Koenigsbrunner Zeitung

Schwäne, so wild und gefährlich wie in der Natur

Ricardo Fernandos „Schwanense­e“war in der letzten Spielzeit die erfolgreic­hste Produktion. Jetzt gibt es dreimal die Gelegenhei­t, das Ballett wieder zu sehen. Hat sich etwas verändert?

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Herr Fernando, „Schwanense­e“war in der letzten Spielzeit die erfolgreic­hste Produktion des Theaters … Ricardo Fernando: Ja, wir hatten 18 ausverkauf­te Vorstellun­gen und haben mit der Produktion bei den Theaterpre­isen sogar doppelt abgeräumt: einmal mit dem Publikumsp­reis für „Schwanense­e“und dann mit dem Preis für Jiwon Kim Doede, die die Hauptrolle des weißen Schwans Odette getanzt hat. Es hat mich natürlich sehr gefreut, dass gleich meine erste Choreograf­ie für Augsburg so erfolgreic­h war, das war mehr, als ich mir erträumt hatte.

Gibt es Veränderun­gen gegenüber den Vorstellun­gen der letzten Spielzeit? Fernando: Nein, Gott sei Dank sind alle Solisten noch in der Compagnie, nur in der Gruppe gibt es einige Neubesetzu­ngen, die wir jetzt speziell einstudier­en müssen. Sonst wäre die Wiederaufn­ahme ein zu großer Aufwand gewesen, weil wir ja viele Projekte gleichzeit­ig haben.

Warum war „Schwanense­e“so erfolgreic­h?

Fernando: Erst einmal war die Aufführung kompakt – „Schwanense­e“in zwei Stunden, das ist, glaube ich, die kürzeste Aufführung, die es gibt. Es gibt keinen Leerlauf, es ist sehr knackig, auch dadurch, dass wir keine Pantomime haben, wie es im klassische­n Ballett der Fall ist. Wir erzählen durch die Bewegung und den Körperausd­ruck, nicht durch Gesten. Heutzutage gibt es im Tanz eine andere Dynamik. Das ist nicht nur etwas, das das Publikum verstanden hat, auch die Tänzer fanden es gut – und es war gut für sie.

Wie meinen Sie das?

Fernando: Meistens gibt es im Ballett die 20- bis 30-minütigen Choreograf­ien in Dreier- oder Viereraben­den. Viele Tänzer erleben es heute gar nicht mehr, ein klassische­s Ballett über zwei Stunden aufzuführe­n, durch das sie eine Rolle tragen und sie ausfüllen müssen.

Besonders sind aber auch die Schwäne, die nicht die übliche zart-ätherische Anmutung haben, sondern wild und gefährlich sind.

Fernando: Ja, das war ein Wagnis, die Schwäne so zu zeigen und auch mit Männern zu besetzen. Aber für mich war das selbstvers­tändlich, denn ich habe darüber nachgedach­t, wie der Schwan in der Natur ist – eben groß und wild. Das habe ich auf die Choreograf­ie übertragen, in extrem große Bewegungen der Arme etwa.

Ein Clou ist das Ende. In der Inszenieru­ngsgeschic­hte von „Schwanense­e“gibt es mehrere Möglichkei­ten. Sie haben das Publikum in der Pause entscheide­n lassen, ob es ein Happy End für Siegfried und Odette gibt oder ein tödliches Ende. Wird das beibehalte­n? Fernando: Natürlich. Das war ein regelrecht­er Kampf im Publikum, ich bin oft in der Pause ins Foyer gegangen, um es zu beobachten. Am Ende stand es unentschie­den 9:9 zwischen dem guten und bösen Ende.

Sie haben es vorhin schon angesproch­en: Die Compagnie ist viel beschäftig­t. Da gibt es den Ballettabe­nd „Vier Jahreszeit­en“, jetzt die Wiederaufn­ahme. Außerdem laufen ja schon die Vorbereitu­ngen für die zweite Premiere „Missing Link“. Und zwischenre­in kommt noch die Gala im Januar. Wie schaffen die Tänzer diese enorme Belastung?

Fernando: Es ist gefährlich, wenn die Tänzer so viel im Kopf haben müssen, denn dann passieren Unfälle. Deshalb müssen wir im Training und in den Proben genau darauf achten, wann es genug ist. Wir haben jetzt auch endlich eine Physiother­apeutin gefunden, die die Tänzer regelmäßig mit Massagen behandelt. Wunderbar, wie bei den Fußballman­nschaften! Nur die Eistonnen fehlen uns noch. Aber wir hoffen wirklich, dass wir nun, da wir Staatsthea­ter sind, auch eine Aufstockun­g der Compagnie bekommen, denn wir sind an der Grenze der Belastung.

Könnten Sie sich nicht mit Gästen behelfen?

Fernando: Das könnten wir natürlich. Aber wir stellen uns doch nicht selbst in die zweite Reihe, indem wir uns für die Solopartie­n andere Tänzer holen.

Interview: Birgit Müller-Bardorff

OSchwanens­ee am 21., 25. und 30. Dezember im Martinipar­k

 ?? Foto: Jan-Pieter Fuhr ?? Für Ballerinen sind die Schwäne Paraderoll­en, in Augsburg gibt es auch Männer im Schwanenro­ck zu sehen.
Foto: Jan-Pieter Fuhr Für Ballerinen sind die Schwäne Paraderoll­en, in Augsburg gibt es auch Männer im Schwanenro­ck zu sehen.

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