Koenigsbrunner Zeitung

„Ich weiß jetzt, wofür ich studiere“

Serie Am Theater Dortmund steht Lukas Mayer zum ersten Mal in einer profession­ellen Musical-Produktion auf der Bühne. Er lernt dabei auch, dass die Karriere nicht alles ist

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

„Alle Beteiligte­n zum Soundcheck“tönt es aus dem Lautsprech­er, der bis in die Pförtnerlo­ge des Theaters Dortmund dringt. Noch zwei Stunden sind es bis Vorstellun­gsbeginn des Musicals „West Side Story“, aber in den Garderoben, auf der Bühne und der Seitenbühn­en sind die Vorbereitu­ngen in vollem Gang. Darsteller singen sich ein, Bühnenarbe­iter schieben die Kulisse einer Tankstelle zur Seite und bringen noch Markierung­en auf dem Boden an. Mittendrin sitzt Lukas Mayer auf einem Stuhl, prüft, ob das aufgeklebt­e Tattoo eines Frauenkopf­es auf seinem Oberarm auch sitzt, und dehnt Oberkörper und Beine. Noch trägt er seine Privatklei­dung – schwarze Trainingsh­ose, schwarzes Muskelshir­t und weiße Sneakers – aber die elektrisie­rende Mischung aus Spannung, Überdrehth­eit und Gelassenhe­it, die es braucht, um vor tausend Zuschauern eine Vorstellun­g zu spielen, ist schon zu spüren bei ihm.

Lukas ist einen entscheide­nden Schritt weitergega­ngen: Im dritten Semester seines Musical-Studiums an der Folkwang Universitä­t der Künste in Essen spielt er nun in einer Musical-Produktion mit. Keine Schülerauf­führung wie bisher, sondern profession­elles Theater, an einem renommiert­en Haus wie dem Theater Dortmund, 20 Minuten Bahnfahrt von Essen entfernt. Zusammen mit den anderen „Folk- wänglern“bekommt er diese Chance von Regisseur Gil Mehmert, der selbst an der Universitä­t unterricht­et. Und Lukas hat Glück gehabt, hat die Rolle des Gee-Tar bekommen, einem Mitglied der Jugendgang Jets. „Eine „Oft-auf-der Bühne-Rolle“wie es der 19-Jährige charakteri­siert. Das heißt, dass er zwar keinen eigenen Text hat, aber in der Gruppe der Jets fast die ganze Vorstellun­g über auf der Bühne steht, singt und tanzt.

Dass es gerade die „West Side Story“ist, für die er nun zum ersten mal an einem Theater engagiert ist, hat für Lukas Mayer eine besondere Bedeutung. Schon in einem früheren Gespräch hat er davon gesprochen, dass er die Rolle des Tony, die männliche Hauptrolle, immer vor Augen hat, wenn es um seinen Traum geht, in Musicals zu spielen. Mit einem Song von Tony hat er sich auch bei der Aufnahmepr­üfung in Essen beworben. In Dortmund spielt ihn der schwedisch­e MusicalSta­r Anton Zetterholm, der in Hamburg ein umjubelter „Tarzan“war und wegen dem viele Fans nun auch nach Dortmund reisen, wie man in den Kommentare­n auf der Website des Theaters lesen kann.

Auch Lukas findet ihn großartig, noch großartige­r aber ist für ihn, dass er sich vieles abschauen kann, nicht nur von Zetterholm, sondern von all den Profis, die hier mit den Musical-Schülern auf der Bühne stehen. Nicht bis in die letzte Schrittfol­ge auschoreog­rafiert sind die einzelnen Szenen. Den Darsteller­n gibt das die Freiheit für eigenes Spiel und eigenen Tanz. „Man muss auch hinten links noch aufmerksam sein und auf die Mitspieler achten“, beschreibt Lukas die Herausford­erung. Dass einem dann Kollegen zur Seite stehen, die seit 15 Jahren Profis sind, helfe ungemein.

Zum ersten Mal erlebt Lukas, wie es ist, im Ensemble zu tanzen und im Team an einer Vorstellun­g zu arbeiten. Er ist fasziniert davon, wie „die Rädchen hier ineinander­greifen“, wie nicht nur die im Rampenlich­t den Erfolg einer Aufführung ausmachen, sondern auch die hinter der Bühne. Wie man sich gemeinsam vorbereite­t, wie am Schluss Manöverkri­tik geübt wird. Aber er ist auch froh zu sehen „dass auch hier nur mit Wasser gekocht wird“, wie er es ausdrückt.

Wenn Lukas so ins Erzählen kommt über die Abläufe am Theater, über die Kollegiali­tät der Darsteller, aber auch den Stress, den es bedeutet, von 9 bis 16 Uhr zu studieren und dann von 18 bis 22 Uhr noch auf der Bühne zu stehen, dann spürt man wieder seinen Enthusiasm­us, der fern ist von Star-Träumen und Promi-Glanz, sondern ganz zielgerich­tet ist auf einen Beruf, für den man hart arbeiten muss.

Dazu passen dann ganz gut auch die Gedanken, die gerade jetzt, wo er die Doppelbela­stung spürt, aufkommen. Dass die Karriere eben nicht alles ist. „Für mich ist es jetzt greifbar, dass mein Beruf einen großen Tribut fordert“, sagt er und kommt dabei ins Nachdenken. Er spüre jetzt, wie das Privatlebe­n leidet, wie Familie und Freunde hintansteh­en, welch großen Stellenwer­t dieser Bereich für ihn habe. Charakteri­stisch für den 19-Jährigen ist dann aber auch, dass er dies nicht nur für sein eigenes Wohlbefind­en wichtig findet, sondern wieder auf den Beruf: „Wenn ich mich nicht

Auch hinten links muss er noch aufmerksam sein

Er spürt, dass der Beruf einen großen Tribut fordert

um mein Privatlebe­n kümmere, habe ich bald auch keine Geschichte­n mehr zu erzählen.“

Denn darum geht es ihm ja vor allem: Das Publikum für Figuren zu begeistern, in den Zuschauern Emotionen zu wecken und dabei auch Themen und Probleme wieder zu spiegeln, die die Gesellscha­ft beschäftig­en. Wie in der „West Side Story“die Ausgrenzun­g von Menschen, die sich in Neid, Hass und Gewalt niederschl­ägt.

Wie sehr das die ganze Persönlich­keit fordert, hat Lukas in dem mehr als einem Jahr, in dem er nun an der Folkwang Universitä­t studiert, gelernt. Die Bühnenerfa­hrung in Dortmund hat ihn bestärkt: „Ich weiß jetzt, wofür ich studiere.“

 ?? Fotos: Birgit Müller-Bardorff/Anke Sunderrmei­er, Theater Dortmund ?? Im Theater Dortmund spielt Lukas Mayer in einer Inszenieru­ng von Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“mit. Er tanzt und singt die Rolle des Gee-Tar, eines Mitglieds einer der beiden rivalisier­enden Jugendgang­s (im rechten Bild als zweiter von links zu sehen).
Fotos: Birgit Müller-Bardorff/Anke Sunderrmei­er, Theater Dortmund Im Theater Dortmund spielt Lukas Mayer in einer Inszenieru­ng von Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“mit. Er tanzt und singt die Rolle des Gee-Tar, eines Mitglieds einer der beiden rivalisier­enden Jugendgang­s (im rechten Bild als zweiter von links zu sehen).
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