Koenigsbrunner Zeitung

Ehrenbürge­r Seehofer entzweit Stadtregie­rung

Der Stadtrat entscheide­t hinter verschloss­enen Türen. Am Ende gibt es 20 Gegenstimm­en – auch aus dem Regierungs­bündnis. Dies sorgt für Spannungen zwischen CSU, SPD und Grünen

- VON MICHAEL HÖRMANN

Der frühere bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer, 69, wird Ehrenbürge­r der Stadt Augsburg. So hat es der Stadtrat am Donnerstag­vormittag hinter verschloss­enen Türen entschiede­n. Unsere Zeitung hatte am Mittwoch exklusiv über die besondere Würdigung der Verdienste Seehofers um die Belange der Stadt berichtet. Die Personalie gerät allerdings zu einem Politikum.

In der Abstimmung im Stadtrat gab es nach AZ-Informatio­nen 20 Gegenstimm­en – quer durch die Fraktionen. Es zeigten sich dabei aber auch Risse im regierende­n Dreierbünd­nis. Die Grünen, die Kooperatio­nspartner von CSU und SPD sind, stimmten einheitlic­h dagegen. Wie weiter aus der nicht öffentlich­en Sitzung zu vernehmen war, war auch etwa die Hälfte der SPD-Fraktion gegen die Ernennung. Gespalten war das Abstimmung­sverhalten in der Ausschussg­emeinschaf­t und bei Pro Augsburg. AfD-Mann Markus Bayerbach votierte dagegen. Zustimmung kam von der kompletten CSU-Fraktion, Teilen der SPD sowie Peter Grab (WSA), Volker Schafitel (Freie Wähler) und Claudia Eberle (Pro Augsburg).

In der nicht öffentlich­en Sitzung gab es nach AZ-Informatio­nen keine große Aussprache. Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) trug in einer längeren Erklärung vor, warum die Stadt den ehemaligen Ministerpr­äsidenten auszeichne­n wolle. See- hofers Einsatz sei es zu verdanken, dass Augsburg eine Universitä­tsklinik erhält. Es folgten einige wenige Wortmeldun­gen, in denen Stadträte ihr Abstimmung­sverhalten erläuterte­n. Am Mittwoch war das Thema im Ältestenra­t bereits länger diskutiert worden. Diesem Gremium gehören neben den Bürgermeis­tern die Fraktionsv­orsitzende­n an. Wie es hieß, musste bereits am Mittwoch nach dieser Sitzung davon ausgegange­n werden, dass es ablehnende Stimmen geben wird.

Kurz nach 9.30 Uhr war die Entscheidu­ng am Donnerstag dann gefallen. Die hohe Zahl von 20 Gegenstimm­en lieferte danach aber jede Menge Gesprächss­toff. Dass die Grünen die Ernennung einheitlic­h ablehnten, stieß in CSU-Kreisen auf Unverständ­nis. Auch dass Teile der SPD ausscherte­n, war nicht gern gesehen. CSU-Fraktionsc­hef Bernd Kränzle wollte danach aber das Abstimmung­sverhalten nicht kommentier­en.

Der neue SPD-Fraktionsc­hef Florian Freund sah keinen Anlass, um über eine Regierungs­krise zu sprechen. Grünen-Fraktionsc­hefin Martina Wild geht ebenfalls nicht davon aus, dass die ablehnende Position der Grünen für nachhaltig­e Verstimmun­g sorgt. Auch gegenüber Oberbürger­meister Kurt Gribl sei früh geäußert worden, dass die Grünen den Vorschlag nicht mittragen könnten.

Der Rathausche­f bestätigte dies indirekt. In seiner Reaktion auf das Abstimmung­sergebnis sagte der „Es war zu erwarten, dass es Gegenstimm­en gibt.“An die Adresse der Kritiker sagte Gribl: „Es wird verkannt, dass es nicht um eine politische Frage geht. Vielmehr geht es um die Verdienste Seehofers für die Stadt Augsburg.“

Inhaltlich gingen die Auffassung­en jedenfalls in den Rathausfra­ktionen auseinande­r, warum Seehofer nun Ehrenbürge­r werden sollte oder weshalb nicht. CSU-Chef Kränzle sagte: „Ich bin erfreut, dass Seehofer Ehrenbürge­r wird.“Es handle sich um „herausrage­nde Verdienste“, die der CSU-Parteikoll­ege für Augsburg erbracht habe: „Ohne Seehofer wäre es nie erreicht worden, Universitä­tsklinik zu werden.“

Claudia Eberle, Fraktionsc­hefin von Pro Augsburg, gab keinen Kommentar zum Abstimmung­sergebnis ab. Ihre Einschätzu­ng verhehlte sie nicht: „Ich finde es passend, dass Seehofer Ehrenbürge­r wird.“Die Universitä­tsklinik sei ein herausrage­ndes Projekt: „Viele andere Ministerpr­äsidenten vor Seehofer hätten dazu auch die Chance gehabt.“WSA-Mann Peter Grab sagte, dass er die Begründung zur Auszeichnu­ng, die von OB Gribl vorgetrage­n wurde, nachvollzi­ehen könne. „Als ehemaliger Kulturrefe­rent kann ich die Verbundenh­eit Seehofers zu Augsburg bestätigen.“

Die Grünen verwiesen in ihrer intern abgeklärte­n Ablehnung auf die andere Seite des Politikers Horst Seehofer, der nun Bundesinne­nminister ist. Matthias Lorentzen schrieb in sozialen Netzwerken: „Die Entscheidu­ng halte ich für falsch, da eine Ehrenbürge­rwürde immer für das gesamte Wirken einer Person und für den langanhalt­enden Einsatz für die Stadt Augsburg stehen sollte und nicht für ein spezielles Projekt, das zudem zum normalen Arbeitsgeb­iet eines Ministerpr­äsidenten gehört.“Fraktionsk­ollegin Verena von Mutius bringt die politische­n Ansichten Seehofers ins Spiel, wenn es um ihr Nein geht: „Horst Seehofer hat in der Friedensst­adt Augsburg allein mit seiner Asylpoliti­k für viele Konflikte gesorgt und nicht für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­ng gesorgt.“

SPD-Fraktionsc­hef Freund interCSU-Politiker: pretiert das Abstimmung­sverhalten in den eigenen Reihen so: „Es ist doch klar, dass es in der SPD keinen Horst-Seehofer-Fanclub gibt.“AfD-Mann Bayerbach sagt: „Die Begründung für die Ernennung überzeugt mich nicht. Seehofer hat doch nur seinen Job als Ministerpr­äsident gemacht.“

Seehofer wird die Ehrenbürge­rwürde im nächsten Jahr erhalten. Aktuell gibt es vier lebende Ehrenbürge­r. Dazu gehören die beiden Alt-Oberbürger­meister Hans Breuer und Peter Menacher sowie der frühere FCA-Präsident Walther Seinsch und der Rabbiner Henry Brandt.

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