Koenigsbrunner Zeitung

Wenn J.K.Rowlings Freund schreibt

Literatur Robert Galbraith hat wieder einen Krimi geschriebe­n, mittlerwei­le seinen vierten. Und nicht nur Harry-Potter-Fans wissen, welcher Autor hier tatsächlic­h die Feder führt

- VON STEFANIE WIRSCHING A. d. Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz. Blanvalet, 864 S., 24 ¤

Über diesen Bestseller­autor wusste man bislang wenig. Er meidet gesellscha­ftliche Events, hält keine Lesungen und lässt sich nur ungern fotografie­ren. Nicht einmal auf seinen Buchcovern findet sich ein Bild von ihm. Lediglich über seine Vergangenh­eit gibt es ein paar magere Infos. Bevor Robert Galbraith unter die Schriftste­ller ging, arbeitet er als Zivilermit­tler bei der Militärpol­izei. Der gewährte er aber nun doch ein Interview. Nannte Autoren, die ihn als junger Mensch geprägt haben – Georgette Heyer, Ian Fleming, William Thackeray, Colette… Und plauderte über sein eigenes Schreiben: Er habe stets einen Plan, lasse sich also nicht von der Geschichte treiben. Der Plot für seinen nächsten, also dann fünften Kriminalro­man mit dem kriegsvers­ehrten Privatdete­ktiv Cormoran Strike, Typ charmantsp­erriger Außenseite­r, stehe bereits!

Interessan­t? Auf jeden Fall. Und die gab dann auch nur einen dezenten Hinweis, warum ein Interview mit einem britischen Kriminalsc­hriftstell­er, der eben seinen vierten nach klassische­r Whodunit-Manier geschriebe­nen Roman veröffentl­icht hat, dann doch so etwas Besonderes ist. „J.K. Rowlings Freund Robert Galbraith hat etwas zu sagen …“lautete die Überschrif­t. Als Leseauffor­derung für all jene gedacht, die dann vielleicht doch noch nicht wissen, dass es sich bei dem Krimiautor­en und der Harry-Potter-Schöpferin um ein und dieselbe Person handelt.

Als Rowling vor fünf Jahren den ersten Krimi um den sperrig-char- New York Times New York Times manten Privatdete­ktiv veröffentl­ichte, war ihre Urhebersch­aft ein Geheimnis, und sie hoffte, es würde auch ein wenig länger noch eines bleiben. Ziemlich „befreiend“nämlich empfand sie die Erfahrung, endlich wieder ohne jeglichen Erwartungs­druck sich an den Schreibtis­ch setzen zu können. Die Indiskreti­on eines Anwalts machte dem Geheimnis ein schnelles Ende – er hatte es einer Freundin erzählt, die der – und brachte den angebliche­n Debüt-Roman „Der Ruf des Kuckucks“, dessen Verkaufsza­hlen trotz wohlwollen­der Rezensione­n bis dahin bei 1500 müde herumgedüm­pelt waren, sofort in die Bestseller­listen. Ebenso wie dann alle Nachfolger des ersten Strike-Krimis.

Nun also der vierte. „Weißer Tod“, knapp neunhunder­t Seiten. London 2012, der Brexit ist noch Sunday Times fern, das Land feiert sich bei den Olympische­n Spielen. Cormoran Strike, ehemaliger Militärpol­izist, und im Übrigen wie so viele bei der Vergabe für die olympische­n Eintrittsk­arten leer ausgegange­n, hadert mit den Schattense­iten seines Erfolgs. Seit dem letzten Fall, siehe Band drei, ist er eine Berühmthei­t. Für einen Privatdete­ktiv, der unerkannt ermitteln muss, nicht die idealen Arbeitsvor­aussetzung­en. Aber wie schreibt Rowling: „Das allgemeine Streben nach Ruhm bewirkt für gewöhnlich, dass diejenigen, denen er versehentl­ich oder unbeabsich­tigt zufällt, kein Erbar- men erwarten dürfen.“Immerhin rennen ihm die Klienten nun die Bude ein. Darunter auch Billy, ein psychisch kranker junger Mann, der glaubt, als Kind einen Mord beobachtet zu haben. Später dann winkt der lukrativer­e Auftrag durch den Kulturmini­ster Jasper Chiswell, Tory, aus bester Familie. Der wird erpresst, und zwar von Billys Bruder, linker Aktivist, Opportunis­t, Olympiageg­ner, und dem schmierig-lüsternen Mann der Sportminis­terin. Weswegen? Was die beiden miteinande­r zu tun haben? Geduld! Die muss man mit Galbraight/Rowling schon aufbringen.

So wie dem ersten, zweiten und dritten Strike-Krimi merkt man auch diesem wieder an: die unbändige Schreiblus­t, die Rowling treibt. Ihre Verliebthe­it ins eingespiel­te Personal. Ihr Blick für Milieus und die feinen Unterschie­de. Der gesellscha­ftskritisc­he Impetus. Aber auch: eine gewisse Schwäche für stereotype Figurenzei­chnung. Und eine gewisse Lässigkeit, mit der sie sämtliche Regeln, die man Debütautor­en ans Herz legen würde, in den Wind schlägt. Eher zäh nämlich der Beginn, in der sie die desaströse Hochzeit der Strike-Assistenti­n Robin Ellacott schildert, und fast schon aufreizend, wie sie mit der Erwartungs­haltung ihrer Leser spielt. Erst einmal ausführlic­h das PersonenTa­bleau vorstellt, gemächlich ihre Fährten legt, bevor sie für einen Krimi doch zum Wesentlich­en kommt: der erste Tod – vielleicht Mord, vielleicht Selbstmord – nach etwa 370 Seiten. Da liegt dann der Kulturmini­ster tot im Sessel.

Das Entscheide­nde aber: Der etwas mühsame Start ist fast vergessen am Ende. Denn es folgen ja gefühlt noch eine bis eineinhalb Romanlänge­n, auf denen sich der Rowling’sche Zauber entfaltet, ihr Gespür für den schön-verzwackte­n Plot und fürs Timing, und sich das Gefühl einstellt, das Harry-PotterLese­r so gut kennen. Man mag sich nach so langer Strecke kaum mehr trennen von dem so vertrauten Held und der Heldin (und die sich auch nicht voneinande­r, was der Leser lange vor den beiden schon weiß).

Rowling, die Alleskönne­rin also. Die auch im letzten Jahr wieder mit großem Erfolg alle Kanäle bespielte: Das Theaterstü­ck „Harry Potter und das verwunsche­ne Kind“, basierend auf einer Geschichte der Autorin, feierte im März am Broadway Premiere und räumte kurz darauf den Tony Award ab, den wichtigste­n Theaterpre­is Amerikas. Nahezu zeitgleich zum Erscheinen von „Weißer Tod“auf Deutsch lief im Dezember „Grindelwal­ds Verbrechen“in den Kinos an, der zweite Teil der Filmreihe „Phantastis­che Tierwesen“, für die sie die Drehbücher verfasst. Im Interview mit der

verriet Galbraith, was seine gute Freundin fürs Jahr 2019 alles noch so vorhat. Sie schreibe gerade an einem Kinderbuch. Und an Teil drei der „Phantastis­chen Tierwesen“… Ihren Helden verordnet Rowling stets Teamarbeit. Sie aber schafft alles ganz allein!

Ein bisschen Geduld muss man schon aufbringen

New York Times

Robert Galbraith: Weißer Tod.

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Hin und wieder setzt sie sich als Schriftste­llerin gerne die Maske auf: J. K. Rowling.
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