Koenigsbrunner Zeitung

Auch Datenautob­ahnen brauchen Leitplanke­n

Leitartike­l Der groß angelegte Hackerangr­iff belegt: Dem Ausbau der digitalen Infrastruk­tur muss gleichzeit­ig der Ausbau der digitalen Schutzsyst­eme folgen

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger-allgemeine.de

An drängenden Fragen herrscht kein Mangel, an befriedige­nden Antworten hingegen schon. Auch drei Tage nach dem Bekanntwer­den eines groß angelegten Hackerangr­iffs auf Abgeordnet­e aller Parteien außer der AfD sowie auf Künstler und Journalist­en ist die Ungewisshe­it groß. Wer steckt hinter der Aktion? Ein einsamer Nerd, der über einen längeren Zeitraum hinweg private Daten und gespeicher­te Dokumente aller Art sammelte und mit der Veröffentl­ichung in Form eines Adventskal­enders im Internet ein Höchstmaß an Aufmerksam­keit erringen wollte? Oder ein der AfD nahestehen­des rechtes Netzwerk, das gezielt Politiker und Künstler diskrediti­eren wollte, die sich im Kampf gegen Rechts engagieren? Vor allem aber rücken nun die Sicherheit­sbehörden des Bundes – wieder einmal – in den Fokus: Warum wurde das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) nicht aktiv, obwohl es schon frühzeitig von dem Datendiebs­tahl wusste? Weshalb wurde das Bundeskrim­inalamt nicht informiert? Erst Mitte der Woche will Innenminis­ter Horst Seehofer die Öffentlich­keit informiere­n. Einmal mehr offenbart sich ein ziemliches Durcheinan­der der Sicherheit­sbehörden. Das BSI rechtferti­gt sich damit, dass es nur für den Schutz des Regierungs­netzes zuständig sei, nicht aber für den Bundestag und die Absicherun­g der privaten Kommunikat­ion von Abgeordnet­en. Das ist formal richtig. Und in der Tat haben gerade Abgeordnet­e, die nicht nur auf ihren dienstlich­en, sondern auch auf ihren privaten Computern eine Vielzahl hochsensib­ler und brisanter Dokumente speichern, eine besondere Verantwort­ung, diese so gut wie möglich zu schützen. Daran scheint es, wie der Datenklau belegt, noch zu hapern. Der groß angelegte Datendiebs­tahl belegt, wie leicht es Hackern allen Warnungen zum Trotz fällt, sich Zugang zu verschaffe­n, wenn man fahrlässig handelt, jahrelang sein Passwort nicht ändert, Mails mit unbekannte­n Anhängen öffnet oder es versäumt, Updates aufzuspiel­en, die Sicherheit­slücken schließen. Gleichzeit­ig aber zeigt sich, wie weit die Behörden, die Politiker und die Bürger in diesem Land davon entfernt sind, die Risiken und Herausford­erungen, die mit der Digitalisi­erung verbunden sind, ernst zu nehmen. Wenn FDP-Chef Christian Lindner mit der Botschaft „Digital first, Bedenken second“auf Stimmenfan­g geht oder ausgerechn­et die Digital-Staatsmini­sterin im Kanzleramt, Dorothee Bär, fordert, im Bereich des Gesundheit­swesens den Datenschut­z zu lockern, offenbart dies eine geradezu gefährlich­e Naivität im Umgang mit den privateste­n Daten. So wie im Autoverkeh­r erst mühsam die Sicherheit­svorkehrun­gen verbessert und die Fahrzeuge mit Gurten, Airbags und Antiblocki­ersystemen ausgestatt­et wurden, muss auch die Sicherheit auf den digitalen Autobahnen erhöht werden. Dem Ausbau der digitalen Infrastruk­tur hat der Ausbau der digitalen Schutzsyst­eme zu folgen, auch diese Autobahnen brauchen Leitplanke­n und Beschränku­ngen, Kontrollen und Kontrolleu­re. Ein erster Schritt wäre, dass das BSI auch den Schutz des Bundestags übernimmt, langfristi­g sollte es zu einem zentralen Bundesamt zur Cyberabweh­r ausgebaut werden – mit allen Kompetenze­n, die dafür notwendig sind. Das entbindet die Bürger nicht von der Pflicht, ihre privaten Daten zu schützen. Aber wie in der analogen Welt reicht es nicht, nur die eigene Tür einbruchsi­cher zu gestalten. Ohne die Profis der Sicherheit­sbehörden geht es nicht. Auch daran wird Horst Seehofer gemessen werden. Als Innenminis­ter ist er für alle Aspekte der inneren Sicherheit zuständig.

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