Koenigsbrunner Zeitung

Neue Runde gegen den Flächenfra­ß

Es wird gebaut in Bayern, was das Zeug hält. Nachdem ein erstes Volksbegeh­ren gescheiter­t ist, nehmen die Grünen womöglich bald einen neuen Anlauf

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München Besondere Landschaft­en und Weiten zeichnen Bayern aus und gefallen nicht nur den vielen Touristen. Doch die freien Flächen im Freistaat werden weniger. Zwar haben die bebauten Flächen in Bayern mit etwa zwölf Prozent der Gesamtfläc­he einen eher geringen Anteil im bundesweit­en Vergleich – im Verbrauch neuer Flächen gehört der Freistaat aber zu den Spitzenrei­tern. Im vergangene­n Jahr wurden im Schnitt 11,7 Hektar Fläche pro Tag verbraucht, fast so viel wie 17 Fußballfel­der.

Dieser Flächenfra­ß ist ein Dauerstrei­tthema in der bayerische­n Politik. Zwar haben alle das gleiche Ziel – Flächen zu sparen –, der Weg dahin jedoch ist verschiede­n. Schon im Landtagswa­hlkampf dominierte die Frage nach einer Obergrenze für den Flächenver­brauch. Doch ein unter anderem von den Grünen beantragte­s Volksbegeh­ren für eine Höchstgren­ze von fünf Hektar pro Tag scheiterte aus formalen Gründen im Sommer dieses Jahres. Den Richtern am Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of fehlten konkrete Vorgaben für die Umsetzung.

Trotzdem haben sich CSU und Freie Wähler jene Fünf-HektarGren­ze nun in ihrem Koalitions­vertrag auch als Ziel gesteckt – ohne auf freiwillig­er Basis, unverbindl­ich, zusammen mit den Kommunen. „Es ist ein ambitionie­rtes, aber schaffbare­s Ziel. Wir wollen das schaffen und wir werden es auch schaffen“, sagt Bauministe­r Hans Reichhart (CSU).

„Freiwillig­keit hat versagt, jetzt brauchen wir klare Regeln“, meint Ludwig Hartmann, Grünen-Chef und Beauftragt­er des damaligen Aktionsbün­dnisses für das Volksbegeh­ren. Legt die Staatsregi­erung keine verbindlic­hen Regelungen auf den Tisch, plant er Ende 2019 ein neues Volksbegeh­ren. Es sei schon sehr konkret, sagt Hartmann, „wir sind mit einigen Bündnispar­tnern bereits im Gespräch“. Und er ist guter Dinge, dass das Volksbegeh­ren beim zweiten Anlauf erfolgreic­her wird als beim ersten.

Doch warum ist die zunehmende Bebauung überhaupt so ein Problem? Gerade Bayern hat doch genügend Fläche. Tatsächlic­h entstehen Probleme auf drei Ebenen, erklärt Jana Bovet vom HelmholtzZ­entrum für Umweltfors­chung in Leipzig: ökonomisch­e Probleme, ökologisch­e Probleme und soziale Probleme. So steige etwa durch Versiegelu­ng die Gefahr für Hochwasser. Dies gelte auch, obwohl Flächenver­brauch nicht mit Versiege- lung gleichzuse­tzen ist – man gehe davon aus, dass etwa die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfl­äche mit Beton beschichte­t und nicht mehr wasserdurc­hlässig ist.

Neue Flächen werden meist im Außenberei­ch der Orte verbraucht. Dadurch werden Gebiete zerschnitt­en: „Einerseits ist es für die Landschaft nicht schön, wenn da überall Straßen durchgehen. Aber es hindert auch Tiere, zum Beispiel gewohnte Pfade zu gehen“, sagt Bovet. Das „Außenwachs­tum“hat auch wirtschaft­liche Folgen: Wege werden länger, Infrastruk­tur teurer. In den meisten Fällen seien neue Baugebiete für die Kommunen ein Verlust und kein Gewinn. Zudem werde durch die Ausdehnung eines Ortes die Nahversorg­ung immer schwierige­r, Ortskerne drohten auszusterb­en.

Mit Freiwillig­keit sei das Problem nicht zu lösen, findet auch Bovet: „Wir brauchen ein wirklich bezifferte­s Ziel, wie hoch die Flächenina­nspruchnah­me sein sollte und das müsste verbindlic­h sein. Das sehe ich als absolut unabdingba­r.“HartZwang, mann sieht das genauso. Er fordert „verbindlic­he Leitplanke­n“für neue Bauprojekt­e, etwa dass neu geschaffen­e Parkfläche­n ab 30 Stellplätz­en als Parkdeck geplant werden müssen. Oder dass ein Supermarkt nur gebaut werden darf, wenn darüber Wohnraum entsteht.

„Anreize statt Verbote“lautet hingegen das Motto der Staatsregi­erung. „Wir wollen Anreize schaffen, das Thema gemeinsam mit den Kommunen angehen. Verbote sind hier einfach der falsche Weg“, sagt Bauministe­r Reichhart. Mittels Förderprog­rammen will er die Kommunen zur Sparsamkei­t erziehen, etwa mit einer Entsiegelu­ngsprämie für die Aufwertung von Brachfläch­en. 100 Millionen Euro wurden im Rahmen der verschiede­nen Programme bereits ausgelobt und auch abgerufen. „Man sieht, dass eine gigantisch­e Nachfrage besteht und auch, dass das nötige Bewusstsei­n da ist. Genau deshalb geht es miteinande­r am besten.“

Wie sehr das Thema den Nerv der Zeit trifft und viele Menschen mobilisier­t, zeigt das vergangene Volksbegeh­ren. Hier sammelten die Initiatore­n mehr als 48000 Unterschri­ften, deutlich mehr als die notwendige­n 25000.

Katharina Redanz, dpa

Ortskerne drohen auszusterb­en

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