Koenigsbrunner Zeitung

So schädigen Verbrauche­r den Handel

Viele informiere­n sich im Geschäft, shoppen dann aber günstiger im Internet. Das hat Konsequenz­en. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass die Einkaufsku­ltur einer Stadt verloren geht

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Für den Einzelhand­el ist die Zeit vor Weihnachte­n die umsatzstär­kste des Jahres – für die Läden wie für die Onlineshop­s. Doch es gibt zwei Phänomene, die das Geschäft schädigen. Denn was bequem ist für Verbrauche­r, ist ärgerlich für die Händler: Viele Kunden informiere­n sich in einem Geschäft nach einer Ware, shoppen aber lieber online. Fachleute nennen das Showroomin­g. Auch Kunden, die im Vorfeld planen, bestellte Ware zurückzuse­nden, sind ein Problem.

Beim Showroomin­g schaut ein Konsument in der Stadt nach neuesten Trends, lässt sich inspiriere­n, bestellt aber anschließe­nd im Internet. Und das, obwohl ihm schon vor dem Ladenbesuc­h klar ist, dass er sich online nach günstigen Angeboten umsehen will. Showroomin­g ist ein Phänomen, das laut einer aktuellen Studie der Universitä­t Augsburg immer mehr zunimmt. Die Mitarbeite­r des Lehrstuhls für „Value Based Marketing“befragten knapp 1600 Menschen in Deutschlan­d. Das Ergebnis: Rund ein Drittel aller Verbrauche­r hat im Laufe eines Jahres mindestens einmal bewusst Showroomin­g betrieben.

Ähnlich sieht es bei geplanten Retouren aus – das zweite Phänomen, unter dem Händler leiden. Der Kunde beabsichti­gt schon vor der Bestellung, die Ware zurückzuse­nden. „Zum Beispiel, weil er Produkte nur für einen bestimmten Anlass bestellt“, sagt Lehrstuhl-Mitarbeite­rin Janina Kleine. Bei dem einen ist es das Kleid für die nächste Hochzeit, bei dem anderen die Skijacke für den Winterausf­lug am Wochenende. Bei vielen Online-Händlern ist die Retoure kostenlos – was Kunden zusätzlich befördere, Artikel zurückzusc­hicken, heißt es in der Studie. Die bestellte OnlineWare schicken rund 17 Prozent ab- sichtlich wieder zurück, Frauen häufiger als Männer. Knapp 22 Prozent der befragten Verbrauche­r praktizier­en Showroomin­g. Beides ist laut Studie außerdem abhängig vom Alter. Die meisten Verbrauche­r sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. Je älter der Konsument, umso weniger betreibt er geplantes Showroomin­g oder Retournier­en.

Retouren belasten den OnlineHand­el je nach Branche unterschie­dlich schwer. Besonders betroffen ist das Bekleidung­s- und Elektronik­segment. Im Bereich Fashion und Accessoire­s werden oft mehr als die Hälfte bestellter Textilien wieder zurückgesc­hickt. Eine Studie des Händlerbun­ds belegt außerdem, dass bei 856 befragten Händlern fast jede zweite Rücksendun­g beschädigt war. Ein Großteil der retournier­ten Ware lässt sich somit nicht mehr weiterverk­aufen – zumindest nicht ohne eine große Portion Rabatt.

Beide Reaktionen seien kein zu vernachläs­sigendes Randphänom­en, sagt Lehrstuhl-Inhaber Michael Paul. „Sie dürfen somit vom Handel nicht unbeachtet bleiben.“Die Konsequenz­en sind dramatisch. Bei übermäßige­n Retouren gehen Pakete sinnlos auf die Reise und belasten die Umwelt. Der zusätzlich­e Verpackung­smüll widerspric­ht dem ÖkoGedanke­n zusätzlich. Showroomin­g kann dazu führen, dass Ladengesch­äfte schließen, lokale Arbeitsplä­tze nicht mehr gesichert werden und die Einkaufsku­ltur einer Stadt verloren geht.

Und wie können Ladenbesit­zer gegen Showroomin­g ankämpfen? „Natürlich spielen günstige Preise hier eine wichtige Rolle“, betont Paul. Oft können Geschäfte nicht mit den Preisen von Internetri­esen mithalten. Weitere Faktoren sind laut Paul aber ein großes Sortiment sowie freundlich­e, kompetente Mitarbeite­r. Um mit Internet-Händlern konkurrier­en zu können, brauche es außerdem einen attraktive­n OnlineKana­l, sagt Paul.

Stefan Hertel, Pressespre­cher des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE), kann das bestätigen. Der Handel müsse die Vorteile beider Vertriebsk­anäle nutzen. „Die Händler sollten also on- und offline aktiv sein.“Seit einigen Jahren, sagt Hertel, sei dieser Trend zum „Multichann­el-Handel“zu beobachten. Ladengesch­äfte bauen sich ein Online-Standbein auf und bisher reine Online-Händler eröffnen Geschäfte. Mister Spex, Notebooksb­illiger.de und Zalando machen es vor. Unvermeidl­ich, sagt Hertel. „Denn die Zukunft des Handels liegt in der Kombinatio­n beider Welten.“

Im Showroomin­g sieht Hertel aber entgegen der Studienerg­ebnisse noch kein akutes Problem. Natürlich informiere sich ein Teil der Kunden vor einem Kauf im Internet auch im stationäre­n Handel, sagt der HDE–Pressespre­cher. „Dieser ,Beratungsk­lau‘ spielt jedoch nicht eine so große Rolle wie oft vermutet.“Nach einer Auswertung des Verbands aus dem Jahr 2017 werden im Mode- und Accessoire-Bereich weniger OnlineUmsä­tze nach vorheriger OfflineInf­ormation getätigt als umgekehrt. Das heißt, die meisten Kunden informiere­n sich laut HDE zunächst im Internet, bevor sie im Ladengesch­äft einkaufen.

Gegen Kunden, die absichtlic­h Ware zurückschi­cken, können Händler wenig unternehme­n. Die Lehrstuhl-Mitarbeite­r empfehlen, einen Bonus für Online-Kunden zu gewähren, die keine oder wenig Ware zurücksend­en. Helfen würde ebenfalls, Rücksendek­osten vom Kunden tragen zu lassen oder ihn gar auszuschli­eßen, sollten die Retouren überhandne­hmen.

 ?? Foto: Franziska Gabbert, dpa ?? Nur mal kurz umschauen, ohne etwas zu kaufen: Laut einer aktuellen Studie der Uni Augsburg betreibt knapp ein Drittel aller deutschen Verbrauche­r mindestens einmal im Jahr sogenannte­s geplantes Showroomin­g.
Foto: Franziska Gabbert, dpa Nur mal kurz umschauen, ohne etwas zu kaufen: Laut einer aktuellen Studie der Uni Augsburg betreibt knapp ein Drittel aller deutschen Verbrauche­r mindestens einmal im Jahr sogenannte­s geplantes Showroomin­g.

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