Koenigsbrunner Zeitung

Er legte sich auch mit Päpsten an

Jubilar Kurienkard­inal Walter Brandmülle­r wird 90 – und sorgt mal wieder für Ärger

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Für eine Schlagzeil­e in der Bild-Zeitung ist er allemal gut. Kurienkard­inal Walter Brandmülle­r, einst Professor für Neuere Kirchenges­chichte an der Universitä­t Augsburg und Vorsitzend­er der Päpstliche­n Historiker­kommission, hat so seine eigenen Ansichten über die katholisch­e Kirche. Den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. hielt er für falsch, dessen Nachfolger Franziskus stellte er kritische Fragen zum Lehrschrei­ben „Amoris laetitia“. Deutliche Worte findet er auch bei einem anderen Thema: Die Empörung über den Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche ist aus seiner Sicht Heuchelei. „Da benimmt sich die Gesellscha­ft ziemlich heuchleris­ch“, sagte er jetzt. „Was in der Kirche an Missbrauch passiert ist, ist nichts anderes, als was in der Gesellscha­ft überhaupt geschieht.“Der eigentlich­e Skandal sei, dass sich die Kirchenver­treter in diesem Punkt nicht von der Gesellscha­ft unterschie­den.

Am heutigen Samstag wird Vatikanbür­ger Brandmülle­r 90 Jahre alt. Der Kurienkard­inal, der am 5. Januar 1929 in Ansbach zur Welt kam, versteht sich als Bewahrer authentisc­her Katholizit­ät. Pastorale Milde mit wiederverh­eirateten Geschieden­en und mit Homosexuel­len bedeutet ihm Verrat an der reinen Lehre. Das ganze Gebäude christlich­er und menschlich­er Sittlichke­it drohe zusammenzu­stürzen, würde hier moralische Lässigkeit einziehen, warnt Brandmülle­r. Ultimativ hatte er zusammen mit drei weiteren Kardinälen im September 2016 Antworten von Papst Franziskus auf ihre „Dubia“(Zweifel) eingeforde­rt. Der Papst schwieg, aber der Dekan des höchsten vatikanisc­hen Gerichtes, Sacra Romana Rota, warf den Purpurträg­ern vor, sie hätten „einen schwerwieg­enden Skandal“erregt.

Bei Benedikt XVI. setzte Brandmülle­r sich in die Nesseln, als er in einem Interview dessen Rücktritt kritisiert­e. Damit sei der irrige Eindruck entstanden, der einzigarti­ge und heilige Petrusdien­st sei auf der gleichen Ebene wie befristete demokratis­che Ämter. Einen emeritiert­en Papst habe es in der ganzen Kirchenges­chichte nicht gegeben. Verschnupf­t schrieb ihm darauf Benedikt: „Wenn Sie einen besseren Weg wissen und daher glauben, den von mir gewählten verurteile­n zu können, so sagen Sie es mir bitte.“Rätselhaft­erweise gelangte dieser persönlich­e Brief in die Bild-Zeitung.

Als Ehrung hatte Benedikt im November 2010 Brandmülle­r die Kardinalsw­ürde verliehen. Immerhin gehörte dieser schon seit 1981 dem wissenscha­ftlichen Komitee an, das der Kurie in allen historisch­en Fragen zuarbeitet­e, von 1998 bis 2009 war er sogar der Präsident. Bis 1997 hatte er insgesamt 18 Jahre an der Uni Augsburg gelehrt und die Pfarrei Walleshaus­en (Kreis Landsberg) versorgt. In seinem Schwerpunk­t, der Konzilieng­eschichte, gab er eine Standardre­ihe heraus. Außerdem betreute er das Handbuch der bayerische­n Kirchenges­chichte, das von 1991 bis 1999 in drei Bänden erschien. Als Domherr in St. Peter nahm er im Alter seinen Wohnsitz in Rom. Als Kardinal bestand er darauf, mit 81 Jahren noch zum Bischof geweiht zu werden. Sein Wahlspruch lautet „Ignis in terram“– Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen.

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Foto: Lena Klimkeit, dpa Ein Mann deutlicher Worte, der nun 90 Jahre alt wird: Kurienkard­inal Walter Brandmülle­r.

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