„Nächstes Jahr werden wir hoffentlich Welterbe“
Jahresgespräch Oberbürgermeister Kurt Gribl äußert sich zu den Perspektiven einer Stadt, die nicht nur in Sachen Wohnraum vor Herausforderungen steht. Der Politiker sagt, wie Bürgerproteste bei ihm ankommen und was ihn stört
Zum anstehenden Jahreswechsel zieht Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) im Gespräch mit unserer Zeitung Bilanz. Es geht um die Wohnungssituation in Augsburg, die Bürgerbeteiligung vor Ort und um die Perspektiven der heimischen Wirtschaft, aus der es zuletzt einige Hiobsbotschaften gab.
Wohnen
Es ist eines der Themen, die den Bürgern am Herzen liegen: Günstige Wohnungen in Augsburg zu finden, wird zu einer großen Herausforderung. Die Wohnbaugruppe wird wie berichtet bis 2020 rund 340 Wohnungen fertiggestellt haben – das liegt unter der Zielvorgabe der Stadt. Ausgegeben war das Ziel, insgesamt 600 Wohnungen in den Jahren von 2014 bis 2020 zu bauen. OB Gribl bestreitet dies nicht: „Das ist richtig, aber wenn man sich das Jahr 2020 anschaut, muss man auch im Blick haben, wie viele Wohnungen dann im Bau sein werden. Zwei Jahre später werden wir eine Übererfüllung des Solls haben. Es ist nicht so, dass man Wohnungen baut, als ob man zum Metzger geht und sich die Salami runterschneiden lässt. Da muss man grundstücks-, planungsund genehmigungsrechtliche Verfahren in Gang bringen. Ausschreibungen, Finanzierungen ...“
Man müsse schauen, über einen mittelfristigen Zeitraum eine Linie einzuhalten: „Wir haben für die WBG mehr Grundstücke verfügbar gemacht, als wir förderrechtlich gleichzeitig verarbeiten können. Ich bin ganz beruhigt, weil ich weiß, dass dieses Programm sicher abgewickelt werden kann. Ob das Zeigerchen immer exakt auf 100 Wohnungen zu jedem Zeitpunkt steht, ist nicht so wichtig, weil ich weiß, dass die Abstände gering sind.“
Gribl sieht insgesamt eine gute Entwicklung, wie er betont: „Ich glaube, dass wir eine beständige Entwicklung haben: Textilviertel, Martini-Park, jetzt kommen ZeunaStärker, Cema und das Dehner-Gelände. Das sind alles Baugebiete in der Größenordnung von etwa 120 bis 350 Wohnungen, Zeuna-Stärker hat 600. Die decken nicht den Bedarf, um den Wohnungsmarkt zu befriedigen, aber ich glaube, dass mehr gar nicht leistbar ist. Wer soll es denn bauen?“Der CSU-Politiker verweist auf die Zusammenhänge: Selbst wenn man das Geld hinlegen würde, funktioniere es nicht, weil man die Aufträge nicht abgearbeitet bekomme.
Heiß diskutiert wird eine Quote beim geförderten Wohnraum. Dazu sagt Gribl: „Ich glaube, dass wir bei Haunstetten Südwest drüber nachdenken müssen. Bei anderen Baugebieten, die ja auch kleiner sind und bei denen eine Quote weniger Effekt hat, muss man das eher situationsgebunden mit den jeweiligen Bauwerbern klären und gute Gestaltungen finden. Der Anteil sollte zwischen 20 und 40 Prozent liegen. Das können die 30 Prozent sein, aber sie festzuschreiben, ist schwierig.“
Eines ist dem Oberbürgermeister wichtig: „Mir geht es auch um die Frage, dass wir Wohnungsbau für alle leisten. Es kann nicht nur die Botschaft definiert werden, dass es in Augsburg nur sozialen Wohnungsbau geben darf.“
Bürgerbeteiligung
Das politische Jahr war ein Jahr, in dem sich Bürger lautstark zu Wort meldeten. Die Baumfällungen am Herrenbach lösten massive Proteste aus. Die Lärmbelästigungen am Elias-Holl-Platz zu später Stunde erregten Anwohner massiv. Sie gingen auf die Barrikaden.
Oberbürgermeister Gribl betont, dass er kein Gegner von Bürgerbeteiligung ist: „Sie kann aber nicht den Zweck haben, die Entscheidung des Stadtrats zu ersetzen.“Einschätzungen von Bürgern seien jedoch wichtig, um eigenes Verhalten und Agieren zu überprüfen. Der Holl-Platz sei das passende Beispiel.
„Herrenbach ist ein ganz anderer Fall“, sagt Gribl. Die Entscheidung der Stadt, Bäume fällen zu lassen, sei aus einer Gefahrensituation heraus entstanden: „Gefahrensituationen lassen keine großen Spielräume zu.“Dazu stehe er nach wie vor. Das Problem habe darin gelegen, diese Konstellation begreifbar zu machen. Das sei nun deshalb schwierig gewesen, „weil die Bäume immer schon da waren“. Dass ein zweites Gutachten zu einem anderen Ergebnis über die Zahl der zu fällenden Bäume gekommen sei, erklärt Gribl wie folgt: „Natürlich hätte man die Begutachtung hinterher auch in den Jahren zuvor in der notwendigen Differenzierung machen können.“Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Fällungen habe es übereinstimmende Aussagen von Fachbehörden gegeben.
Persönliche Angriffe gegen seine Person habe er in seinem politischen Leben bislang nicht erleben müssen, sagt Gribl auf eine andere Frage, die sich mit der Form von massiven Bürgerprotesten befasst: „Mich befremdet aber die Aggressivität, die es in den sozialen Foren gibt.“Gribl spricht von Rücksichtslosigkeit und Respektlosigkeit.
Wirtschaft
Der Lampenhersteller Ledvance hat das Werk in Augsburg geschlossen, der IT-Konzern Fujitsu will den Standort Augsburg bis Herbst 2020 aufgeben, beim Roboterbauer Kuka herrscht aufgrund von personellen Veränderungen Unruhe in der Belegschaft.
Für OB Gribl sind dies keine erfreulichen Entwicklungen. Er sagt aber auch: „Zunächst glaube ich nicht, dass der Wirtschaftsraum Augsburg schlecht aufgestellt ist. Aber er unterliegt den Risiken wie jeder andere Wirtschaftsraum, dass wir konjunkturelle Probleme bekommen können.“Das wirke sich dann womöglich auch intensiver aus.
Noch befinde man sich in einer Hochkonjunkturphase: „Es gibt das eine oder andere Signal, dass es eine Eintrübung geben könnte.“Es sei aber auch gelungen, in den zurückliegenden Jahren in mittelständischen Strukturen neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Ausblick
Und was bringt das Jahr 2019? Gribl denkt sofort an den Jahresbeginn: „Ich hofft, dass wir gut starten mit dem Trägerwechsel zur Universitätsklinik.“Aber dies werde gut gehen, prophezeit er: „Und zwar von der ersten Sekunde an.“Der Freistaat übernimmt die Trägerschaft.
Als „Impuls“für die Entwicklung der Stadt bezeichnet der Rathauschef die Eröffnung der Brechtbühne im Gaswerk. Hier nimmt das Theater die neue Interimsspielstätte in Betrieb. Gribl verspricht sich aber nicht nur wegen des Theaters einen positiven Schub für das Areal in Oberhausen. Auch das Jugendfestival Modular werde künftig hier beheimatet sein. Beim Theater stehe die Sanierung des Großen Hauses an, die sich allerdings über Jahre hinziehen werde. Und wird Augsburg im Jahr 2019 wegen seiner historischen Wasserwirtschaft als Welterbe aufgenommen? Dazu sagt Gribl: „Nächstes Jahr werden wir hoffenlich Welterbe. Aber Garantien dafür hat man natürlich nie.“