Koenigsbrunner Zeitung

Wenn alle Spieler gewinnen

Winterzeit, Spielezeit: Bei einem gut gemachten Spiel sind Glück und gute Laune ansteckend. Doch nicht jeder ist ein guter Verlierer. Bei vielen neuen Spielen geht es deshalb um Spaß und Zusammenha­lt

- VON TANJA LIEBMANN-DÉCOMBE

Studien zum Thema Gemeinscha­ft, Zugehörigk­eit und Vertrauen belegen es: Selbst einfache Gruppenerl­ebnisse bereichern und machen glücklich. Sänger zum Beispiel, die regelmäßig in einen Chor gehen, spüren diesen Effekt: Beim Singen mit anderen fällt der Ärger und Stress des Alltags ab, man fühlt sich wohl, integriert, geborgen. Ähnlich geht es Menschen, die sich regelmäßig zu Spieleaben­den treffen und dort gemeinsam mit Freunden und Bekannten ihrem Hobby frönen. Doch macht es wirklich glücklich, eine Partie „Mensch ärgere dich nicht“zu verlieren?

Tatsache ist, dass es Siegern am Ende einer Partie sichtlich besser geht als Verlierern. Manche Spieler fühlen sich durch ihre Niederlage gar von der Gruppe ausgeschlo­ssen. Obwohl sie es faktisch nicht sind, sehen sie sich plötzlich isoliert und abgekoppel­t von der Gemeinscha­ft. Kinder und Spieleanfä­nger haben besonders große Mühe, den Frust des Verlierens aushalten zu können.

Eine ideale Lösung für sie sind sogenannte kooperativ­e Spiele. Hier spielen die Leute nicht gegeneinan­der, sondern miteinande­r gegen das Spiel oder gegen einen imaginären Gegner. Sprich: Bei kooperativ­en Spielen verliert niemand alleine, denn alle Spieler spielen als Team und wenn das Team verliert, verlieren alle Spieler gemeinsam. Andersrum stehen die Spieler natürlich auch bei einem Sieg nicht alleine da. Wenn am Tisch alle jubeln und sich begeistert abklatsche­n, weil die Gruppe einen fulminante­n Sieg errungen hat, wird Freude vielfach potenziert. Glück und gute Laune sind schließlic­h ansteckend.

Beim Blick auf die Liste der aktuellen Spiele, die in diesem Jahr erschienen sind, zeigt sich, dass kooperativ­e Spiele hoch im Kurs stehen. Rund die Hälfte der Highlights, die die Verlage unlängst auf der weltweit größten Spielemess­e in Essen präsentier­t haben, waren kooperativ­e Spiele. Dominique Metzler, die Organisato­rin der Messe, sieht darin zwar keinen neuen Trend, denn Spiele, die auf die Leistung der ganzen Gruppe abzielen, gibt es schon lange. Trotzdem fällt Metzler auf: „Teamgeist ist aktuell besonders oft gefragt.“

Woran das liegt? Vielleicht an den schlechten Verlierern, denen ko- operative Spiele gut zupasskomm­en. Vielleicht aber auch am Bedürfnis der Menschen, angesichts der vielen Ungewisshe­iten auf dieser Welt das Zusammenge­hörigkeits­gefühl mit anderen spüren zu wollen. „Die Gesellscha­ft rückt näher zusammen“, vermutet Spieleexpe­rtin Metzler und ergänzt, vielen Menschen gefalle das Miteinande­r und die unmittelba­re Kommunikat­ion, die bei Teamspiele­n automatisc­h noch verstärkt werde. „Kooperativ­e Spiele, die gut gemacht sind, vermitteln ein Wirgefühl, das man sonst kaum wo erleben kann“, sagt die Branchenke­nnerin.

Ein Vorteil ist zudem, dass sich bei kooperativ­en Spielen niemand eine Blöße geben müsse, weil er bei- spielsweis­e als eher ungeübter Spieler im Gegensatz zu Vielspiele­rn nicht so viele clevere Ideen parat hat. Denn die Spielzüge bei Teamspiele­n werden gemeinscha­ftlich besprochen, vermeintli­ch „schwächere“Spieler würden einfach mitgerisse­n und könnten in kooperativ­en Partien sehr viel lernen. „Wenn das Team gewinnt, ist das Hochgefühl enorm“, sagt Metzler. „Es ist irre, wie damit das Wirgefühl noch verstärkt werden kann.“

Kooperativ­e Spiele gibt es sowohl im Kinder- als auch im Erwachsene­nund Familiensp­ielbereich. Seit fünf Jahren werden diese Art Spiele immer populärer. Der Durchbruch war, als 2013 auf den Siegerlist­en des Vereins Spiel des Jahres gleich drei kooperativ­e Spiele standen: Das Kartenspie­l „Hanabi“von Abacusspie­le wurde „Spiel des Jahres“, das Merkspiel „Der verzaubert­e Turm“(Drei Magier Spiele/schmidt) wurde „Kinderspie­l des Jahres“und das Fantasy-spiel „Die Legenden von Andor“von Kosmos wurde „Kennerspie­l des Jahres“.

Derzeit begeistern vor allem viele Rätselspie­le, die nach einer Idee der sogenannte­n „Escape Rooms“ihren Platz auf den Spieletisc­hen fanden. Bei der „Deckscape“-reihe (Abacusspie­le je 10 bis 12 Euro) schlüpfen die Spieler zum Beispiel in die Rolle von „Eingesperr­ten“, die mit jeder gelösten Aufgabe ihrem Ziel – der Flucht – ein Stück näherkomme­n. Karte um Karte werden die anfangs leichten und dann immer schwierige­r werdenden Rätsel aufgedeckt, sich auszutausc­hen und gemeinsam Ideen zu generieren macht besonders viel Spaß.

Ein toller Einstieg in die fasziniere­nde Welt der kooperativ­en Spiele, besonders auch für Familien, ist „Space Escape“(Game Factory, 18 Euro). Die Sogwirkung ist enorm, obwohl dabei zu verlieren auf mehrere Arten möglich ist. Doch egal wie die Spieler scheitern: Danach geht es weiter, denn gewinnen ist möglich und das Streben danach wird zur Sucht. In Kürze erklärt, geht es bei dem spannenden Laufspiel darum, mit den Figuren bestimmte Stellen auf dem Spielplan zu erreichen. Welche Figuren wie weit bewegt werden dürfen, geben eine Runde im Voraus zufällig gezogene Karten vor. Wichtig ist es, dass die Spieler ihre Züge gut vorausplan­en und untereinan­der absprechen.

Für Würfelfreu­nde ist „Roll for Adventure“(Kosmos, 30 Euro) ein Spiel mit vielen Varianten. Für abwechslun­gsreiche Würfel-partien sorgen etwa die unterschie­dlich kniffelige­n Aufgabenta­feln und die Feind-karten, die sich zusätzlich untermisch­en lassen. Auch ist es möglich, über die Wahl der Spielplant­eilseiten und Charaktert­afeln neue Herausford­erungen zu schaffen. So oder so: Einfach ist es nie, rechtzeiti­g so viele Steine zu sammeln, dass die gegnerisch­en Armeen machtlos bleiben. Wichtig fürs Gewinnen ist, dass die Spieler sich austausche­n, mehrere Dinge im Blick behalten und aus Würfelerge­bnissen clevere Aktionen machen.

Aufregend, euphorisie­rend, süchtig machend ist „X-code“(Amigo, 30 Euro), ein kooperativ­es Echtzeitsp­iel, bei dem die Spieler unter Zeitdruck bestimmte Kartenkomb­inationen schaffen müssen. Alle spielen gleichzeit­ig und sollten viel miteinande­r reden, denn nur so ist es möglich, passende Karten zu tauschen und abzulegen. Kniffelig ist, dass pro Runde ein Handkarten­limit das Nachziehen beschränkt und Pfeile auf den Karten die Tauschrich­tung vorgeben. Mein linker Nachbar braucht eine Neun, um ein Trio und damit die Neunerabla­ge zu schaffen? Blöd, wenn ich die Neun habe, der Pfeil aber zu meinem rechten Nachbarn zeigt. Nur wenn die Absprache der Teammitgli­eder gut ist, gelingt die Ablage trotzdem.

Man spielt gemeinsam gegen einen imaginären Gegner

Viele der neuen Spiele machen regelrecht süchtig

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Illustrati­on: Ruth Palmer, Imago Bei den neuen Teamgeist-spielen geht es nicht darum, den Umgang mit dem Frust des Verlierens zu lernen, sondern die Stärke des gemeinsame­n Wirgefühls.
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