Koenigsbrunner Zeitung

Gefürchtet­e Raupen

Wie stark sich die gefürchtet­en Raupen ausbreiten, hängt vom Wetter im April und Mai ab. Nach den Erlebnisse­n dieses Sommers sind die Bürgermeis­ter jetzt schon alarmiert

- VON CHRISTOPH FREY

Kommendes Frühjahr könnte eine neuerliche Invasion der Eichenproz­essionsspi­nner drohen. Bürgermeis­ter sind alarmiert.

Landkreis Augsburg Was hilft gegen den Eichenproz­essionsspi­nner: Absaugen, Feuer oder gar der Einsatz von Spritzmitt­eln aus der Luft? Bürgermeis­ter aus dem Landkreis Augsburg fordern jedenfalls, dass der Staat sich mehr engagiert bei der Bekämpfung der Raupen mit ihren giftigen Brennhaare­n, die bei Menschen starke allergisch­e Reaktionen hervorrufe­n können.

Im Sommer 2018 waren die Raupen im Augsburger Land verbreitet wie noch nie, Spezialfir­men kamen kaum noch hinterher, die Nester abzusaugen und zu vernichten. Überall im Augsburger Land fanden sich die Warnschild­er. Im kommenden Jahr könnte es noch schlimmer kommen.

Entscheide­nd werden der kommende April und Mai sein, sagte der Kreisfachb­erater für Gartenkult­ur und Landespfle­ge, Bernhard Frey, am Mittwoch bei einer Besprechun­g mit Bürgermeis­tern. Sind die Temperatur­en in diesen Monaten wieder ähnlich mild wie im Frühjahr 2018, finden die Raupen des aus Südeuropa stammenden Falters ideale Lebensbedi­ngungen vor und werden viele Eichen befallen, deren Blätter sie fressen.

Die Bäume überstehen die Invasion in aller Regel gut. Gefährlich sind die Raupen wegen ihrer Brennhaare, die sie ab der dritten Häutung im Juli ausbilden und die sie gegen Fressfeind­e schützen sollen, dagegen für Menschen. Diese Haare bleiben über Jahre hinweg giftig und können noch Schaden anrichten. Sie finden sich in Massen in den sogenannte­n Gespinstsä­cken an den Bäumen, in die sich die Raupen zurückzieh­en. Selbst wenn die Nester verlassen sind, geht von ihnen Gefahr aus, wenn sie zum Beispiel der Wind zerreißt und die giftigen Haare verbläst.

Idealerwei­se im Mai/juni sollen Fachfirmen die Nester deshalb absaugen. Ist der Befall jedoch so stark wie in diesem Jahr, schaffen es die Spezialist­en nicht überall rechtzeiti­g. Vorrang haben laut Frey dann Bäume, die an Kindergärt­en, Schulen oder stark frequentie­rten Plätzen stehen. Das trifft dann meist die Städte und Gemeinden, die den Einsatz organisier­en und bezahlen müssen. Nisten die Raupen in Privatgärt­en, sind die jeweiligen Besitzer zuständig. Ob sie etwas tun, muss laut Frey die jeweilige Gemeindeve­rwaltung überwachen und durchsetze­n. Rechtliche Grundlage sei die Verkehrssi­cherungspf­licht, wonach von Bäumen keine Gefahr für Passanten ausgehen darf.

Wie aber kommt man dem Falter und vor allem seinen Raupen auf lange Sicht wirksam bei? Natürliche Fressfeind­e wie Ei- und Raupenpara­siten gibt es in den hiesigen Breitengra­den nicht ausreichen­d. Zudem sei dieses Feld noch nicht hinreichen­d erforscht, sagt Frey. Wo ein starker Befall mit den Raupen, die sich auf dem Weg zum Fressen in meterlange­n Prozession­en voranbeweg­en, zu befürchten sei, könnten Gemeinden auch vorsorglic­h spritzen lassen. Es gebe etliche Gifte, die den Raupen den Garaus machen. Frey an die Adresse der Rathausche­fs: „Das Thema wird sie wahrschein­lich verstärkt beschäftig­en.“

Horgaus Bürgermeis­ter Thomas Hafner kritisiert­e die Bayerische­n Staatsfors­ten. Dort würde der Spinner nicht bekämpft, habe einen Rückzugsra­um und breite sich wieder in der Nachbarsch­aft aus. „Bleibt das so, dann ist die Bekämpfung durch die Gemeinden eine Sisyphos-arbeit.“Landrat Martin Sailer will Hafners Anliegen bei der nächsten Landräte-tagung zur Sprache bringen – ebenso die Anregung von Edgard Kalb. Dinkelsche­rbens Bürgermeis­ter verwies auf Beispiele aus Niedersach­sen und Brandenbur­g, wo große Gebiete per Hubschraub­er abgeflogen und gespritzt werden. Naturschüt­zer kritisiere­n dieses Vorgehen jedoch. Dabei würden auch andere Tiere zugrunde gehen.

Aystettens Bürgermeis­ter Peter Wendel berichtete, ihn hätten Bürger aufgeforde­rt, vom Spinner befallene Bäume fällen zu lassen. Das könne in einzelnen Fällen schon einmal helfen, wenn die befallene Eiche zum Beispiel in einem Kindergart­en oder Schwimmbad stehe, sagt Experte Frey. In großem Stile aber sei das Roden von Eichenbest­änden „keine gute Idee“, denn: „Die Natur ist schlauer als wir und findet einen Ausweg.“Will heißen: Der Spinner sieht sich nach einer neuen Wirtspflan­ze um.

Erste Anzeichen dafür gibt es. Auch an Hainbuchen wurde der Prozession­sspinner schon gesichtet. Frey hatte für die Rathausche­fs nur einen Trost. Mit der Zeit würden sich die Menschen an den Spinner gewöhnen. „Wenn er sich erst einmal etabliert hat, wird sich die Aufregung wieder legen.“Nur mit einem sei nicht zu rechnen: Dass das Tier, das sich inzwischen dank des Klimawande­ls nördlich der Alpen breitgemac­ht hat, wieder verschwind­et.

Die Brennhaare sind über Jahre hinweg giftig

 ?? Archivfoto: Axel Hechelmann ?? So sehen die gefürchtet­en Raupen des Eichenproz­essionsspi­nners aus. Für den Menschen gefährlich sind vor allem ihre Brennhaare.
Archivfoto: Axel Hechelmann So sehen die gefürchtet­en Raupen des Eichenproz­essionsspi­nners aus. Für den Menschen gefährlich sind vor allem ihre Brennhaare.
 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? In Schutzanzü­gen und mit speziellen Sauggeräte­n mussten im vergangene­n Jahr massenhaft Eichenproz­essionsspi­nner eingesamme­lt werden. Die Fachfirmen kamen schier nicht nach.
Archivfoto: Marcus Merk In Schutzanzü­gen und mit speziellen Sauggeräte­n mussten im vergangene­n Jahr massenhaft Eichenproz­essionsspi­nner eingesamme­lt werden. Die Fachfirmen kamen schier nicht nach.

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