig klingt er gern, der Oberbayer. Nun hat der CSU-Mann in Sachen Migrationspakt nicht taktiert, sondern formuliert. Der „Kernsinn“des Paktes sei es, „illegale Migration zu reduzieren und legale zu ermöglichen.“
Kernsinn: Auf dieses Wort muss man kommen. Es ist eine Kreation von Dobrindt. Der Duden kennt das Wort nicht – da landet man (wie auch mit jeder Suchmaschine) sogleich bei Kernspin. Stellen wir die Sinnfrage: Was bedeutet Kernsinn? Gibt es einen peripheren Sinn? Sinnspaltung? Nebensinn? Man kannte (und brauchte dazu niemals einen Dobrindt) den Kerngedanken und die Sinnhaftigkeit, Sinnkrisen und Unsinn, Hintersinn, Kernseife und Kernzonen. Aber Kernsinn?
Wahrscheinlich meint Alexander Dobrindt den Kern der Sache, die Essenz des Migrationspaktes, die Grundidee, den Geist des Papiers – auch wenn dieses nicht „in reiner CSU-Lehre formuliert“sei. Das wäre ja auch Wahnsinn.