Koenigsbrunner Zeitung

Wenn ein Prinz aus Kamerun Kunst zurückford­ert

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat eine Debatte über Kolonialku­nst ausgelöst und will Objekte zurückgebe­n. Das Museum Fünf Kontinente in München ist bereit für die Diskussion und hat selbst einen Restitutio­nsfall

- Interview: Christa Sigg

Frau Werlich, Frau Thode-arora, Frankreich­s Präsident ist von den Wissenscha­ftlern Savoy und Sarr empfohlen worden, Kolonialku­nst wieder zurück an die afrikanisc­hen Staaten zu geben. Welche Auswirkung­en hat die Empfehlung auf die ethnologis­chen Museen in Deutschlan­d?

Uta Werlich: Für uns ändert sich zunächst nichts, jetzt ist die Politik in der Pflicht. Vor allem müssen sich die Länder einig werden, wie sie mit dem Kulturgut aus der Kolonialze­it umgehen wollen.

In Frankreich wird zentral in Paris entschiede­n, in Deutschlan­d ist Kultur Sache der Länder.

Werlich: Das macht die Sache so komplizier­t. Anfragen wie nach den derzeit überall abgebildet­en Beninbronz­en würden in München, Hamburg oder Berlin wohl immer separat geprüft und verhandelt werden.

Hinter solchen Vorgaben kann man sich aber auch verschanze­n.

Werlich: Wir sind in dieser Entscheidu­ng nicht frei, das muss man wirklich deutlich so sagen. Wenn die Rückgabe eines bestimmten Objekts angefragt wird, können wir in Gespräche eintreten, die wissenscha­ftliche Vorarbeit leisten, Handlungse­mpfehlunge­n ausspreche­n und den Weg ebnen. Aber die letztendli­che Entscheidu­ng liegt nicht bei uns, das wissen viele nicht.

Wer entscheide­t im konkreten Fall?

Werlich: Die übergeordn­ete Behörde. In unserem Fall ist dies das Bayerische Staatsmini­sterium für Wissenscha­ft und Kunst.

Aber am Museum Fünf Kontinente gibt es doch sicher Leitlinien?

Werlich: Dieses Haus ist ein offenes Haus, und wir sind in jedem Fall gesprächsb­ereit. Grundsätzl­ich orientiere­n wir uns am Leitfaden des Deutschen Museumsbun­ds zum Umgang mit Sammlungsg­ut aus kolonialen Kontexten.

Hilke Thode-arora: Ich bin Mitautorin dieses Leitfadens, der von Juristen, Historiker­n, Naturkundl­ern, Kunstgesch­ichtlern, Archäologe­n und eben auch Ethnologen erarbeitet wurde. Man vergisst ja, dass wir in sehr vielen Museen Objekte aus kolonialen Kontexten finden. Selbst in einem Technikmus­eum wie dem Deutschen Museum gibt es vermutlich Sammlungsg­ut, das der kolonialen Erschließu­ng Afrikas gedient hat, etwa eine Lokomotive, die in einem kolonialen Kontext steht. Hier muss man genauer hinsehen, da gibt es Forschungs­bedarf.

Das heißt, Sie forschen auch ohne Anfrage quasi proaktiv?

Werlich: Alle Kuratoren am Haus waren längere Zeit im Feld und haben ihre stabilen Netzwerke in den Herkunftsl­ändern. Schon viele Jahre vor der Debatte um koloniale Raubkunst hat man sich hier intensiv mit der Sammlungsg­eschichte befasst. Jeder kennt seine schwarzen Schafe.

Sollte man diese problemati­schen Objekte nicht einfach zurückgebe­n, wie Savoy und Sarr es fordern?

Werlich: Es stellt sich doch die Frage, will man es zurückhabe­n? Thode-arora: Und wem will man es zurückgebe­n? Savoy und Sarr schlagen vor, die Objekte den Nationalst­aaten zurückzufü­hren. Das ist auf einer binational­en und auf einer juristisch­en Ebene das Einfachste. Aber nehmen wir nur das Beispiel Tibet und China. Wäre es wirklich eine ethische Lösung, Objekte aus Tibet dem chinesisch­en Staat zu übergeben? Und das ist ja nicht die einzige heikle Konstellat­ion.

Der Wunsch nach Restitutio­n ist also nicht selbstvers­tändlich?

Thode-arora: Aber nein. In meinem Forschungs­bereich Ozeanien ist eine Wiedergutm­achung kolonialen Unrechts oft mit anderen Wünschen verbunden. Zum Beispiel, dass man den Bau von klimasiche­ren Museen unterstütz­t, die einem Wirbelstur­m standhalte­n. Oder dass junge Wissenscha­ftler hier eine Ausbildung erhalten. Auch in unserer Samoaausst­ellung vor vier Jahren ging es um die Wiedergutm­achung von Unrecht. Auf der Seite Samoas gab es den Wunsch, Wirtschaft­sbeziehung­en nach Bayern aufzubauen. Das haben wir versucht zu initiieren.

Trotzdem scheinen sich viele auf die Restitutio­n fixiert zu haben.

Werlich: Wir diskutiere­n dieses Thema auch primär mit Blick auf Afrika. Andere Stimmen werden so gut wie nicht gehört. Bei dem kürzlich in Berlin stattgefun­denen internatio­nalen Symposium „Vertagtes Erbe“waren erstmals chinesisch­e Gäste dabei. Für sie stand das Thema Restitutio­n nicht im Vordergrun­d, sondern vielmehr der Wunsch nach gemeinsame­r Forschung, Kooperatio­n, Partnersch­aft für den Erhalt des Kulturgute­s und dass es zugänglich ist. Thode-arora: Ähnliches höre ich auch aus dem Pazifik. Man wird ja auch den Verdacht nicht los, dass es im Prinzip wieder um uns geht: Wir wollen unser Gewissen reinigen.

Eine Art Ablass von den kolonialen Sünden?

Thode-arora: Das könnte man sagen, wir wären die Bürde der belasteten Objekte los. Aber so einfach ist es nicht.

Woher kommen die meisten Restitutio­nsforderun­gen?

Werlich: Neben dem Schiffssch­nabel aus Kamerun gibt es an unser Haus derzeit keine weiteren Rückgabefo­rderungen. Das mag daran liegen, dass unsere Sammlungen noch nicht online recherchie­rbar sind. Aber auch die Kollegen aus anderen Häusern berichten, dass es nicht zu einer Flut an Rückgabefo­rderungen gekommen ist.

Was ist nun mit dem Schiffssch­nabel aus Kamerun?

Werlich: Für den interessie­rt sich vor allem Prinz Kum’a Ndumbe III. 2016 wurde in einem ersten Gespräch vonseiten des Hauses die Bitte formuliert, der Prinz möge belegen, dass er berechtigt sei, diesen Schiffssch­nabel entgegenzu­nehmen. Seither ist Funkstille. Thode-arora: Bei vielen Rückgabewü­nschen treten mehrere Parteien auf. Natürlich ist es für die Museen schwierig herauszufi­nden, mit wem man spricht – idealerwei­se immer mit allen Beteiligte­n – und an wen man die Objekte zurückgebe­n sollte.

In die Debatte haben sich Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters und Michelle Münteferin­g, Staatsmini­sterin für Internatio­nale Kulturpoli­tik im Auswärtige­n Amt, eingebrach­t. Sie fordern von Museen Transparen­z und Offenheit bei der Rückgabe von Kulturgüte­rn aus kolonialen Kontexten.

Thode-arora: Wir finden es wunderbar, dass die Politik nun so deutlich wird und sich Grütters und Münteferin­g außerdem für eine umfassende Aufarbeitu­ng der kolonialen Vergangenh­eit einsetzen. Wobei wir viele der angesproch­enen Punkte schon seit geraumer Zeit gerade in den ethnologis­chen Museen fordern – ohne dass uns dazu die personelle­n und finanziell­en Mittel zur Verfügung stehen. Das dürfte sich nun ändern.

 ?? Foto: Museum Fünf Kontinente ?? Dieser Schiffssch­nabel kam während der Kolonialze­it 1884 als Kriegsbeut­e von Kamerun nach Deutschlan­d. Heute gehört er zum Bestand des Museums Fünf Kontinente. Ein Prinz aus Kamerun fordert das Objekt zurück.
Foto: Museum Fünf Kontinente Dieser Schiffssch­nabel kam während der Kolonialze­it 1884 als Kriegsbeut­e von Kamerun nach Deutschlan­d. Heute gehört er zum Bestand des Museums Fünf Kontinente. Ein Prinz aus Kamerun fordert das Objekt zurück.

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