Hand in Hand: Die frisch gewählte CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Vorgängerin Angela Merkel.
spricht das Thema Rente an – auf Parteitagen mit vielen älteren Delegierten immer ein guter Schachzug. Und sie fordert Mut von ihrer CDU.
Dann führt Kramp-Karrenbauer Argumente an, mit denen ihre Herausforderer nicht punkten können. Sie ruft in den Saal, dass sie hier als Mutter von drei Kindern steht, als Ministerin, als Ministerpräsidentin, die über 18 Jahre lang ihrem Land gedient habe. Die Delegierten horchen auf, immer mehr Applaus ist zu hören. Sie habe gelernt, „was es heißt zu führen“, legt die CDU-Generalsekretärin nach. Und sie habe gelernt, dass es dabei auf „die innere Stärke und nicht auf die äußere Lautstärke ankomme“. Das sitzt endgültig. Der Beifall ist laut, lang anhaltend, viele Delegierte erheben sich von den Plätzen. Es sind wohl diese letzten Sätze ihrer insgesamt 22-minütigen Rede, mit denen Kramp-Karrenbauer die entscheidenden Stimmen holt.
Während Kramp-Karrenbauer cool wirkt, gibt Friedrich Merz zu Beginn seiner Bewerbungsrede ein ganz anderes Bild ab. Der ehemalige Blackrock-Aufsichtsratschef wirkt ungewohnt nervös, seine Stirn glänzt wenig vorteilhaft im Rampenlicht. Auch er verliert sich zunächst in Gemeinplätzen, verweist darauf, dass von den vielen Gewissheiten früherer Jahre kaum noch etwas geblieben sei. Er sagt, dass es Befürchtungen, Ängste und Verlus- te für die Volksparteien gebe – und das, obwohl die Wirtschaft brummt und es den Deutschen gut geht.
Dann schaltet Merz einen Gang hoch und kommt auf die AfD zu sprechen. Die CDU zeige Willen, Stimmen von der AfD zurückzuholen, sagt er. „Aber es gelingt uns offensichtlich nicht.“Er spricht von einem Zustand, der für ihn und viele der Delegierten sicherlich „einfach unerträglich“sei. Ein Zustand, der nach seinen Worten nicht nur die Mehrheitsfähigkeit in der Mitte gefährdet, sondern die Stabilität des Landes. Merz sagt das wohl wissend, dass er damit direkt den Nerv vieler Delegierter trifft. Denn im Saal sitzen viele hochrangige Funktionäre, die Wahlen gewinnen müssen und die es satt haben, ständig Stimmen an die AfD zu verlieren.
Dann packt Merz sein ganzes Wissen als Wirtschafts- und Finanzexperte aus. Was, wenn es wirtschaftlich schwieriger werde? Wie soll es dann weitergehen? Die Antwort liefert er selbst: „Wir brauchen eine Agenda für die Fleißigen.“Applaus. Merz bricht noch eine Lanze für die vielen Unternehmer im Saal. Der Staat, ruft er, sei nicht der bessere Unternehmer. Es ist der Moment, in dem Merz in etwa so viel Beifall bekommt wie seine Vorrednerin. Beobachter glauben da noch an einen Gleichstand der beiden.
Jens Spahn hat es am schwersten. Er hat die undankbare Aufgabe, als Letzter zu sprechen. Und ihm hat man von Anfang an die schlechtesten Chancen vorhergesagt. Was ihm allerdings nicht viel ausmacht. Auch er lese Umfragen, räumt Spahn ein. „Aber ich kann Ihnen sagen, es fühlt sich richtig an, hier zu stehen.“
Spahn macht seine Sache ordentlich, aber er ist nicht mitreißend. Der Gesundheitsminister wird sich vorwerfen lassen müssen, dass er vor allem Versatzstücke seiner Vorträge aus den Regionalkonferenzen wiederholt. Dafür gibt es höflichen Applaus, der sich erst steigert, als Spahn persönlicher wird und sich als streitbaren Geist darstellt. Er laufe nicht weg, wenn es eng werde, ruft er in den Saal. Er fordert mehr Mut in der CDU – auch den Mut, unterschiedliche Meinungen auszuhalten. Spahn kommt dann gut an, wenn er Anfälle von Selbstironie zeigt: Er sei zu seiner eigenen Überraschung etwas gelassener geworden in den vergangenen Tagen und Wochen, erklärt er mit jenem feinen, verschmitzten Grinsen, das einmal sein Markenzeichen werden kann.
Spahn sagt: „Ich kann Ihnen nicht versprechen, ein bequemer Parteivorsitzender zu sein. Ich bin, wie ich bin.“Er wolle aber von der ersten Sekunde an für die CDU und ihre Mitglieder kämpfen. „Wir brauchen nicht das Vertrauen der Berliner Blase. Wir brauchen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger“, beendet er seine Rede.
Es geht um viel an diesem Bundesparteitag. Darum, ob die CDU nach den gut 18 Jahren der Ära Merkel weitgehend mit ihrem Kurs bricht, wie dies Merz vorhat. Oder