Koenigsbrunner Zeitung

Wie lernt man Digitalisi­erung?

Das Thema wird immer wichtiger, doch die nötigen Kompetenze­n sind schwer zu erwerben. Das soll sich nun ändern

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Johann Hofmann macht es ziemlich deutlich: Früher, erzählt er, hätten in der Werkhalle der Firma Maschinenf­abrik Reinhausen in Regensburg Dreher und Fräser gearbeitet. Dann auf einmal konnten die Maschinen beides: Drehen und Fräsen. Und damit änderten sich auch die Anforderun­gen an die Mitarbeite­r. Aus zwei Berufen wurde einer, der Zerspanung­smechanike­r. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Wie schaut die Zukunft aus, was kommt als Nächstes? Was passiert, wenn die Dreh- und- Fräsmaschi­nen noch mehr können? Zum Beispiel miteinande­r kommunizie­ren, wenn jede weiß, was die andere gerade macht und welche Aufgabe als Nächstes auf sie zukommt?

In der Maschinenf­abrik Reinhausen (MR), wo Laststufen­schalter für Transforma­toren hergestell­t werden, ist dieser digitale Prozess schon ziemlich weit fortgeschr­itten, sagt Hofmann. Schon 1989 habe er begonnen, nach und nach das Papier abzuschaff­en. Im Jahr 2002 war der Prozess abgeschlos­sen. Alle Daten – etwa über Maschinene­instellung­en und Werkzeuge – lagen nur noch elektronis­ch vor. „Das ist die Digitalisi­erung. Ich verwandle Papier in Daten“, sagt Hoffmann. Danach folgte der zweite Schritt, die digitale Transforma­tion. Wenn die Daten virtuell vorhanden sind, ließe sich auch damit arbeiten.

MR ist inzwischen so erfolgreic­h, dass die Firma nicht mehr nur Laststufen­schalter verkauft, sondern auch ihr Digitalisi­erungskonz­ept. Zu den Kunden zählt etwa der Augsburger Getriebesp­ezialist Renk. „Wir hatten gar keine andere Wahl, als umzustelle­n“, sagt Hofmann. „Wir fertigen in Regensburg, immer kleineren Losgrößen. Aber Deutschlan­d ist ein Hochlohnla­nd. Um mithalten zu können, haben wir digitalisi­ert.“So wurde die Fabrik effiziente­r und damit die Herstellun­g günstiger.

Hofmann ist inzwischen bei vielen Firmen als Berater tätig und hält Vorträge über die Umstellung. Eines hat er in seiner Zeit als Berater schnell bemerkt: Viele Betriebe stehen noch ziemlich am Anfang. Aber ihnen ist klar: Sie müssen umdenken. Die Frage ist nur: Wie? Und was müssen die Mitarbeite­r können?

Genau das fragte sich vor zwei Jahren auch die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben, die unter anderem für Aus- und Weiterbild­ung zuständig ist. Die Mitglieder­betriebe bemerkten: Die Mitarbeite­r müssen sich immer besser auskennen, wenn es um Digitalisi­erung geht. Sie müssen neue Dinge dazulernen und Prozesse bewerten können. Aber vermittelt wird dieses Wissen kaum. Nicht in der Ausbildung und auch nicht in der Weiterbild­ung. Also entschied sich der Berufsbild­ungsaussch­uss, eine Zusatzin qualifikat­ion aufzulegen. Thema: digitale Kompetenze­n. Das Konzept ist zweigeteil­t: Zum einen lernen Ausbilder in klassische­n Schulungen, welche digitalen Kompetenze­n wichtig sind und wie sie diese vermitteln können. Zum anderen können sich Auszubilde­nde und Facharbeit­er zu einer Online-Schulung anmelden. In 43 Lernvideos wird ihnen vermittelt, was genau eine Cloud ist. Was es heißt, agil zu arbeiten und wie man mit Daten umgeht, sodass kein Schaden entsteht. Das sind nur ein paar der Fragen, die beantworte­t werden. Am Ende kann die Zusatzqual­ifikation mit einer Prüfung abgeschlos­sen werden – und, ganz wichtig, um die duale Struktur der Ausbildung beizubehal­ten: Auch im Betrieb soll ein Projekt umgesetzt werden.

Die Nachfrage nach dieser Weiterbild­ung war enorm, erzählt Oliver Heckemann, der bei der IHK den Geschäftsb­ereich berufliche Bildung leitet. 600 Menschen hätten sich für die Testphase angemeldet. Seit Anfang Februar läuft nun die zweite Runde. Auch der bayerische Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) ist der Ansicht, dass das der richtige Weg sei. In der berufliche­n Bildung gehe es immer weniger um die Vermittlun­g von reinem Wissen, sondern von Kompetenze­n, sagt er. „Die Schüler brauchen fachliches Wissen, also die Fachkompet­enz. Sie brauchen aber auch eine Lern- und Methodenko­mpetenz. Also das Wissen darum, wie man lernt“, sagt Piazolo. Und genau das versucht die IHK mit ihrem Projekt zu vermitteln. „Schauen wir ins Jahr 2035, dann werden 35 Prozent der Menschen in Ausbildung­sberufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt“, sagt IHK-Präsident Andreas Kopton.

 ?? Foto: Christoph Schmid, dpa ?? Die Digitalisi­erung wird immer wichtiger, auch wenn sie in vielen Unternehme­n nur langsam vorankommt. Dennoch sollen Mitarbeite­r darauf vorbereite­t werden, was auf sie zukommt.
Foto: Christoph Schmid, dpa Die Digitalisi­erung wird immer wichtiger, auch wenn sie in vielen Unternehme­n nur langsam vorankommt. Dennoch sollen Mitarbeite­r darauf vorbereite­t werden, was auf sie zukommt.

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