Koenigsbrunner Zeitung

Tänze der Heimat in der Neuen Welt

Wunsch des Publikums spielen die Philharmon­iker Bekanntes von Glinka, Chopin und Dvorák. Domonkos Héja und sein Orchester zeigen: Live ist spannender als Konserve

- VON MANFRED ENGELHARDT

Es hätte ein Programm der Wiener Klassik mit deutscher Romantik sein können (Mozart, Schumann), oder eine italienisc­he Begegnung mit Beethovens Wucht (Rossini, Ludwig van B.s „Siebte“), oder sogar ein reiner Mozart-Abend (Figaro, Klavierkon­zert, Jupiter), und was mathematis­ch noch alles möglich gewesen wäre, Rossini, Mozart, Glinka, Smetana, Chopin, Paderewski, Grieg, Beethoven, Dvorˇák und Schumann zu kombiniere­n. Das Wunschkonz­ert der Philharmon­iker aber, bei dem je vier Werke aus Ouvertüre, Klavierkon­zert und Sinfonie zur Auswahl standen, ging in eine spezielle Richtung, in die Welt der slawischen Klänge. Deren Vielfalt demonstrie­rten Domonkos Héja und sein Orchester im vollen Kongress am Park.

Michail Glinka (1804–1857), Frédéric Chopin (1810–1849) und Antonín Dvorˇák (1841–1904) gehörten dem Zeitalter der Romantik an, doch Leidenscha­ft und Liebe, stürmische Rhythmen und Tänze, Hymnen und Kolorit ergaben ein abwechslun­gsreich pulsierend­es Panorama.

Mit einem Feuerwerk blitzender Gesten wurde eröffnet. Glinkas Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmilla“komprimier­t das Puschkin-Märchen mit Farben und Kontrasten. Die Geschichte von Ludmilla, Tochter eines Großfürste­n, die den Ritter Ruslan auserwählt hat, die von bösen Mächten entführt und durch gütigen Zauber wieder mit ihm vereint wird, schildert Glinka mit stürmisch jagenden Passagen, verzahnten Motivsplit­tern und Tanzanmutu­ngen. Héjas Ensemble präsentier­te sich hier bereits mit imponieren­der Orchesterv­irtuosität.

Der polnische Tastenmagi­er Chopin entführt in einen anderen Kosmos. Sein Klavierkon­zert f-Moll speist sich ebenfalls aus volksmusik­alischen Quellen, findet aber in anderen künstleris­chen Bereichen statt. Die Balance zu finden, ist eine lustvolle wie heikle Herausford­erung. Und Janina Fialkowska scheint Chopins Musik auf den Leib geschriebe­n. Sie realisiert ihren Zugriff auf Chopin mit einem Ebenmaß an analytisch klarer Durchsicht und bewegter Emotion. Wie sie die melancholi­sch mäandernde Einleitung des Orchesters organisch fließend übernimmt, die sanften Bewegungen der kurzen Auftaktfig­ur aber ohne angestreng­te solistisch­e Attitüde in Nuancen anders einfärbt, die stürmische­n Aufschwüng­e vorbereite­t, steht beispielha­ft für ihr Chopinspie­l. Die Trillerpak­ete, die rasanten Laufkaskad­en verlieren sich in den schnellen Sätzen nicht in bloßer Kraftdemon­stration, sondern sind mit perfekten Forte-pianoWechs­eln geschmeidi­g austariert. Das Larghetto hat poetischen Atem, doch diese Momente muten nicht wie süßliche Albumblätt­chen an, sondern lassen die Farben einfach glühen. Die präzise Virtuositä­t, die die von schweren Krankheite­n heimgesuch­te Künstlerin entfaltet, riss das Publikum hin.

Was kann eigentlich mit Dvorˇáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“schiefgehe­n bei einem der populärste­n Konzerthit­s der Musikgesch­ichte? Eine sicher unzulässig­e Frage, aber sie entfleucht halt immer wieder vor der Erwartung. Doch da gibt es ja vor allem die Konkurrenz zu einer Phalanx der Einspielun­gen durch die Pult- und Orchesters­tars, der Crème de la Crème durch Jahrzehnte. Was aber Domonkos Héja und die Augsburger Philharmon­iker an Verve, delikaten Farbwechse­ln, bezwingend phrasierte­n Bewegungsv­erläufen boten, muss nicht so relativier­t werden: Live ist spannender als Konserve. Der sehnsuchts­voll ausgebreit­eten Eingangspe­riode, in der Amerika-Besucher Dvorˇák noch Heimatgefü­hle assoziiert, lässt Héja das scharf geschnitte­ne Allegro folgen. Die rhythmisch­e Komplexitä­t, der Rausch der Synkopen, auch die exotischen Harmonien lassen dann die amerikanis­chindianis­chen musikalisc­hen Ingredienz­ien spüren, die auch mit blitzender Pauke und der rasanten Orchesterm­otorik das Scherzo bestimmen. Wie Dvorˇák diese fremde Welt im Finale wieder in die Tänze und Melodien der böhmischen Heimat überführt, wurde von den Philharmon­ikern, ihren glänzenden Bläsern (unter anderem Flöte, Englischho­rn, Hörner) und dem klangvoll modelliere­nden Streichapp­arat hinreißend realisiert.

 ?? Foto: Don Emmert, afp ?? Inspiriert von einem dreijährig­en Aufenthalt in Amerika ist Antonín Dvorˇáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“eines der populärste­n Konzertstü­cke der Musikgesch­ichte. Die Augsburger Philharmon­iker spielten dieses Werk beim „Wunschkonz­ert“.
Foto: Don Emmert, afp Inspiriert von einem dreijährig­en Aufenthalt in Amerika ist Antonín Dvorˇáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“eines der populärste­n Konzertstü­cke der Musikgesch­ichte. Die Augsburger Philharmon­iker spielten dieses Werk beim „Wunschkonz­ert“.

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