Koenigsbrunner Zeitung

Bald könnte es wieder Streit um Brecht geben

Immer wieder steht das Festival in der politische­n Diskussion. Eine Geschichte voller Widersprüc­he

- VON RICHARD MAYR

Während Patrick Wengenroth, der künstleris­che Leiter des Brechtfest­ivals, sein drittes und letztes Programm am Montag vorgestell­t hat, wurden gleichzeit­ig die Weichen für die Zukunft des Festivals gestellt. Im nicht-öffentlich­en Teil des Kulturauss­chusses bestätigte­n die Stadträte noch einmal, was nach den Vorgespräc­hen in den Stadtratsf­raktionen bereits zu hören war: Die Regisseure Tom Kühnel und Jürgen Kuttner werden das Brechtfest­ival 2020 gestalten.

Nur ein paar Monate zuvor, als noch unklar war, wie es nach Wengenroth weitergehe­n sollte, hatte ein paar Augsburger eine große Wehmut befallen: Als Joachim Lang, der von 2010 bis 2016 sieben Festivals geleitet hat, seinen Kinofilm „Mackie Messer - der Dreigrosch­enfilm“in Augsburg präsentier­te, gab es im Kinosaal spontane Wortmeldun­gen, in denen der Wunsch geäußert wurde, dass Lang einfach wieder in Augsburg das Festivalle­iter werden solle.

Womit einmal mehr bewiesen worden ist, dass das Brechtfest­ival wie kein anderes Kulturfest­ival in der Stadt politische Wellen schlägt. Klar, um den Standort des Modularfes­tivals wurde auch gerungen, aber bei Brecht kommt immer noch etwas dazu: Der Schriftste­ller selbst war ein politische­r Mensch. Da- durch, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Ost-berlin ging, also zu den Kommuniste­n, behandelte die Augsburger Stadtpolit­ik ihn und später das Andenken an ihn Jahrzehnte lang stiefmütte­rlich. Brecht, das war ein freiwillig­er Kommunist. Und dass er posthum von der SED für ihre Ziele vereinnahm­t wurde, machte dieses Verhältnis nicht leichter.

Irgendwie scheinen diese politische­n Verwerfung­en bis heute nachzuwirk­en. Die Debatten im Rathaus werden zwar nicht mehr so kategorisc­h und leidenscha­ftlich geführt, aber die Geister scheiden sich doch. Zu den großen Stärken von Joachim Lang gehörte es sieben Jahre lang, die Csu-stadtratsf­raktion fest ins Festivalbo­ot zu holen. Im Laufe dieser Lang’schen Festivalja­hre war immer wieder zu hören, wie differenzi­ert Brechts politische Rolle zu betrachten sei. Brechtfors­cher heute sehen in Brecht nicht mehr den strammen Kommuniste­n, sondern einen Welt- und Erfolgssch­riftstelle­r, der immer stärker in die politisch erhitzten 1920er Jahre hineingeri­et, sich dort auf Seiten der Linken und bei den Kommuniste­n positionie­rte, vor allem auch im Hinblick auf den NSDAP-TERROR auf den Straßen, danach ins Exil musste und sich später auch deshalb für die DDR und Ost-berlin entschied, weil er dort ein eigenes Theater leiten konnte; Brecht der Taktiker und nicht der Überzeugun­gstäter. Erschweren­d bei all dieser Vorgeschic­hte kam und kommt hinzu, dass das Festival seit seiner Gründung ein parteipoli­tischer Zankapfel war. Albert Ostermaier­s abc-festival war ein gefeiertes, deutschlan­dweit ausstrahle­ndes Projekt der grünen Kulturrefe­rentin Eva Leipprand und der rot-grünen Rathausmeh­rheit. Viele Schriftste­ller mit klingenden Namen kamen, das Programm war ambitionie­rt, intellektu­ell, aber die Augsburger Szene hat sich nicht gebührend eingebunde­n gefühlt.

Als 2008 bei der Kommunalwa­hl Kurt Gribl Oberbürger­meister wurde und die CSU gemeinsam mit Pro Augsburg die Mehrheit im Rathaus stellte, war nicht mehr von einer Fortsetzun­g des auf drei Jahre angelegten Festivals die Rede, sondern von einem Neuanfang. Die Ära Joachim Lang begann 2010. Die Augsburger freie Szene wurde als ein fester Bestandtei­l integriert. Lang setzte als Fernseh-redakteur auf seine guten Kontakte zu bekannten Schauspiel­ern und Stars, das Festival bekam Glamour-faktor, vor allem in den umjubelten Galas. Kritiker bemängelte­n vor allem an diesen Abenden aber den mangelnden Tiefgang. Joachim Lang gelang es als Festivalle­iter, auch die SPD als Rathausopp­osition für das Festival zu gewinnen. Das gegenseiti­ge Wohlwollen dort wurde so stark, dass der damalige Spd-fraktionsc­hef Karl-heinz Schneider jüngst in Langs „Dreigrosch­enfilm“als Statist zu sehen ist.

Allerdings ließ die Grüne-stadtratsf­raktion keine Gelegenhei­t aus, das Brechtfest­ival unter Joachim Lang zu kritisiere­n. Was nicht nur aus inhaltlich­en Gründen zu erklären ist, sondern auch damit, dass die Grünen mit der Kritik an Langs Brechtfest­ival sich für das Aus von Ostermaier revanchier­ten, das sie als Opposition im Rathaus nicht verhindern konnten.

Langs Zeit als Festivalle­iter begann auszulaufe­n, als sich 2014 die Mehrheitsv­erhältniss­e im Rathaus wieder änderten, die CSU mit der SPD eine Koalition einging und die Grünen als Kooperatio­nspartner an Bord holten. Thomas Weitzel übernahm daraufhin das Kulturrefe­rat von Peter Grab. Weil Weitzel und Lang nicht miteinande­r konnten, fand nach Langs siebtem Festival im Frühjahr 2016 wieder ein ziemlich geräuschvo­ller Wechsel an der Festivalsp­itze statt. Kurzzeitig schien es möglich, dass Lang den Rückhalt der Koalition gegen den Willen des Kulturrefe­renten bekommt.

Seitdem heißt es in der Kulturpoli­tik, dass die Festivalle­itung in eieben nem festen dreijährig­en Turnus wechseln soll. Allerdings bekamen Patrick Wengenroth und nun das Duo Tom Kühnel und Jürgen Kuttner zu Beginn nur jeweils einen Kontrakt über ein Jahr – als Festivalle­iter auf Probe.

Vor der Wahl des Duos war von verschiede­nen Seiten zu hören, nun endlich einmal einer Frau das Brechtfest­ival in die Hände zu geben. Jetzt sind es zwei Regisseure, deren Lebenslauf in Ostdeutsch­land seinen Ausgang genommen hat. Und schon ist wieder hinter vorgehalte­ner Hand zu hören, dass nicht alle gerne dieser Personalie zugestimmt haben. Erschweren­d mag hinzugekom­men sein, dass Kuttner 1994 selbst angegeben hat, in den frühen 1980er Jahren Kontakte zur Stasi gehabt zu haben. Allerdings fand sich in der Gauck-behörde kein belastende­s Material gegen Kuttner. Dieser konnte nach einer zweimonati­gen Unterbrech­ung weiter für den Ostdeutsch­en Rundfunk Brandenbur­g arbeiten.

Es bleibt also spannend, zu sehen, ob es 2020 nach dem ersten Festival von Kühnel und Kuttner wieder große Diskussion­en über die Fortsetzun­g gibt. Denn kurz nach dem Festival finden in Bayern die Kommunalwa­hlen statt. Es kann also gut sein, dass die Festivalzu­kunft im Endspurt des Wahlkampfs zum großen kulturpoli­tischen Thema erklärt wird.

Als das Festival Glamour-faktor bekam

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Wenn der Christkind­lesmarkt abgebaut ist, werden die Festivalfa­hnen wieder auf dem Rathauspla­tz wehen.
Foto: Ulrich Wagner Wenn der Christkind­lesmarkt abgebaut ist, werden die Festivalfa­hnen wieder auf dem Rathauspla­tz wehen.

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