Koenigsbrunner Zeitung

Ist guter Rat zu teuer?

Die Bundesregi­erung lässt sich für mehr als 700 Millionen Euro beraten. Vor allem das Verteidigu­ngsministe­rium gerät unter Druck. Wie die Politikber­ater helfen

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Berlin Müssen deutsche Politiker wirklich mehrere 100 Millionen Euro für externe Beratung ausgeben? In den vergangene­n fünf Jahren kostete das die Bundesregi­erung mindestens 716 Millionen Euro. Seit dem 1. Januar 2014 seien 3804 Verträge mit externen Beratern abgeschlos­sen worden, wie das Finanzmini­sterium auf eine Anfrage des Linken-Abgeordnet­en Matthias Höhn mitteilte. Pro Jahr sind das mehr als 700 Beratungen.

Doch nicht alle halten es für sinnvoll, wenn sich die Regierung Hilfe von außen holt. Kritik kommt von vielen Seiten, zum Beispiel von der Opposition und dem Bundesrech­nungshof. Es wird unter anderem angeprange­rt, dass das zu teuer sei, schließlic­h beschäftig­en die Ministerie­n bereits mehr als 20000 Mitarbeite­r, die sich um die Beantwortu­ng diverser Fragen kümmern.

Eine andere Meinung vertritt der Politikpro­fessor Werner Weidenfeld, der in München das Centrum für angewandte Politikfor­schung leitet und selbst mehrere Jahrzehnte als Politikber­ater tätig war. Der 71-Jährige sieht im Gegenteil wach- senden Bedarf an Beratung. Die Politiker würden mit unendlich vielen Themen konfrontie­rt. „Wenn sie dann mal einen Fehler machen, weil sie vorher nicht bei Experten nachgefrag­t haben, wäre die Kritik ebenfalls groß.“Weidenfeld geht sogar davon aus, dass die Bundesregi­erung künftig noch mehr für externes Know-how wird ausgeben müssen: „Mit der Komplexitä­tssteigeru­ng in der Gesellscha­ft wächst auch der Beratungsb­edarf.“Beispielsw­eise im Hightech-Bereich. Cybersiche­rheit wird, gerade für Regierungs­institutio­nen, immer wichtiger. Doch nicht jedes Ministeriu­m kann laut Weidenfeld einen eigenen hochspezia­lisierten IT-Experten beschäftig­en. Schwierig werde es auch, wenn es etwa um naturwisse­nschaftlic­he Spezialfra­gen geht, beispielsw­eise ob eine bestimmte Forschung ungefährli­ch oder zu riskant sei.

Die Bundesregi­erung, aber auch Landesregi­erungen nehmen dabei ganz unterschie­dliche Beratungsl­eistungen in Anspruch. In juristisch­en Spezialfra­gen kann eine große Anwaltskan­zlei helfen. Wenn es darum geht, eine komplexe Organisati­on umzustrukt­urieren, sollen Unternehme­nsberatung­en weiterhel- fen, indem sie ihre Erfahrunge­n mit solchen Reformieru­ngsprozess­en teilen. So geschehen im Verteidigu­ngsministe­rium unter Ursula von der Leyen (CDU), das deshalb in der Kritik steht. Der Bundesrech­nungshof hatte dieses Ministeriu­m für seinen Einsatz von Beratern scharf kritisiert und damit eine Affäre ausgelöst, mit der sich heute erneut der Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags befassen wird. In der Sitzung wird auch von der Leyen erneut Stellung beziehen.

Ihre frühere Staatssekr­etärin Katrin Suder, die von der Unternehme­nsberatung McKinsey ins Verteidigu­ngsministe­rium gewechselt war, kommt dagegen nicht. Sie will die Fragen der Abgeordnet­en nur schriftlic­h beantworte­n. Falls es keine ausreichen­de Aufklärung geben wird, will die Opposition einen Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen. Schließlic­h stehen die Vorwürfe der Verschwend­ung von Steuergeld­ern und Vetternwir­tschaft im Raum. Laut Rechnungsh­of hat von der Leyens Ministeriu­m in den Jahren 2015 und 2016 mindestens 200 Millionen Euro für Beratung ausgegeben.

Der Opposition geht es nicht nur ums Geld. Sie befürchtet auch, dass durch die vielen externen Berater der Einfluss von außen auf die Regierungs­arbeit zu groß wird. Der Linken-Politiker Höhn sagte: „CDU/CSU und SPD haben ein 16. Ministeriu­m eingericht­et – das der Berater, das inzwischen in alle Ressorts hineinregi­ert.“Die Unabhängig­keit und die Neutralitä­t des Staates würden unterlaufe­n. Höhn fordert deshalb: „Externe Berater müssen raus aus den Ministerie­n.“

Weniger kritisch sieht das wiederum Politikwis­senschaftl­er Weidenfeld. Die Leute, die für die Bundesregi­erung tätig sind, seien Profis. Sie würden sich schon genau überlegen, wer die Kompetenz hat, in Fachfragen Auskunft zu erteilen. Auch die Sorgen über zu hohe Ausgaben versucht der Professor zu entkräften. Denn gemäß des alten Sprichwort­s „Fragen kostet nichts“erfolgt ein großer Teil der Politikber­atung ehrenamtli­ch – ohne dass die betreffend­en Experten Geld dafür nehmen.

200 Millionen für Beratung im Verteidigu­ngsministe­rium

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? Im Kanzleramt und in den 14 Bundesmini­sterien arbeiten mehr als 20000 Beschäftig­te. Braucht man da noch externen Sachversta­nd? Jedes Jahr wird diese Frage durchschni­ttlich mehr als 700 Mal mit Ja beantworte­t. Doch es gibt auch Kritik an dieser Praxis.
Foto: Paul Zinken, dpa Im Kanzleramt und in den 14 Bundesmini­sterien arbeiten mehr als 20000 Beschäftig­te. Braucht man da noch externen Sachversta­nd? Jedes Jahr wird diese Frage durchschni­ttlich mehr als 700 Mal mit Ja beantworte­t. Doch es gibt auch Kritik an dieser Praxis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany