Bald könnte es wieder Streit um Brecht geben
Immer wieder steht das Festival in der politischen Diskussion. Eine Geschichte voller Widersprüche
Während Patrick Wengenroth, der künstlerische Leiter des Brechtfestivals, sein drittes und letztes Programm am Montag vorgestellt hat, wurden gleichzeitig die Weichen für die Zukunft des Festivals gestellt. Im nicht-öffentlichen Teil des Kulturausschusses bestätigten die Stadträte noch einmal, was nach den Vorgesprächen in den Stadtratsfraktionen bereits zu hören war: Die Regisseure Tom Kühnel und Jürgen Kuttner werden das Brechtfestival 2020 gestalten.
Nur ein paar Monate zuvor, als noch unklar war, wie es nach Wengenroth weitergehen sollte, hatte ein paar Augsburger eine große Wehmut befallen: Als Joachim Lang, der von 2010 bis 2016 sieben Festivals geleitet hat, seinen Kinofilm „Mackie Messer - der Dreigroschenfilm“in Augsburg präsentierte, gab es im Kinosaal spontane Wortmeldungen, in denen der Wunsch geäußert wurde, dass Lang einfach wieder in Augsburg das Festivalleiter werden solle.
Womit einmal mehr bewiesen worden ist, dass das Brechtfestival wie kein anderes Kulturfestival in der Stadt politische Wellen schlägt. Klar, um den Standort des Modularfestivals wurde auch gerungen, aber bei Brecht kommt immer noch etwas dazu: Der Schriftsteller selbst war ein politischer Mensch. Da- durch, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Ost-berlin ging, also zu den Kommunisten, behandelte die Augsburger Stadtpolitik ihn und später das Andenken an ihn Jahrzehnte lang stiefmütterlich. Brecht, das war ein freiwilliger Kommunist. Und dass er posthum von der SED für ihre Ziele vereinnahmt wurde, machte dieses Verhältnis nicht leichter.
Irgendwie scheinen diese politischen Verwerfungen bis heute nachzuwirken. Die Debatten im Rathaus werden zwar nicht mehr so kategorisch und leidenschaftlich geführt, aber die Geister scheiden sich doch. Zu den großen Stärken von Joachim Lang gehörte es sieben Jahre lang, die Csu-stadtratsfraktion fest ins Festivalboot zu holen. Im Laufe dieser Lang’schen Festivaljahre war immer wieder zu hören, wie differenziert Brechts politische Rolle zu betrachten sei. Brechtforscher heute sehen in Brecht nicht mehr den strammen Kommunisten, sondern einen Welt- und Erfolgsschriftsteller, der immer stärker in die politisch erhitzten 1920er Jahre hineingeriet, sich dort auf Seiten der Linken und bei den Kommunisten positionierte, vor allem auch im Hinblick auf den NSDAP-TERROR auf den Straßen, danach ins Exil musste und sich später auch deshalb für die DDR und Ost-berlin entschied, weil er dort ein eigenes Theater leiten konnte; Brecht der Taktiker und nicht der Überzeugungstäter. Erschwerend bei all dieser Vorgeschichte kam und kommt hinzu, dass das Festival seit seiner Gründung ein parteipolitischer Zankapfel war. Albert Ostermaiers abc-festival war ein gefeiertes, deutschlandweit ausstrahlendes Projekt der grünen Kulturreferentin Eva Leipprand und der rot-grünen Rathausmehrheit. Viele Schriftsteller mit klingenden Namen kamen, das Programm war ambitioniert, intellektuell, aber die Augsburger Szene hat sich nicht gebührend eingebunden gefühlt.
Als 2008 bei der Kommunalwahl Kurt Gribl Oberbürgermeister wurde und die CSU gemeinsam mit Pro Augsburg die Mehrheit im Rathaus stellte, war nicht mehr von einer Fortsetzung des auf drei Jahre angelegten Festivals die Rede, sondern von einem Neuanfang. Die Ära Joachim Lang begann 2010. Die Augsburger freie Szene wurde als ein fester Bestandteil integriert. Lang setzte als Fernseh-redakteur auf seine guten Kontakte zu bekannten Schauspielern und Stars, das Festival bekam Glamour-faktor, vor allem in den umjubelten Galas. Kritiker bemängelten vor allem an diesen Abenden aber den mangelnden Tiefgang. Joachim Lang gelang es als Festivalleiter, auch die SPD als Rathausopposition für das Festival zu gewinnen. Das gegenseitige Wohlwollen dort wurde so stark, dass der damalige Spd-fraktionschef Karl-heinz Schneider jüngst in Langs „Dreigroschenfilm“als Statist zu sehen ist.
Allerdings ließ die Grüne-stadtratsfraktion keine Gelegenheit aus, das Brechtfestival unter Joachim Lang zu kritisieren. Was nicht nur aus inhaltlichen Gründen zu erklären ist, sondern auch damit, dass die Grünen mit der Kritik an Langs Brechtfestival sich für das Aus von Ostermaier revanchierten, das sie als Opposition im Rathaus nicht verhindern konnten.
Langs Zeit als Festivalleiter begann auszulaufen, als sich 2014 die Mehrheitsverhältnisse im Rathaus wieder änderten, die CSU mit der SPD eine Koalition einging und die Grünen als Kooperationspartner an Bord holten. Thomas Weitzel übernahm daraufhin das Kulturreferat von Peter Grab. Weil Weitzel und Lang nicht miteinander konnten, fand nach Langs siebtem Festival im Frühjahr 2016 wieder ein ziemlich geräuschvoller Wechsel an der Festivalspitze statt. Kurzzeitig schien es möglich, dass Lang den Rückhalt der Koalition gegen den Willen des Kulturreferenten bekommt.
Seitdem heißt es in der Kulturpolitik, dass die Festivalleitung in eieben nem festen dreijährigen Turnus wechseln soll. Allerdings bekamen Patrick Wengenroth und nun das Duo Tom Kühnel und Jürgen Kuttner zu Beginn nur jeweils einen Kontrakt über ein Jahr – als Festivalleiter auf Probe.
Vor der Wahl des Duos war von verschiedenen Seiten zu hören, nun endlich einmal einer Frau das Brechtfestival in die Hände zu geben. Jetzt sind es zwei Regisseure, deren Lebenslauf in Ostdeutschland seinen Ausgang genommen hat. Und schon ist wieder hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass nicht alle gerne dieser Personalie zugestimmt haben. Erschwerend mag hinzugekommen sein, dass Kuttner 1994 selbst angegeben hat, in den frühen 1980er Jahren Kontakte zur Stasi gehabt zu haben. Allerdings fand sich in der Gauck-behörde kein belastendes Material gegen Kuttner. Dieser konnte nach einer zweimonatigen Unterbrechung weiter für den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg arbeiten.
Es bleibt also spannend, zu sehen, ob es 2020 nach dem ersten Festival von Kühnel und Kuttner wieder große Diskussionen über die Fortsetzung gibt. Denn kurz nach dem Festival finden in Bayern die Kommunalwahlen statt. Es kann also gut sein, dass die Festivalzukunft im Endspurt des Wahlkampfs zum großen kulturpolitischen Thema erklärt wird.
Als das Festival Glamour-faktor bekam