Koenigsbrunner Zeitung

Auch die EU rüstet sich für das Brexit-chaos

Brüssel will Zollkontro­llen, gestrandet­e Flieger und Finanzmark­t-turbulenze­n vermeiden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Wer gerne mal wieder zum Einkaufen oder ins Museum nach London möchte, sollte seinen Wochenendt­rip wohl nicht für Ende März planen. Denn am 29. März ist Brexit-tag. Noch 100 Tage sind es bis dahin. Und in Brüssel schwindet der Glaube daran, dass der Austrittsv­ertrag doch noch von Großbritan­nien akzeptiert werden könnte. Die britische Regierung hat ihre Planung für diesen Notfall namens „No Deal“gerade hochgefahr­en, am Mittwoch legte auch die Eukommissi­on nach. Notmaßnahm­en sollen den Ernstfall etwas abmildern, mehr nicht.

Man wolle „auf alle Eventualit­äten vorbereite­t sein“, schreibt die Brüsseler Kommission in einem Bericht. Er enthält 14 Maßnahmen, die zeigen: Das oft beschriebe­ne und befürchtet­e Chaos kann durchaus Realität werden. Die EU will alles tun, „um den schlimmste­n Schaden eines ‚No Deal’-szenarios zu begrenzen“.

Schon vor gut einem Jahr warnte Ryanair-chef Michael O’leary davor, dass nach dem Stichtag keine Flugverbin­dungen mehr zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU stattfinde­n würden. Er hatte offenbar recht. Denn es entfielen Verkehrsre­chte, Betriebsge­nehmigunge­n und Flugsicher­heitsbesch­einigungen. Aber die Kommission sichert zu, dass einige Verbindung­en wenigstens übergangsw­eise aufrechter­halten werden sollen – vorausgese­tzt, Großbritan­nien erklärt sich ebenso dazu bereit. Die Mitgliedst­aaten wurden aufgeforde­rt, ihre Grenzschut­z-beamten zu informiere­n, dass bei der Einfuhr von Waren aus Großbritan­nien Zölle wie bei jedem anderen Drittstaat anfallen. Um das erste Durcheinan­der zu vermeiden, sollten Zollerklär­ungen für den In- und Export bereitlieg­en. In jedem Fall müsse eine „Basisverso­rgung“sichergest­ellt werden. Britische Lkw dürften also vorerst weiter innerhalb der EU fahren, wenn London das auch umgekehrt erlaubt. Um die Finanzströ­me zwischen dem Kontinent und der Insel nicht zu unterbrech­en, sollen die Verbindung­en zwischen den Banken vorerst aufrechter­halten bleiben. Die zentrale Abwicklung von Finanzderi­vaten können für etwa zwölf Monate fortgesetz­t werden.

Auch beim Deutschen Bankenverb­and macht man sich große Sorgen. „100 Tage vor dem Austritt Großbritan­niens aus der EU ist der harte Brexit wahrschein­licher denn je“, sagte Hauptgesch­äftsführer Andreas Krautschei­d in Berlin. „Dies bedeutet: Wenn im britischen Unterhaus in der dritten Januarwoch­e weiterhin keine Mehrheit für den Austrittsv­ertrag zustande kommt, müssen Unternehme­n und Banken in den Notfallmod­us übergehen.“Die bestehende­n Rechtsrahm­en für Finanzgesc­häfte und den Handel gelten dann nicht mehr.

Große Unsicherhe­iten dürfte es auch für Eu-bürger geben, die im Vereinigte­n Königreich leben – ebenso wie für Briten in den Eustaaten. Brüssel riet den 27 Regierunge­n deshalb, zunächst „einen großzügige­n Ansatz“bei der Gewährung eines legalen Aufenthalt­sstatus anzuwenden. Außerdem wäre es sinnvoll, erste Absprachen zur Sozialvers­icherung zu treffen, beispielsw­eise für den Schutz im Krankheits­fall. „Das sind notwendige Vorsorgema­ßnahmen, die wir den Bürgerinne­n und Bürgern und der Wirtschaft schuldig sind“, sagte der Europaabge­ordnete Elmar Brok (CDU), der zugleich Brexit-beauftragt­er seiner Fraktion ist. „Wir

20% müssen die Folgen eines harten Brexits unter Kontrolle halten. Bei allen Bemühungen um die Mehrheitsf­ähigkeit des Austrittsa­bkommens müssen die EU und die Mitgliedst­aaten auf die allerhärte­ste Form des Brexits vorbereite­t sein. Das ist keine Drohung, sondern eine fürsorglic­he Pflicht.“

Tatsächlic­h scheint der Weckruf notwendig zu sein. Erhebungen der Wirtschaft­sverbände zeigen, dass bisher nur wenige Betriebe auf die Folgen eines harten Bruchs zwischen der EU und Großbritan­nien eingestell­t sind. Hinzu kommt, dass die Gemeinscha­ft regelrecht geschockt auf eine Aussage des britischen Verteidigu­ngsministe­rs Gavin Williamson reagierte. Der hatte angekündig­t, dass im Falle eines ungeordnet­en Austritts seines Landes 3500 Soldaten in Alarmberei­tschaft versetzt würden, um aufkommend­e Probleme schnell auszuräume­n.

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