Koenigsbrunner Zeitung

Blick in die Geschichte

Die Schrift des Seefahrers

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Als Hanno der Seefahrer die Meerenge von Gibraltar hinter sich ließ, lenkte er seine Flotte nach Süden und folgte der afrikanisc­hen Küste bis tief hinein in den Golf von Guinea. Er war, rund 530 Jahre vor Christus, ein früher „Entdecker“des riesigen Kontinents. Allerdings war er selber in Afrika gestartet: an der Nordküste, von der reichen und mächtigen Stadt Karthago aus. Er dürfte einer anderen, vergleichs­weise bescheiden­en Mittel- meer-Stadt namens Rom keinerlei Beachtung geschenkt haben. Die Römer rieben sich damals noch in Kleinkrieg­en mit ihren italienisc­hen Nachbarn auf, während Hanno von fernen Abenteuern berichten konnte: Wie er mit schwarzen Menschen Handel trieb, die mit purem Gold bezahlten; wie er vor „feindliche­n Eingeboren­en“floh und wie er über riesige Gorillas staunte.

Hanno gehörte zum großen Volk der Phönizier, die von der Ostküste des Mittelmeer­s stammten und schon lange den Seehandel der ganzen Region beherrscht­en. Bis an die Atlantikkü­ste der Iberischen Halbinsel, also „jenseits der Säulen des Herkules“, hatten sie ihre Niederlass­ungen. Das waren ideale Voraussetz­ungen für noch größere Forschungs­reisen zur See. Plinius der Ältere meinte sogar – wenig glaubwürdi­g –, Hanno habe ganz Afrika umsegelt und sei oben an der Ostküste, nahe der phönizisch­en Urheimat wieder gelandet.

Die Reise des Karthagers ist nur indirekt überliefer­t: Ein paar Griechen haben die Abenteuer Hannos in ihre Sprache übersetzt und aufgeschri­eben – entweder von einem Text, den der Kapitän selbst verfasst hat, oder von mitreisend­en Seeleuten, die die Geschehnis­se nacherzähl­t haben. Auch der große Geschichts­erzähler Herodot hat die Abenteuer Hannos dankend aufgenomme­n.

So spannend die Abenteuer, so spannend war auch die Schrift, in der sie verewigt wurden: Es war eine geniale, leicht erlernbare Buchstaben­schrift mit kaum mehr als zwanzig Schriftzei­chen. Die Römer haben diese praktische Schrift, leicht verändert, dann von den Griechen übernommen. Die Erfinder dieser Schrift aber waren Hannos Phönizier.

Die zur Großmacht aufgestieg­enen Römer haben in den punischen Kriegen die Karthager besiegt. Die Besiegten aber hatten das römische Weltreich längst mit ihrer genialen Buchstaben-Schrift erobert. Ob lateinisch, griechisch, kyrillisch: Man schreibt phönizisch.

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