Städte können nicht unendlich wachsen
Mit mehr Einwohnern bekommt Augsburg mehr Gewicht, doch gleichzeitig haben die Stadt und deren Bewohner auch mehr Lasten zu tragen. Die Wohnungssituation ist nur ein Beispiel
Augsburg wächst, und das ist grundsätzlich nicht schlecht. Die Bedeutung von Städten zum Beispiel bei der Berücksichtigung in der Landesentwicklung nimmt mit deren Einwohnerzahl zu – eine Stadt mit 300 000 Einwohnern hat mehr Gewicht als eine mit 200 000.
Es gibt Landstriche in Deutschland, die künftig mit Abwanderung und Bevölkerungsschwund zu kämpfen haben werden. Das betrifft vor allem das flache Land, aber vereinzelt auch Großstädte im Ruhrgebiet. Sie müssen versuchen, diese Schrumpfung zu gestalten.
Das gleiche gilt aber fürs Wachstum. Das Erreichen der 300 000erMarke ist nicht nur ein Grund zum Feiern. Zunehmend werden die Schattenseiten des Wachstums deutlich: Der Wohnungsmarkt in Augsburg ist wie in ganz Süddeutschland heißgelaufen. Der Bevölkerungszustrom ist nicht der einzige Grund, aber er trägt dazu bei. Der Wohnungsbau hielt in Augsburg mit dem jahrelangen Wachstum der Bevölkerung nicht Schritt. Es gibt zu wenig Wohnungen, es gibt zu viele teure Wohnungen, und das Ergebnis ist, dass sich immer mehr Menschen schwertun, eine Bleibe zu finden. Es geht nicht nur darum, dass die Miete einen größeren Teil des Einkommens frisst (bis dazu hin, dass man sie sich nicht mehr leisten kann).
Vermieter haben eine große Auswahl an Bewerbern und verständlicherweise suchen sie sich die aus, von denen keine Probleme zu erwarten sind. Wer als Erster hinten runterfällt, sind Geringverdiener, Menschen mit offensichtlichen Problemen und Alleinerziehende. Es braucht nicht nur mehr Wohnungen (wie sie unter anderem in Haunstetten-Südwest entstehen werden), sondern es braucht mehr bezahlbare Wohnungen. Hier sind Bund, Land und Kommunen gefordert.
Doch die Wohnungen sind nur ein Teil der Wachstumsthematik. Die Suche nach einem Kindergartenplatz ist für Eltern in den vergangenen Jahren beschwerlicher geland worden. Die Stadt setzt nun teils auf Modulbauten, um die Versorgung der geburtenstärkeren Jahrgänge sicherzustellen. Die Problematik wird sich in ein paar Jahren bei den Schulen fortsetzen.
Das nächste Thema ist die Mobilität: Mehr Menschen erzeugen mehr Verkehr. Zusammen mit der steigenden Pkw-Dichte hat das Bevölkerungswachstum dazu beigetragen, dass die Straßen voller sind. Auf die Stadt warten viele Aufgaben.
Die wohl größte Herausforderung wird aber eine andere sein: Das Wachstum der vergangenen Jahre speiste sich vor allem durch den Zuzug an Ausländern. Ein Teil der Flüchtlinge, die 2015 und danach kamen, zählt inzwischen in der Einwohnerstatistik. Und eine konstante Größe ist der Zuzug an EUAusländern, vor allem aus Osteuropa. Der Arbeitsmarkt in Deutsch- ruft nach ihnen. In den vergangenen Wochen hat man, wenn man ein Weihnachtspäckchen vom Paketdienst entgegennahm, womöglich die Bekanntschaft mit einem Neu-Augsburger aus dem EUAusland gemacht.
Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in Augsburg ist heute schon hoch. Das Zusammenleben kann gut gelingen – das zeigt die Lebenswirklichkeit in Augsburg. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass es Probleme gibt, etwa bei den Deutschkenntnissen von Schulkindern. Es wird weiterhin nötig sein, Integrationsangebote zu machen, und es darf erwartet werden, dass es einen Willen gibt, diese anzunehmen.
Doch es gibt auch die andere Seite: In den vergangenen Jahren sind in der boomenden Konjunktur auch in Augsburg hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstanden (leider sind zuletzt auch wieder welche verschwunden und werden verschwinden), die Neubürger von außerhalb angezogen haben. Uni-Klinik und Innovationspark werden diese Entwicklung fortsetzen. Die Neubürger, das zeigt auch eine Umfrage des Statistikamtes unter den jährlich etwa 20 000 Zuzüglern, sind gut gebildet.
Und es sind zuletzt zunehmend Münchner nach Augsburg gezogen, die vor den dortigen Wohnpreisen fliehen. Es handelt sich noch um keine Massenbewegung, aber diese Klientel ist ganz andere Wohnpreise gewohnt und zuckt bei einer Quadratmetermiete von 14 Euro, in Augsburg das obere Ende der Skala, nicht erst zusammen. Von den Augsburger Neubau-Wohnungen, die im Jahr 2016 erstmals bezogen wurden, wurden immerhin 12,9 Prozent von Münchnern bezogen, das ergibt eine Auswertung der städtischen Statistiker.
Die Größe einer Stadt – das zeigt gerade der unter dem Zuzug immer stärker ächzende Großraum München – ist kein Wert an sich. Und vielleicht noch wichtiger, als nur auf die Zahlen zu schauen, ist ein Blick auf die Zusammensetzung der Neubürger. Bevölkerungswachstum bedeutet nicht einfach nur, dass wir mehr werden – es bedeutet auch, dass sich das „Wir“in Augsburg künftig anders definieren wird.
Mit dem Zuzug ändert sich auch die Bewohnerstruktur