Heiligabend, fast ein normaler Arbeitstag
Gesellschaft In vielen Berufen muss an Weihnachten gearbeitet werden. Warum sich ein Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses freiwillig meldet, was eine Busfahrerin freut und wann am Christkindlesmarkt Schluss ist
Nachmittags wird es an Heiligabend ruhig in der Stadt. Die Hektik, die noch wenige Stunden zuvor herrschte, weicht einer ungewohnten Stille. Die meisten Menschen sitzen dann mit ihren Familien zusammen, um zu feiern. Manche aber müssen auch an Weihnachten arbeiten. Wir haben vier getroffen.
● Auf dem Christkindlesmarkt Für tausende Augsburger ist es an Heiligabend ein Ritual, den Einkaufsbummel mittags am Christkindlesmarkt ausklingen zu lassen. Bis um 14 Uhr haben die Stände geöffnet. Passanten zieht es dann heim, um letzte Vorkehrungen für den Abend zu treffen. Bei Händlern ist es anders. Viele Stände werden nach 14 Uhr geräumt. Das zieht sich hin. Es ist dunkel, wenn der Platz komplett geräumt ist. Eine, die seit 29 Jahren Erfahrung im Abbau hat, ist Jutta Böhm, die Pfannen und Pfannenbesteck verkauft: „Das Ganze hat sich bei uns sehr gut eingespielt, weil ich eine große Hilfe habe.“Sie deutet auf ihre 89-jährige Mutter Centa Böhm, die oft am Stand anzutreffen ist. Auch an Heiligabend. Der Plan steht: Ab 14.30 Uhr dürfen Autos in die Budenstraße fahren. Jutta Böhm holt zuvor den Transporter und überlässt letzte Kundengespräche ihrer Mutter. Nach Ende des Markts packen die Damen die Ware ein. Gegen 16 Uhr fährt die Mutter mit der Tram nach Göggingen, um das Weihnachtsessen vorzubereiten. Oft wollen unterdessen Händler, die den Stand geräumt haben, nach Hause. Bei anderen dauert es länger. Daher wird rangiert. Rein ins Auto, rausfahren, und dann wieder zurück zum Stand. So ist es bei Jutta Böhm, die nach ihren Worten zu den letzten Verkäufern gehört, die den Rathausplatz an Heiligabend verlassen: „Ich gehe davon aus, dass es wieder 19 Uhr sein wird.“In Göggingen warten Shrimps-Salat und Schlemmerbrötchen auf sie. Dass ihr Arbeitstag an Heiligabend so spät endet, stört die Pfannenverkäuferin nicht: „Ich freue mich auf das familiäre Fest. Aber natürlich auch darüber, dass es jetzt mit dem Verkauf vorbei ist.“
● Im Krankenhaus Samuel Wanninger findet, dass an Heiligabend eine besondere Stimmung herrscht. „Dann ist alles so ruhig.“Dass die Stimmung gut bleibt, darum kümmert sich der 37-Jährige in seiner Abteilung im Bezirkskrankenhaus. Der Leiter der Station E 1 für allgemeine psychiatrische Krisenintervention hat an Heiligabend Dienst – nicht zum ersten Mal. Aus Erfahrung weiß er, dass manche Patienten an diesem Tag besonders emotional sind.
„Wenn man an Weihnachten alleine ohne Familie im Krankenhaus sein muss, ist das sicherlich nicht einfach“, sagt er verständnisvoll. Zwar gehen manche der rund 20 Patienten über die Feiertage nach Hause, aber eben nicht alle. Für sie will Wanninger dann da sein. „Ich werde mit ihnen sprechen, vielleicht gibt es noch eine kleine Runde, in der ich eine Weihnachtsgeschichte vorlese.“
Gefeiert wurde bereits am Donnerstag, als noch alle Patienten da waren. Für jeden Einzelnen gab es eine kleine Geschenktüte, ein festliches Essen wurde serviert. Für den Augsburger ist es nicht schlimm, an Weihnachten zu arbeiten. „Ich mache die Dienstpläne und habe mich selbst eingeteilt“, sagt er. „Noch habe ich keine Kinder, da geht das schon.“Lieber sei ihm, gesteht Wanninger, dass er an Silvester arbeiten muss. Denn da trifft er sich gerne mit Freunden.
● Hinterm Bussteuer Für Petra Lippl ist es nicht der erste Einsatz hinterm Bussteuer an Heiligabend. Auch diesen Montag wird sie einen Bus der Stadtwerke durch die Stadt fahren. „Wenn man Busfahrer wird, weiß man, dass es einen auch an Feiertagen mit der Arbeit treffen kann“, nimmt sie den Einsatz gelassen. Bis 19 Uhr fahren die Stadtwerke nach Samstagsfahrplan, danach fahren die Nachtbuslinien als „Christkindles-Linien“bis Mitternacht. „Als ich das erste Mal an Heiligabend Bus gefahren bin, dachte ich vorher, ich fahre allein durch die Gegend, aber es ist recht viel los“, erzählt Lippl.
Ob die Fahrgäste an Heiligabend anders sind als sonst? „Die Leute, die das ganze Jahr über nett sind, sind es auch an Heiligabend“, sagt Lippl. Sie erinnert sich zum Beispiel an eine Oma, die mit dem Bus zur Bescherung bei Kindern und Enkeln fuhr, und ihr ein schön verpacktes Tütchen mit Plätzchen auf den Fahrersitz reichte. Und dann gebe es Fahrgäste, die den Fahrer das ganze Jahr über nicht anschauen. „Die machen das auch an Heiligabend nicht.“Ganz vereinzelt gebe es auch Passagiere, die so aussähen, als wüssten sie nicht, wohin sie an Heiligabend sollen. Die würden dann eine Runde mit dem Bus in die Stadt drehen – Hauptsache unter Leuten, irgendwie.
● Bei der Polizei Moritz Wiblishausers Schicht an Heiligabend geht offiziell von 12.30 bis abends um 19.30 Uhr, vielleicht schafft er es da noch zum Essen mit der Familie. Das wird nicht an ihm liegen, sondern daran, was so passiert. Wiblishauser ist Polizist, er arbeitet für den Krinicht minaldauerdienst, eine Art Bereitschaftsdienst der Kriminalpolizei. Oft sind die Beamten des „KDD“die ersten Kriminalisten am Tatort, übernehmen die Spurensicherung, führen erste Vernehmungen durch, und geben den Fall später an die jeweiligen Fachkommissariate ab.
Mal angenommen, gegen 18 Uhr gibt es einen Raubüberfall, eine schwere Brandstiftung, ein Tötungsdelikt: Eher unwahrscheinlich, dass das offizielle Dienstende dann noch besonders wichtig ist. Wie der Tag wird? Das könne man nicht prognostizieren, sagt Wiblishauser. „Mittlerweile ist Weihnachten auch nicht mehr so ruhig.“Es könne an dem Tag die Hölle los sein und dafür an Silvester erstaunlich entspannt. Die beiden Weihnachtsfeiertage jedenfalls hat Wiblishauser für Familienbesuche eingeplant. Das klappt – da hat er frei.