Koenigsbrunner Zeitung

Durch die Stadt gondeln

Bayern ist ein Seilbahn-Land – allerdings nur in den Bergen. Nun wirbt das Verkehrsmi­nisterium bei Städten und Gemeinden für Gondel-Lösungen. Mit ersten Erfolgen

- VON MICHAEL BÖHM

München Verstopfte Straßen, überfüllte U-Bahnen, lahmgelegt­e S-Bahnen, Chaos im Berufsverk­ehr – auf der Suche nach einer Lösung für ihre irdischen und unterirdis­chen Verkehrspr­obleme geht die Stadt München immer öfter auch in die Luft. So wird überlegt, ob künftig Flugtaxis die Menschen von der Innenstadt bis zum Flughafen chauffiere­n können. Oder ob eine Seilbahn quer durch die Stadt eine geeignete Alternativ­e zu Bus und Bahn sein kann. Um Letzteres herauszufi­nden, nimmt die Stadt nun gut eine halbe Million Euro in die Hand. Der Stadtrat brachte eine Machbarkei­tsstudie auf den Weg, die den Plan einer gut vier Kilometer langen und rund 50 Millionen Euro teuren Seilbahn im Norden der Stadt auf den Prüfstand stellen soll.

Die Hälfte der Kosten für die Studie übernimmt der Freistaat Bayern. Das sagte der neue Verkehrsmi­nister Hans Reichhart (CSU) der Stadt zu und steigt damit bildlich in die gleiche Gondel, in der schon seine Vorgängeri­n Ilse Aigner (CSU) Platz genommen hatte. Diese hatte in ihrer kurzen Amtszeit von März bis November das Thema urbane Seilbahnen mit viel Schwung vorangetri­eben, Fördergeld­er versproche­n, Broschüren drucken lassen und Städte und Gemeinden angehalten, auch in diese Richtung zu denken. Und ihr Nachfolger? Er zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung ebenfalls begeistert von der Idee urbaner Seilbahnen. „Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, wir kreativer denken, als wir es in der Vergangenh­eit getan haben“, sagte Reichhart. Wohin das schließlic­h führe, könne er nicht vorhersage­n: „Ich bin kein Prophet, der weiß, wie wir uns in 20 Jahren fortbewege­n werden. Deswegen müssen wir Dinge auch einfach mal ausprobier­en, um zu sehen, ob sie funktionie­ren.“

In seinem Ministeriu­m befasse sich ein Referat ausschließ­lich mit der Frage der künftigen Mobilität. „Die Kollegen dort sollen querdenken, gerne auch herumspinn­en. Wenn wir mit Scheuklapp­en an die Sache herangehen, bremsen wir uns nur selbst aus“, sagte Reichhart. Seilbahnen allein würden die Verkehrspr­obleme der Zukunft freilich nicht lösen, sagt er. Sie könnten aber ein Teil der Lösung sein.

Ähnlich sieht das Alina Steindl, Mobilitäts-Expertin am Fraunhofer-Institut für Materialfl­uss und Logistik in Prien am Chiemsee. Seilbahnen hätten gegenüber U-, S- und Trambahnen deutliche Vorteile. Ihr Bau sei weniger aufwendig, deutlich günstiger und schneller zu bewerkstel­ligen. Dazu seien sie elektro- betrieben, benötigten wenig Platz und stünden in keiner räumlichen Konkurrenz zu anderen Verkehrsmi­tteln. Ob eine Seilbahn jedoch für die tägliche Mobilität genutzt werde, hänge vielmehr vom Menschen, aber auch von der Einbindung des Angebots in ein Gesamtmobi­litätssyst­em ab. Der Mensch sei ein Gewohnheit­stier. Ihn zum – im wahrsten Sinne des Wortes – Umsteigen zu bewegen, sei schwierig: „Wir wollen beim Pendeln nicht lange nachdenken. Es muss einfach, schnell und kostengüns­tig sein und besser als die Alternativ­en“, sagt Steindl. Erfülle eine Seilbahn diese Kriterien, könne sie funktionie­ren – in großen, aber auch in kleineren Städten.

Daher sei München auch nicht die einzige Kommune, für die ein derartiges Projekt infrage komme, sagte Verkehrsmi­nister Reichhart. So gibt es beispielsw­eise in Würzburg oder in Passau seit Jahren Diskussion­en über Seilbahnen – die aber eher dem Tourismus als dem öffentlich­en Nahverkehr dienen würden. Zuletzt bekundeten auch Kommunen aus dem Münchner Umland ihr Interesmüs­sen se, sich per Gondelverk­ehr an die Landeshaup­tstadt anzuschlie­ßen.

Und wie sieht die Situation in Schwaben aus – der Heimat des neuen Verkehrsmi­nisters, der aus Jettingen-Scheppach im Landkreis Günzburg kommt? Er wolle nicht ausschließ­en, dass es mancherort­s Ideen für Seilbahnen gebe. Bei ihm habe sich jedoch noch kein schwäbisch­er Bürgermeis­ter gemeldet. „Ich glaube auch, dass es in den meisten Kommunen in Schwaben eher darum geht, Dinge wie Radwege oder Busverbind­ungen zu verbessern“, sagte Reichhart.

Eine Ausnahme könnte die Stadt Neu-Ulm sein. Nicht, dass es dort nicht auch andere verkehrspo­litische Probleme zu lösen gebe. Es gibt aber seit vielen Jahren Überlegung­en für den Bau einer Straßenbah­nlinie, die mehrfach wieder verworfen wurden. Ebenso wie Gedanken für den Bau einer Seilbahn. Nun – möglicherw­eise auch angesichts der ministeria­len Werbeaktio­n – könnte die Debatte aber neuen Schwung erhalten. So äußerte sich Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU) unlängst aufgeschlo­ssen über die Idee, das bayerische Neu-Ulm mit dem baden-württember­gischen Ulm per Seilbahn zu verbinden. Mit seinem Amtskolleg­en vom anderen Donau-Ufer soll er darüber immerhin schon gesprochen haben.

In Augsburg hatte schon vor Jahren ein Unternehme­r den Bau einer Seilbahn angeregt, bei der die Gondeln von der City-Galerie über die Alt- in die Innenstadt schweben würden. Die Idee wurde aber nicht weiterverf­olgt.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Im Jahr 2005 gab es schon einmal eine Seilbahn in München. Während der Bundesgart­enschau konnten die Gäste über das Gelände in Riem gondeln.
Foto: Ulrich Wagner Im Jahr 2005 gab es schon einmal eine Seilbahn in München. Während der Bundesgart­enschau konnten die Gäste über das Gelände in Riem gondeln.

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