Babyboom in Augsburg
Im Josefinum und an der Uni-Klinik gab es 2018 mehr als 5700 Entbindungen. Mitunter sorgt die Rekordzahl für Engpässe. Rund um Weihnachten warteten Frauen im Josefinum stundenlang auf eine Untersuchung
In den beiden Augsburger Geburtskliniken Josefinum und Uni-Klinik gab es im vergangenen Jahr zusammengenommen so viele Geburten wie lange nicht mehr. Insgesamt haben dort 2018 mehr als 5700 Frauen Kinder auf die Welt gebracht – das sind etwa 1000 mehr als noch vor vier Jahren. Allerdings sorgt der Geburtenboom auch für voll ausgelastete Kreißsäle und Familienstationen – Schwangere berichten teils von Engpässen und Wartezeiten.
Am Josefinum, mit rund 3400 Entbindungen eines der größten Geburtskrankenhäuser in Deutschland, berichteten zuletzt mehrere Schwangere, die etwa wegen leichter Blutungen oder unklarer Schmerzen zur Abklärung kommen wollten, von mehrstündigen Wartezeiten. „Es hieß, dass die diensthabende Ärztin gerade im Kreißsaal ist“, berichtet eine werdende Mutter unserer Zeitung. Manche Paare seien nach fünf Stunden Warten unverrichteter Dinge gegangen.
Krankenhausdirektor Dr. Hubert Mayer bestätigt, dass es um Weihnachten herum sehr voll war. „Die Arztpraxen hatten zu. Und weil es dafür keine Rückfallebene gibt, stauten sich die Patientinnen im Klinikbereich“, so Mayer. Die Patientinnen seien nach Dringlichkeit untersucht worden. „Dringende Fälle gehen vor. Aber wir wissen, dass es für alle Frauen eine Zumutung ist, mehrere Stunden zu warten.“
Die Problematik habe sich an Weihnachten zugespitzt, sei aber latent immer vorhanden. Laut Mayer sei die Zahl der Geburten in den vergangenen Jahren angestiegen, noch stärker sei aber die Zahl der sogenannten „Notfallkontakte“gestiegen, also dass Frauen über dem errechneten Geburtstermin zu Kontrollen kommen oder ein Ziehen im Unterleib abgeklärt werden muss. Geplant ist nun, im Frühjahr eine Hebammenambulanz am Josefinum zu eröffnen, wo Schwangere zur Untersuchung vorbeikommen können. Damit wolle man Wartezeiten verkürzen. „Und wir entlasten das Personal im Kreißsaal“, so Mayer.
Im Vergleich zu München oder Stuttgart, wo schwangere Frauen zur Entbindung mitunter mehrere Kliniken anfahren müssen, weil die Kapazitäten ausgereizt sind, geht es in Augsburg noch entspannt zu. Jo- sefinum und Uni-Klinik sprechen sich ab, wenn in einem Haus alle Kreißsäle voll sind und trotzdem zahlreiche Schwangere mit Wehen kommen. Mitunter seien angesichts der angespannten Lage in der Landeshauptstadt auch schon Frauen aus München ins Josefinum zum Entbinden gekommen, so Mayer.
Das Josefinum erweiterte im Zuge der laufenden Generalsanierung die Zahl der Kreißsäle von vier auf fünf, das neue Mutter-KindZentrum der Uni-Klinik hat weiterhin vier Kreißsäle. Man habe aber auch dort auf den aktuellen Babyboom reagiert und Kapazitäten ausgebaut, so Uni-Klinik-Sprecherin Ines Lehmann. Unter anderem habe man den Stellenschlüssel für Pflege und Hebammen erweitert und medizinische Fachangestellte eingestellt, die sich um organisatorische und administrative Aufgaben kümmern. „So können sich Hebammen und Schwestern mehr um die Be- treuung werdender Mütter und Wöchnerinnen kümmern“, so Lehmann.
Inwieweit die Schließung der Geburtsstationen in Aichach und Schwabmünchen zu einem Anstieg der Entbindungszahlen an den beiden Augsburger Häusern geführt hat, ist nicht zu beziffern. Der Anteil an Frauen aus dem Umland in der hoch spezialisierten Geburtshilfe sei schon immer beträchtlich gewesen, sagt Josefinums-Direktor Mayer.
An der Uni-Klinik macht sich die Schließung offenbar nicht groß bemerkbar. Frauen mit Risikoschwangerschaften oder komplizierten Schwangerschaftsverläufen hätten schon immer die Uni-Klinik mit ihrem hohen Versorgungsniveau angesteuert, so Lehmann. Frauen mit unkomplizierten Verläufen aus dem Umland gingen wohl in die dort verbliebenen Häuser.
Bei weitem nicht alle Eltern der in Augsburg geborenen Kinder stammen aus dem Stadtgebiet. Im vergangenen Jahr gab es 3043 neugeborene Augsburger – knapp die Hälfte der in den Augsburger Kliniken geborenen Kinder kommt also aus dem Umland.
Für das Stadtgebiet leistet der Geburtenboom einen geringen Anteil am Bevölkerungswachstum. Verantwortlich dafür ist in erster Linie die Zuwanderung von außen. Allerdings sorgt die seit Jahren steigende Zahl von neugeborenen Augsburgern dafür, dass sich die Schere zwischen Geburten und Sterbefällen schließt. Seit 1968 liegt in Augsburg die Zahl der Sterbefälle pro Jahr immer über der der Geburten – mit Ausnahme von 2016 und 2017, als der Saldo erstmals wieder positiv war: Es gab in diesen beiden Jahren 34 beziehungsweise sieben Geburten mehr als Sterbefälle. In den extrem geburtenschwachen Jahrgängen Ende der 1970er-Jahre
überstieg die Zahl der gestorbenen Augsburger pro Jahr um bis zu 1300 die Zahl der neugeborenen Augsburger. Im vergangenen Jahr lag diese Zahl noch bei 59.