Wie Weihnachtspäckchen schnell ans Ziel kommen
In Graben werden jetzt jeden Tag fast 200 000 Sendungen sortiert, damit sie rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegen. Dabei helfen Scanner und Computer – und ein Mann mit Sinn für Theaterregie
Im Logistikzentrum der DHL in Graben werden jetzt jeden Tag fast 200 000 Sendungen sortiert, damit sie rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegen. Dabei helfen Scanner und Computer mit – und ein Mann mit Sinn für Theaterregie.
Graben Bis zum Heiligen Abend wird der gelbe Paketwagen noch öfter am Haus vorbeifahren. Vielleicht auch zweimal am Tag, denn Deutschlands größter Zusteller bietet seinen Kunden Wunschzustellung an. Dahinter steckt moderne Technik und bis ins Detail organisierte Logistik. Nur der Mann, der dies im Paketverteilzentrum in Graben managt, sieht es anders. Sein Erfolgsgeheimnis bezieht er aus der Welt des Theaters.
Anlieferung am Ort der eigenen Wahl, aber auch zur gewünschten Zeit – all das ist für Paketkunden individuell einstellbar im Internet. Unsereins kann nach Briefträger und Paketmann zwar nicht mehr minutengenau die Uhr stellen, dafür seien die Sendungen früher da, sagen Sprecher von DHL, dem weltweit tätigen Dienstleister der Deutschen Post. Brief- und Paketzustellung seien nämlich flexibel geworden. Das liegt an ausgetüftelten Abläufen, die sich jedoch stets dem Aufkommen an Sendungen und den freien Kapazitäten im DHL-VER- bund anpassen. In dem erst sechs Jahre alten Paketverteilzentrum in Graben managt dies Jakob Kratzer wie ein Regisseur.
Ob alles reibungslos funktioniert, es keine Staus gibt und die Pakete auf der einen Seite genauso schnell von einer der Lkw-rampen reinkommen, wie sie auf der anderen Seite in Ladecontainer verschwinden, das sieht er mit einem Blick von einer Empore auf die Szene. Es muss immer Bewegung sein auf seiner Bühne, aber kein Durcheinander. Ein nahtloses Ineinanderwirken im richtigen Takt bestimmt seine Dramaturgie. „Das ist mein Ballett“, sagt Jakob Kratzer. Der 28-jährige Standortleiter am Lechfeld dirigiert 110 Frauen und Männer seiner Stammbelegschaft. In der Weihnachtszeit kommen fast noch mal so viele Saisonkräfte dazu. Das Betriebsklima scheint familiär, jeder hat zwar seinen Platz an einer anderen Stelle, doch es klingt meist ein Scherz oder eine kleine Herzlichkeit auf, wenn man sich begegnet. Arbeitskräfte sind auch auf dem Logistikmarkt rar. Kratzer ist seit acht Jahren bei der Post und weiß auch als Chef das kollegiale Klima zu schätzen und Gelegenheitsjobber zu treuen Mitarbeitern zu machen – wenn auch nur in Teilzeit.
Zugleich managt er mit seinem Team ein weit über Graben hinausgehendes Netzwerk. Die Verteilzentren in Gersthofen und Aschheim bei München sind darin verzahnt. Wer gerade freie Kapazitäten hat, nimmt den anderen Arbeit ab. Der Strom der zu- oder ausliefernden Lkw wird schnell umgelenkt. Auch das ist Teil der Regie in den Verteilzentren.
Wer Hektik und Lärm in der Halle erwartet, wundert sich: Es ist eher ein summender Grundton, der hier vorherrscht. Er stammt von vielen kleinen Elektromotoren. Sie treiben das lange Netz an Fließbändern, aufgeteilt in meterlange Abschnitte. So können sie von Sensoren gesteuert stoppen oder beschleunigen. Auf diese Weise trennt sich der Eingangsstrom in viele Zweige auf und vereint sich später zu neuen Paketkolonnen. Dabei berühren sich die Sendungen nicht einmal. Denn jede wird einzeln auf ihrem Weg gesteuert. Erst am Ende landet sie mit anderen in einer spiralförmigen Rutsche, auf der es einige Meter abwärts meist gleich zur richtigen Containerandockstation geht, um die Reise in die Zielregion anzutreten.
An ruhigen Tagen nehmen auf diese Weise rund 100 000 Pakete ihren Weg durch diese Halle. Jetzt in der Weihnachtszeit sind es bis zu 200000. Ein stattlicher Teil davon kommt auf einem Fließband direkt vom benachbarten Amazon-lager herüber und reiht sich ein in den Strom an Paketen, die die Lastwagen von anderen Großkunden aus den Regionen Augsburg und München bringen. Dazwischen reihen sich immer wieder Ladungen von Privatkunden aus dem heimischen Raum ein. Computer steuern ihren Weg durch die Halle. Wohin die Reise gehen soll, lesen Scanner in hoher Geschwindigkeit ab, wenn die Pakete von Menschenhand auf das erste Fließband gelegt wurden. Der Laser arbeitet so zuverlässig, dass er auch zittrige Handschriften verlässlich deuten kann.
Nur drei Minuten dauert der Auftritt jedes Paketes in dieser Halle. Am Ende wird es in einem Laderaum wieder per Hand aufgestapelt. Auf der Autobahn oder per Flugzeug wird es zu einem zweiten Verteilzentrum geschickt. Das befindet sich in seiner Zielregion. Dort sortiert es eine ähnliche Anlage auf die Dhl-stationen in der Nähe des Empfängers. Der Paketbote bringt es die letzten Kilometer an die Haustüre. Dort endet das Ballett der Pakete und Jakob Kratzer hofft auf einen kleinen Schlussapplaus für diese Inszenierung.
Die Pakete „fließen“wie von Geisterhand