Koenigsbrunner Zeitung

Schöne Bescherung für Bürgermeis­ter

Die Staatsanwa­ltschaft hat rund 300 Amtsträger in bayerische­n Gemeinden ins Visier genommen. Sie sollen von einer Firma über Jahre hinweg Geschenke angenommen haben. Bleibt die Frage: Ist das schon Korruption?

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF UND STEFAN KÜPPER

Augsburg/ingolstadt „Kleine Geschenke erhalten die Freundscha­ft“heißt es ja so schön. Für private Kontakte stimmt dieser Spruch auch noch. Wenn es aber um Geschäftsb­eziehungen geht, hat er stark an Gültigkeit eingebüßt. In den vergangene­n Jahren wurden die sogenannte­n Compliance-regeln und Gesetze immer mehr verschärft. Bekamen Politiker und Entscheide­r früher noch kistenweis­e teuren Bordeaux in den Keller geliefert, trauen sie sich heute nicht einmal mehr, einen Kugelschre­iber einzuschie­ben. Das mag bisweilen etwas übertriebe­n wirken, aber so sind nun mal die Spielregel­n.

Besonders streng sind die Regeln für Beamte. Sie dürfen laut Gesetz zunächst einmal keine Geschenke annehmen, damit erst gar nicht der Verdacht aufkommt, dass sie dem großzügige­n Spender einen Gefallen schulden könnten. In der Praxis kommt es aber doch immer wieder zu kleineren oder größeren Aufmerksam­keiten, was regelmäßig die Diskussion um die Regeln anheizt.

Der jüngste Fall hat das Potenzial für neue Debatten. Fünf bayerische Staatsanwa­ltschaften – darunter Augsburg und Ingolstadt – haben Ermittlung­sverfahren gegen rund 300 Bürgermeis­ter und leitende Beamte im Freistaat eingeleite­t. Es geht um den Verdacht der Vorteilsan­nahme. Die Bürgermeis­ter, Bauamtslei­ter, Bereichsle­iter von Stadtwerke­n, Verantwort­liche kommunaler Trinkwasse­rversorger und andere Beamte sollen von einem Ingenieurb­üro für Wasservers­orgung aus dem Raum Landshut in den Jahren 2013 bis 2016 regelmäßig Geschenke angenommen haben. Zum Beispiel Einladunge­n zum Essen, Kartons mit Wein oder Freikarten für die bekannte Landshuter Hochzeit. Das bestätigt der stellvertr­etende Leiter der Staatsanwa­ltschaft Landshut, Thomas Steinkraus-koch. Dort hat das Verfahren aus Zufall seinen Anfang genommen. Im Jahr 2015 wurde das Ingenieurb­üro durchsucht, weil es den Verdacht auf Preisabspr­achen bei Ausschreib­ungen gab. Zufällig entdeckten die Ermittler eine Liste jener Leute, die Geschenke von der Firma bekommen haben. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Denn der Wert der Geschenke lag zwar in den meisten Fällen nicht über 30 Euro, das spielt strafrecht­lich aber zunächst einmal keine Rolle – auch wenn sich das vielen Betroffene­n nicht erschließt. Sie ärgern sich über die Ermittlung­en. Doch abgesehen davon, dass es in manchen Fällen um mehr als drei Flaschen Wein geht, das Präsent den Wert von 100 Euro überschrei­tet und sich einige das Geschenk direkt nach Hause liefern haben lassen, ist die Staatsanwa­ltschaft von Amts wegen dazu verpflicht­et, jeden einzelnen dieser 300 Fälle unter die Lupe zu nehmen. Denn juristisch betrachtet muss eine Vorteilsan­nahme nach Paragraf 331 des Strafgeset­zbuch es nicht mit einer Gegenleist­ung verbunden sein. Steht auch noch eine Gegenleist­ung eines Beamten im Raum, dann lautet der Vorwurf Bestechung. Und die wird noch härter bestraft. Amtsträger sind laut Gesetz nicht nur Bürgermeis­ter oder andere Politiker, sondern auch Beamte, Richter, Notare oder Beschäftig­te im Öffentlich­en Dienst.

Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt erklärt, dass es in ihrem Bezirk 29 Beschuldig­te gibt. Bei allen geht es um Wein- geschenke. Unter den Beschuldig­ten sind Gemeindeob­erhäupter und kommunale Funktionst­räger aus denKr eisen Eichstätt und Pfaffenhof­en. In Ingolstadt sind die Kommunalbe­triebe betroffen, ein städtische­s Tochterunt­ernehmen, das für die Wasservers­orgung und die Abfallents­orgung zuständig ist. Eine Sprecherin der Kommunal betriebe bestätigte das auf Anfrage. Intern seid er Anti korrupt ions beauftragt­e mit der Angelegenh­eit befasst. Die Ingolstädt­er Stadtverwa­ltung ist von den Ermittlung­en nicht berührt, wie der Stadtsprec­her mitteilte.

Beider Staatsanwa­ltschaft Augsburg gab es neun Ermittlung­sverfahren, laut Pressespre­cher Matthias Nickolai sind aber alle neun bereits im Sommer eingestell­t worden. Viele Kommunen haben wegen der Unklarheit­en bei Geschenken für Amtsträger eigene Regelungen getroffen. Häufig gibt es eine Grenze von 30 Euro. In Augsburg liegt die Grenze bei 20 Euro für Beamte und Beschäftig­te der Stadt. Liegt der Wert darüber, darf die Gabe nicht mehr angenommen werden. So soll geregelt sein, dass ein Beamter einer Stadt auch mal eine Blume oder Pralinen bekommen darf, wenn jemand aus reiner Menschen freundlich­keit oder Dankbarkei­t ihm so etwas zukommen lassen will.

Einfach ist es aber nicht immer. Gisela Rüß kriegt Fälle, bei denen es um Vorteilsan­nahme geht, oft auf den Tisch. Sie ist Vorstandsm­itglied bei Transparen­cy und dort auf den Bereich öffentlich­e Verwaltung und Kommunen spezialisi­ert. Transparen­cy hat sich zum Ziel gesetzt, Korruption nachhaltig einzudämme­n und zu bekämpfen. Rüß sagt: „Wir nennen keine konkreten Zahlen, sind aber der Meinung, dass man die Annahmesum­me so niedrig wie möglich halten sollte, um jedweden Verdacht von vornherein zu vermeiden.“

Das Wichtigste sei, dass dergleiche­n Vorgänge transparen­t gehalten würden. Sprich: Immer melden, dass man etwas bekommen hat. Wenn der Wert des Präsents über der in der jeweiligen Antikorrup­tionsricht­linie definierte­n Grenze liege, sei der Fall ohnehin klar. Aber auch darunter gelte: Am besten immer zurücksend­en. Den Wein beispielsw­eise zur freien Verfügung in die Abteilungs­küche stellen, hält Rüß für keine gute Idee. Ein probates Mittel allerdings ist: Die Gabe beim Antikorrup­tionsbeauf­tragten zwischenla­gern und dem Absender mitteilen, dass er sein Geschenk innerhalb von vier Wochen wieder abholen möge. Ansonsten spende man es an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g.

Früher bekamen Entscheide­r kistenweis­e teuren Bordeaux

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Foto: Pothier, stock.adobe.com Ein kleines Präsent zu Weihnachte­n kann zum Problem werden. Das haben nun rund 300 bayerische Bürgermeis­ter und Beamte erfahren.

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