Koenigsbrunner Zeitung

Städte können nicht unendlich wachsen

Mit mehr Einwohnern bekommt Augsburg mehr Gewicht, doch gleichzeit­ig haben die Stadt und deren Bewohner auch mehr Lasten zu tragen. Die Wohnungssi­tuation ist nur ein Beispiel

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Augsburg wächst, und das ist grundsätzl­ich nicht schlecht. Die Bedeutung von Städten zum Beispiel bei der Berücksich­tigung in der Landesentw­icklung nimmt mit deren Einwohnerz­ahl zu – eine Stadt mit 300 000 Einwohnern hat mehr Gewicht als eine mit 200 000.

Es gibt Landstrich­e in Deutschlan­d, die künftig mit Abwanderun­g und Bevölkerun­gsschwund zu kämpfen haben werden. Das betrifft vor allem das flache Land, aber vereinzelt auch Großstädte im Ruhrgebiet. Sie müssen versuchen, diese Schrumpfun­g zu gestalten.

Das gleiche gilt aber fürs Wachstum. Das Erreichen der 300 000erMarke ist nicht nur ein Grund zum Feiern. Zunehmend werden die Schattense­iten des Wachstums deutlich: Der Wohnungsma­rkt in Augsburg ist wie in ganz Süddeutsch­land heißgelauf­en. Der Bevölkerun­gszustrom ist nicht der einzige Grund, aber er trägt dazu bei. Der Wohnungsba­u hielt in Augsburg mit dem jahrelange­n Wachstum der Bevölkerun­g nicht Schritt. Es gibt zu wenig Wohnungen, es gibt zu viele teure Wohnungen, und das Ergebnis ist, dass sich immer mehr Menschen schwertun, eine Bleibe zu finden. Es geht nicht nur darum, dass die Miete einen größeren Teil des Einkommens frisst (bis dazu hin, dass man sie sich nicht mehr leisten kann).

Vermieter haben eine große Auswahl an Bewerbern und verständli­cherweise suchen sie sich die aus, von denen keine Probleme zu erwarten sind. Wer als Erster hinten runterfäll­t, sind Geringverd­iener, Menschen mit offensicht­lichen Problemen und Alleinerzi­ehende. Es braucht nicht nur mehr Wohnungen (wie sie unter anderem in Haunstette­n-Südwest entstehen werden), sondern es braucht mehr bezahlbare Wohnungen. Hier sind Bund, Land und Kommunen gefordert.

Doch die Wohnungen sind nur ein Teil der Wachstumst­hematik. Die Suche nach einem Kindergart­enplatz ist für Eltern in den vergangene­n Jahren beschwerli­cher geland worden. Die Stadt setzt nun teils auf Modulbaute­n, um die Versorgung der geburtenst­ärkeren Jahrgänge sicherzust­ellen. Die Problemati­k wird sich in ein paar Jahren bei den Schulen fortsetzen.

Das nächste Thema ist die Mobilität: Mehr Menschen erzeugen mehr Verkehr. Zusammen mit der steigenden Pkw-Dichte hat das Bevölkerun­gswachstum dazu beigetrage­n, dass die Straßen voller sind. Auf die Stadt warten viele Aufgaben.

Die wohl größte Herausford­erung wird aber eine andere sein: Das Wachstum der vergangene­n Jahre speiste sich vor allem durch den Zuzug an Ausländern. Ein Teil der Flüchtling­e, die 2015 und danach kamen, zählt inzwischen in der Einwohners­tatistik. Und eine konstante Größe ist der Zuzug an EUAuslände­rn, vor allem aus Osteuropa. Der Arbeitsmar­kt in Deutsch- ruft nach ihnen. In den vergangene­n Wochen hat man, wenn man ein Weihnachts­päckchen vom Paketdiens­t entgegenna­hm, womöglich die Bekanntsch­aft mit einem Neu-Augsburger aus dem EUAusland gemacht.

Der Anteil an Menschen mit Migrations­hintergrun­d in Augsburg ist heute schon hoch. Das Zusammenle­ben kann gut gelingen – das zeigt die Lebenswirk­lichkeit in Augsburg. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass es Probleme gibt, etwa bei den Deutschken­ntnissen von Schulkinde­rn. Es wird weiterhin nötig sein, Integratio­nsangebote zu machen, und es darf erwartet werden, dass es einen Willen gibt, diese anzunehmen.

Doch es gibt auch die andere Seite: In den vergangene­n Jahren sind in der boomenden Konjunktur auch in Augsburg hoch qualifizie­rte Arbeitsplä­tze entstanden (leider sind zuletzt auch wieder welche verschwund­en und werden verschwind­en), die Neubürger von außerhalb angezogen haben. Uni-Klinik und Innovation­spark werden diese Entwicklun­g fortsetzen. Die Neubürger, das zeigt auch eine Umfrage des Statistika­mtes unter den jährlich etwa 20 000 Zuzüglern, sind gut gebildet.

Und es sind zuletzt zunehmend Münchner nach Augsburg gezogen, die vor den dortigen Wohnpreise­n fliehen. Es handelt sich noch um keine Massenbewe­gung, aber diese Klientel ist ganz andere Wohnpreise gewohnt und zuckt bei einer Quadratmet­ermiete von 14 Euro, in Augsburg das obere Ende der Skala, nicht erst zusammen. Von den Augsburger Neubau-Wohnungen, die im Jahr 2016 erstmals bezogen wurden, wurden immerhin 12,9 Prozent von Münchnern bezogen, das ergibt eine Auswertung der städtische­n Statistike­r.

Die Größe einer Stadt – das zeigt gerade der unter dem Zuzug immer stärker ächzende Großraum München – ist kein Wert an sich. Und vielleicht noch wichtiger, als nur auf die Zahlen zu schauen, ist ein Blick auf die Zusammense­tzung der Neubürger. Bevölkerun­gswachstum bedeutet nicht einfach nur, dass wir mehr werden – es bedeutet auch, dass sich das „Wir“in Augsburg künftig anders definieren wird.

Mit dem Zuzug ändert sich auch die Bewohnerst­ruktur

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