Wenn J.K.Rowlings Freund schreibt
Literatur Robert Galbraith hat wieder einen Krimi geschrieben, mittlerweile seinen vierten. Und nicht nur Harry-Potter-Fans wissen, welcher Autor hier tatsächlich die Feder führt
Über diesen Bestsellerautor wusste man bislang wenig. Er meidet gesellschaftliche Events, hält keine Lesungen und lässt sich nur ungern fotografieren. Nicht einmal auf seinen Buchcovern findet sich ein Bild von ihm. Lediglich über seine Vergangenheit gibt es ein paar magere Infos. Bevor Robert Galbraith unter die Schriftsteller ging, arbeitet er als Zivilermittler bei der Militärpolizei. Der gewährte er aber nun doch ein Interview. Nannte Autoren, die ihn als junger Mensch geprägt haben – Georgette Heyer, Ian Fleming, William Thackeray, Colette… Und plauderte über sein eigenes Schreiben: Er habe stets einen Plan, lasse sich also nicht von der Geschichte treiben. Der Plot für seinen nächsten, also dann fünften Kriminalroman mit dem kriegsversehrten Privatdetektiv Cormoran Strike, Typ charmantsperriger Außenseiter, stehe bereits!
Interessant? Auf jeden Fall. Und die gab dann auch nur einen dezenten Hinweis, warum ein Interview mit einem britischen Kriminalschriftsteller, der eben seinen vierten nach klassischer Whodunit-Manier geschriebenen Roman veröffentlicht hat, dann doch so etwas Besonderes ist. „J.K. Rowlings Freund Robert Galbraith hat etwas zu sagen …“lautete die Überschrift. Als Leseaufforderung für all jene gedacht, die dann vielleicht doch noch nicht wissen, dass es sich bei dem Krimiautoren und der Harry-Potter-Schöpferin um ein und dieselbe Person handelt.
Als Rowling vor fünf Jahren den ersten Krimi um den sperrig-char- New York Times New York Times manten Privatdetektiv veröffentlichte, war ihre Urheberschaft ein Geheimnis, und sie hoffte, es würde auch ein wenig länger noch eines bleiben. Ziemlich „befreiend“nämlich empfand sie die Erfahrung, endlich wieder ohne jeglichen Erwartungsdruck sich an den Schreibtisch setzen zu können. Die Indiskretion eines Anwalts machte dem Geheimnis ein schnelles Ende – er hatte es einer Freundin erzählt, die der – und brachte den angeblichen Debüt-Roman „Der Ruf des Kuckucks“, dessen Verkaufszahlen trotz wohlwollender Rezensionen bis dahin bei 1500 müde herumgedümpelt waren, sofort in die Bestsellerlisten. Ebenso wie dann alle Nachfolger des ersten Strike-Krimis.
Nun also der vierte. „Weißer Tod“, knapp neunhundert Seiten. London 2012, der Brexit ist noch Sunday Times fern, das Land feiert sich bei den Olympischen Spielen. Cormoran Strike, ehemaliger Militärpolizist, und im Übrigen wie so viele bei der Vergabe für die olympischen Eintrittskarten leer ausgegangen, hadert mit den Schattenseiten seines Erfolgs. Seit dem letzten Fall, siehe Band drei, ist er eine Berühmtheit. Für einen Privatdetektiv, der unerkannt ermitteln muss, nicht die idealen Arbeitsvoraussetzungen. Aber wie schreibt Rowling: „Das allgemeine Streben nach Ruhm bewirkt für gewöhnlich, dass diejenigen, denen er versehentlich oder unbeabsichtigt zufällt, kein Erbar- men erwarten dürfen.“Immerhin rennen ihm die Klienten nun die Bude ein. Darunter auch Billy, ein psychisch kranker junger Mann, der glaubt, als Kind einen Mord beobachtet zu haben. Später dann winkt der lukrativere Auftrag durch den Kulturminister Jasper Chiswell, Tory, aus bester Familie. Der wird erpresst, und zwar von Billys Bruder, linker Aktivist, Opportunist, Olympiagegner, und dem schmierig-lüsternen Mann der Sportministerin. Weswegen? Was die beiden miteinander zu tun haben? Geduld! Die muss man mit Galbraight/Rowling schon aufbringen.
So wie dem ersten, zweiten und dritten Strike-Krimi merkt man auch diesem wieder an: die unbändige Schreiblust, die Rowling treibt. Ihre Verliebtheit ins eingespielte Personal. Ihr Blick für Milieus und die feinen Unterschiede. Der gesellschaftskritische Impetus. Aber auch: eine gewisse Schwäche für stereotype Figurenzeichnung. Und eine gewisse Lässigkeit, mit der sie sämtliche Regeln, die man Debütautoren ans Herz legen würde, in den Wind schlägt. Eher zäh nämlich der Beginn, in der sie die desaströse Hochzeit der Strike-Assistentin Robin Ellacott schildert, und fast schon aufreizend, wie sie mit der Erwartungshaltung ihrer Leser spielt. Erst einmal ausführlich das PersonenTableau vorstellt, gemächlich ihre Fährten legt, bevor sie für einen Krimi doch zum Wesentlichen kommt: der erste Tod – vielleicht Mord, vielleicht Selbstmord – nach etwa 370 Seiten. Da liegt dann der Kulturminister tot im Sessel.
Das Entscheidende aber: Der etwas mühsame Start ist fast vergessen am Ende. Denn es folgen ja gefühlt noch eine bis eineinhalb Romanlängen, auf denen sich der Rowling’sche Zauber entfaltet, ihr Gespür für den schön-verzwackten Plot und fürs Timing, und sich das Gefühl einstellt, das Harry-PotterLeser so gut kennen. Man mag sich nach so langer Strecke kaum mehr trennen von dem so vertrauten Held und der Heldin (und die sich auch nicht voneinander, was der Leser lange vor den beiden schon weiß).
Rowling, die Alleskönnerin also. Die auch im letzten Jahr wieder mit großem Erfolg alle Kanäle bespielte: Das Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“, basierend auf einer Geschichte der Autorin, feierte im März am Broadway Premiere und räumte kurz darauf den Tony Award ab, den wichtigsten Theaterpreis Amerikas. Nahezu zeitgleich zum Erscheinen von „Weißer Tod“auf Deutsch lief im Dezember „Grindelwalds Verbrechen“in den Kinos an, der zweite Teil der Filmreihe „Phantastische Tierwesen“, für die sie die Drehbücher verfasst. Im Interview mit der
verriet Galbraith, was seine gute Freundin fürs Jahr 2019 alles noch so vorhat. Sie schreibe gerade an einem Kinderbuch. Und an Teil drei der „Phantastischen Tierwesen“… Ihren Helden verordnet Rowling stets Teamarbeit. Sie aber schafft alles ganz allein!
Ein bisschen Geduld muss man schon aufbringen
New York Times
Robert Galbraith: Weißer Tod.