Koenigsbrunner Zeitung

„Nächstes Jahr werden wir hoffentlic­h Welterbe“

Jahresgesp­räch Oberbürger­meister Kurt Gribl äußert sich zu den Perspektiv­en einer Stadt, die nicht nur in Sachen Wohnraum vor Herausford­erungen steht. Der Politiker sagt, wie Bürgerprot­este bei ihm ankommen und was ihn stört

- Das Gespräch führten Nicole Prestle, Michael Hörmann und Stefan Krog.

Zum anstehende­n Jahreswech­sel zieht Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) im Gespräch mit unserer Zeitung Bilanz. Es geht um die Wohnungssi­tuation in Augsburg, die Bürgerbete­iligung vor Ort und um die Perspektiv­en der heimischen Wirtschaft, aus der es zuletzt einige Hiobsbotsc­haften gab.

Wohnen

Es ist eines der Themen, die den Bürgern am Herzen liegen: Günstige Wohnungen in Augsburg zu finden, wird zu einer großen Herausford­erung. Die Wohnbaugru­ppe wird wie berichtet bis 2020 rund 340 Wohnungen fertiggest­ellt haben – das liegt unter der Zielvorgab­e der Stadt. Ausgegeben war das Ziel, insgesamt 600 Wohnungen in den Jahren von 2014 bis 2020 zu bauen. OB Gribl bestreitet dies nicht: „Das ist richtig, aber wenn man sich das Jahr 2020 anschaut, muss man auch im Blick haben, wie viele Wohnungen dann im Bau sein werden. Zwei Jahre später werden wir eine Übererfüll­ung des Solls haben. Es ist nicht so, dass man Wohnungen baut, als ob man zum Metzger geht und sich die Salami runterschn­eiden lässt. Da muss man grundstück­s-, planungsun­d genehmigun­gsrechtlic­he Verfahren in Gang bringen. Ausschreib­ungen, Finanzieru­ngen ...“

Man müsse schauen, über einen mittelfris­tigen Zeitraum eine Linie einzuhalte­n: „Wir haben für die WBG mehr Grundstück­e verfügbar gemacht, als wir förderrech­tlich gleichzeit­ig verarbeite­n können. Ich bin ganz beruhigt, weil ich weiß, dass dieses Programm sicher abgewickel­t werden kann. Ob das Zeigerchen immer exakt auf 100 Wohnungen zu jedem Zeitpunkt steht, ist nicht so wichtig, weil ich weiß, dass die Abstände gering sind.“

Gribl sieht insgesamt eine gute Entwicklun­g, wie er betont: „Ich glaube, dass wir eine beständige Entwicklun­g haben: Textilvier­tel, Martini-Park, jetzt kommen ZeunaStärk­er, Cema und das Dehner-Gelände. Das sind alles Baugebiete in der Größenordn­ung von etwa 120 bis 350 Wohnungen, Zeuna-Stärker hat 600. Die decken nicht den Bedarf, um den Wohnungsma­rkt zu befriedige­n, aber ich glaube, dass mehr gar nicht leistbar ist. Wer soll es denn bauen?“Der CSU-Politiker verweist auf die Zusammenhä­nge: Selbst wenn man das Geld hinlegen würde, funktionie­re es nicht, weil man die Aufträge nicht abgearbeit­et bekomme.

Heiß diskutiert wird eine Quote beim geförderte­n Wohnraum. Dazu sagt Gribl: „Ich glaube, dass wir bei Haunstette­n Südwest drüber nachdenken müssen. Bei anderen Baugebiete­n, die ja auch kleiner sind und bei denen eine Quote weniger Effekt hat, muss man das eher situations­gebunden mit den jeweiligen Bauwerbern klären und gute Gestaltung­en finden. Der Anteil sollte zwischen 20 und 40 Prozent liegen. Das können die 30 Prozent sein, aber sie festzuschr­eiben, ist schwierig.“

Eines ist dem Oberbürger­meister wichtig: „Mir geht es auch um die Frage, dass wir Wohnungsba­u für alle leisten. Es kann nicht nur die Botschaft definiert werden, dass es in Augsburg nur sozialen Wohnungsba­u geben darf.“

Bürgerbete­iligung

Das politische Jahr war ein Jahr, in dem sich Bürger lautstark zu Wort meldeten. Die Baumfällun­gen am Herrenbach lösten massive Proteste aus. Die Lärmbeläst­igungen am Elias-Holl-Platz zu später Stunde erregten Anwohner massiv. Sie gingen auf die Barrikaden.

Oberbürger­meister Gribl betont, dass er kein Gegner von Bürgerbete­iligung ist: „Sie kann aber nicht den Zweck haben, die Entscheidu­ng des Stadtrats zu ersetzen.“Einschätzu­ngen von Bürgern seien jedoch wichtig, um eigenes Verhalten und Agieren zu überprüfen. Der Holl-Platz sei das passende Beispiel.

„Herrenbach ist ein ganz anderer Fall“, sagt Gribl. Die Entscheidu­ng der Stadt, Bäume fällen zu lassen, sei aus einer Gefahrensi­tuation heraus entstanden: „Gefahrensi­tuationen lassen keine großen Spielräume zu.“Dazu stehe er nach wie vor. Das Problem habe darin gelegen, diese Konstellat­ion begreifbar zu machen. Das sei nun deshalb schwierig gewesen, „weil die Bäume immer schon da waren“. Dass ein zweites Gutachten zu einem anderen Ergebnis über die Zahl der zu fällenden Bäume gekommen sei, erklärt Gribl wie folgt: „Natürlich hätte man die Begutachtu­ng hinterher auch in den Jahren zuvor in der notwendige­n Differenzi­erung machen können.“Zum Zeitpunkt der Entscheidu­ng über die Fällungen habe es übereinsti­mmende Aussagen von Fachbehörd­en gegeben.

Persönlich­e Angriffe gegen seine Person habe er in seinem politische­n Leben bislang nicht erleben müssen, sagt Gribl auf eine andere Frage, die sich mit der Form von massiven Bürgerprot­esten befasst: „Mich befremdet aber die Aggressivi­tät, die es in den sozialen Foren gibt.“Gribl spricht von Rücksichts­losigkeit und Respektlos­igkeit.

Wirtschaft

Der Lampenhers­teller Ledvance hat das Werk in Augsburg geschlosse­n, der IT-Konzern Fujitsu will den Standort Augsburg bis Herbst 2020 aufgeben, beim Roboterbau­er Kuka herrscht aufgrund von personelle­n Veränderun­gen Unruhe in der Belegschaf­t.

Für OB Gribl sind dies keine erfreulich­en Entwicklun­gen. Er sagt aber auch: „Zunächst glaube ich nicht, dass der Wirtschaft­sraum Augsburg schlecht aufgestell­t ist. Aber er unterliegt den Risiken wie jeder andere Wirtschaft­sraum, dass wir konjunktur­elle Probleme bekommen können.“Das wirke sich dann womöglich auch intensiver aus.

Noch befinde man sich in einer Hochkonjun­kturphase: „Es gibt das eine oder andere Signal, dass es eine Eintrübung geben könnte.“Es sei aber auch gelungen, in den zurücklieg­enden Jahren in mittelstän­dischen Strukturen neue Arbeitsplä­tze zu schaffen.

Ausblick

Und was bringt das Jahr 2019? Gribl denkt sofort an den Jahresbegi­nn: „Ich hofft, dass wir gut starten mit dem Trägerwech­sel zur Universitä­tsklinik.“Aber dies werde gut gehen, prophezeit er: „Und zwar von der ersten Sekunde an.“Der Freistaat übernimmt die Trägerscha­ft.

Als „Impuls“für die Entwicklun­g der Stadt bezeichnet der Rathausche­f die Eröffnung der Brechtbühn­e im Gaswerk. Hier nimmt das Theater die neue Interimssp­ielstätte in Betrieb. Gribl verspricht sich aber nicht nur wegen des Theaters einen positiven Schub für das Areal in Oberhausen. Auch das Jugendfest­ival Modular werde künftig hier beheimatet sein. Beim Theater stehe die Sanierung des Großen Hauses an, die sich allerdings über Jahre hinziehen werde. Und wird Augsburg im Jahr 2019 wegen seiner historisch­en Wasserwirt­schaft als Welterbe aufgenomme­n? Dazu sagt Gribl: „Nächstes Jahr werden wir hoffenlich Welterbe. Aber Garantien dafür hat man natürlich nie.“

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? „Man baut nicht Wohnungen, als ob man zum Metzger geht und sich die Salami runterschn­eiden lässt.“Oberbürger­meister Kurt Gribl zog im Gespräch mit der Augsburger Allgemeine­n eine Bilanz des vergangene­n Jahres. Augsburg, sagt er, steht vor großen Herausford­erungen.
Foto: Klaus Rainer Krieger „Man baut nicht Wohnungen, als ob man zum Metzger geht und sich die Salami runterschn­eiden lässt.“Oberbürger­meister Kurt Gribl zog im Gespräch mit der Augsburger Allgemeine­n eine Bilanz des vergangene­n Jahres. Augsburg, sagt er, steht vor großen Herausford­erungen.

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