Jede Woche eine kleine Bescherung
Soziales Mit einem Team aus 58 Helfer versorgt Marianne Kowarschick bei der Königsbrunner Tafel fast 200 Kunden und ihre Familien. Was sich die Helfer wünschen und wie sich Lebensmittelskandale bemerkbar machen
Königsbrunn Marianne Kowarschick und ihre Helfer haben schon am Donnerstag die erste Weihnachtsfreude verbreitet. Für die Mitarbeiter der Königsbrunner Tafel ist die letzte Essensausgabe vor dem Fest immer etwas Besonderes. In diesem Jahr auch, weil die Ausgabestelle am Ulrichsplatz wegen der Feiertage ausnahmsweise eine Woche lang geschlossen ist. Normalerweise gibt es hier jeden Donnerstag Lebensmittel für Bedürftige. Und die Zahl derer, die sich dort versorgen, wird nicht kleiner. 196 Kunden versorgen sich und ihre Familien bei der Tafel. Um registriert zu werden, müssen sie die Bescheinigung der Grundsicherung vorlegen, einen Wohngeldbescheid oder einen Nachweis für Arbeitslosengeld II. Jeder Kunde darf sich nur bei einer Tafel versorgen, pro Erwachsenem bezahlen sie einen Euro für die Lebensmittel. 58 ehrenamtliche Helfer teilen sich die Arbeit, sagt Leiterin Marianne Kowarschick: „Die Zahl ist gut, damit können wir das ganze Jahr öffnen. Urlaub machen wir eigentlich gar nicht.“Wenn Feiertage auf einen Donnerstag fallen, wird die Ausgabe auf Mittwoch vorverlegt.
Die Tafeltage beginnen gegen 7.30 Uhr. Die Fahrer klappern mit ihren Lieferwagen die erste Runde Supermärkte ab und holen die Lebensmittelspenden. Ab 9 Uhr bauen die Helfer in den Räumen an der Kirche St. Ulrich die Tische auf, laden die Lieferwagen aus und legen die Waren bereit. Verteilt wird das Essen in zwei Gruppen, eine vormittags, eine nachmittags. Die Reihenfolge wird unter den Gruppenmitgliedern ausgelost: Marianne Kowarschick hat einen Beutel mit Garderobennummern, aus der jeder blind ziehen muss.
Die erste Ausgabe beginnt um 11 Uhr: „Aber manche Kunden stehen schon ab 9 Uhr vor der Tür.“Manche hoffen, dass sie dadurch bessere Chancen haben, die begehrte Nummer eins bei der Ausgabe zu ziehen. „Von manchen Lebensmitteln sind nur wenige Exemplare vorhanden. Aber die, die später an der Reihe sind, bekommen dafür etwas mehr von den übrigen Waren, damit es gerecht zugeht“, sagt Kowarschick. Doch die Tafeltermine sind auch ein Treffpunkt, viele nutzen die Gelegenheit für einen Ratsch untereinander oder mit den Helfern.
Gegen 15.30 Uhr ist auch die zweite Gruppe versorgt, alles aufgeräumt und wieder so hergerichtet, dass die Kleiderkammer, mit der sich die Tafel den Raum teilt, wieder übernehmen kann. 20 bis 25 Eh- renamtler sind so jeden Donnerstag im Einsatz. Zusätzliche Fahrer wünscht sich Marianne Kowarschick noch: Sie brauchen nur einen Führerschein und die nötige Kraft, um die Kisten ein- und auszuladen.
Viele Helfer sind im Rentenalter, die älteste Mitarbeiterin packt mit 80 Jahren noch beherzt mit an. Ein Aufzug in den Keller wäre daher ein großer Wunsch der Tafel-Leiterin oder wenigstens eine Überdachung für die Treppe, damit weniger Rutschgefahr besteht. Doch insgesamt seien die Räumlichkeiten gut geeignet. Die Zahl der Kunden sei gut zu bewältigen, nennenswerte Konflikte gebe es nicht.
Das war zu Zeiten des großen Zuzugs von Flüchtlingen etwas anders. Aus Sorge, dass nicht mehr alle versorgt werden können, gab es 2015 einen Aufnahmestopp. „Es war mitunter nicht leicht, den Leuten zu erklären, dass wir sie abweisen, weil wir nicht mehr genug Lebensmittel haben“, erinnert sich Luise Bockhardt, die das Büro der Tafel organisiert. Manche Menschen seien dann einfach nicht gegangen. Auf der anderen Seite gab es Stammkunden, die Probleme mit den vielen fremden Menschen hatten und befürchteten, selbst nicht mehr genug Lebensmittel zu erhalten, sagt Kowar- Doch die Lage habe sich schon lange wieder normalisiert.
84 Kunden und deren Familien sind ausländischer Herkunft, darunter sind auch Russen oder Türken, die schon länger hier leben. Viele Deutsche schämten sich für ihre Armut und kämen deshalb lange nicht zur Tafel, sagt Kowarschick: „Vielleicht ist das ein Grund, warum der Anteil an Flüchtlingen recht hoch ist. Die Helfer raten allen Bedürftigen herzukommen und sich nichts dabei zu denken. Manche halten es am Anfang für einen normalen Laden.“Die Fluktuation unter den Flüchtlingen sei hoch: „Anfangs waren es vor allem junge Männer, die sind jetzt entweder weitergezogen oder haben einen Job gefunden.“Seit 2017 mache sich der Familiennachzug bemerkbar, die Zahl der Kinder sei deutlich gestiegen.
Mittlerweile gibt es auch Flüchtlinge, die regelmäßig mitarbeiten. Das hilft manchmal auch, Sprachbarrieren zu überwinden, sagt Luise Bockhardt: „Wir gehen hin und wieder auch raus und fragen unter den Wartenden, ob jemand übersetzen kann. Gut ist es, wenn Kinder dabei sind. Die lernen in der Schule am besten Deutsch und können oft helfen.“So fand sich sogar ein Übersetzer für ein taubstummes Paar aus Armenien, sagt Kowarschick: „Der Mann konnte zwar Lippenlesen, aber halt nur Armenisch.“
Die Spendenbereitschaft für die Tafel ist quer durchs Jahr hoch, aber vor Weihnachten bemerke man einen Anstieg: „Ab Oktober denken viele verstärkt daran, anderen zu helfen“, so Kowarschick. Zu Weihnachten packen die Kinder des AWO-Kindergartens Päckchen für die Kinder der Tafelkunden. Für Jugendliche gibt es in diesem Jahr Kino-Bonusscheine und die Erwachsenen dürfen zusätzlich Kaffee und Kekse mitnehmen. Die Kirche und der Königsbrunner Hilfsfonds unterstützen die Tafel ganzjährig. Anfang Dezember gibt es meist eine Ausgabe mit etwas hochwertigeren Lebensmitteln: „Wenn unsere Kunden mit Wurst und etwas Süßem in der Tasche gehen, dann gehen sie glücklich“, sagt Kowarschick.
Grundsätzlich bekommen die Tafel-Mitarbeiter Ereignisse wie Festtage, aber auch Lebensmittelskandale hautnah mit. Nach Weihnachten und Ostern kämen immer Schoschick. ko-Nikoläuse oder -Osterhasen. Als öffentlich über Dioxin-Eier debattiert wurde, kamen plötzlich überdurchschnittlich viele Eier an, sagt Kowarschick: „Die waren völlig in Ordnung. Aber die Supermärkte wurden sie nicht los, also sind sie bei uns gelandet.“Ein Skandal um Lachs brachte den Tafelkunden sogar ungewohnte Genüsse: „Fisch bekommen wir sonst selten, da muss man schon Glück haben.“
Ob und welche Lebensmittel gespendet würden, hänge stark von den jeweiligen Marktleitern ab. Die Königsbrunner Tafel-Lebensmittel kommen aus der Stadt, aber auch aus Bobingen, Inningen und Haunstetten. Zu schaffen macht den Mitarbeitern nur, dass viele Lebensmittel nicht mehr gespendet werden, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten ist: „Milchprodukte sind da zum Beispiel noch völlig in Ordnung.“Doch manche Firmen hätten Angst vor Regressforderungen, obwohl die Tafelkunden alle einen Haftungsausschluss unterschreiben und die Helfer auf die Erkennung von verdorbenen Lebensmitteln geschult sind. Wenn Marianne Kowarschick und ihre Mitarbeiter einen Weihnachtswunsch haben dann diesen: Keine Angst mehr vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum.
Es gibt Flüchtlinge, die Essen holen. Und einige, die mitarbeiten.