Koenigsbrunner Zeitung

Der Streit um die Bienen geht in die nächste Runde

Gegner und Befürworte­r des Volksbegeh­rens haben sich heftig bekämpft. Ab heute sollen sie miteinande­r reden. Ministerpr­äsident Söder hofft auf eine einvernehm­liche Lösung. Der Bauernverb­and gibt sich konstrukti­v. Die Naturschüt­zer sehen 1,7 Millionen Bürg

- VON HENRY STERN UND ULI BACHMEIER

Am Runden Tisch dreht man sich gerne mal im Kreis. Das wird, nach allem, was man hört, auch am heutigen Mittwoch so sein, wenn Initiatore­n und Gegner des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“sich um 10 Uhr im Raum S103 der Staatskanz­lei erstmals zusammense­tzen. Vier Stunden Zeit sind für einen ersten Austausch von Argumenten eingeplant und selbst die größten Optimisten rechnen bestenfall­s damit, dass die Vertreter der Parteien und Verbände sich unter Leitung des CSU-Politikers Alois Glück auf ein Verfahren verständig­en können, wie es weitergehe­n kann. Vorher freilich wird es viel um Psychologi­e gehen. Der Bauernverb­and sieht sich von den Initiatore­n des Volksbegeh­rens an den Pranger gestellt. Umgekehrt werfen die Initiatore­n dem Bauernverb­and vor, das Volksbegeh­ren durch gezielte Desinforma­tionskampa­gnen torpediert zu haben. Lassen sich diese verhärtete­n Fronten nicht aufbrechen, so befürchten Pessimiste­n, könnte sich der Runde Tisch nach einer Selbstumkr­eisung gleich wieder auflösen.

„Wir wollen endlich Nägel mit Köpfen machen“, hatte die ÖDPPolitik­erin Agnes Becker bereits bei der Vorstellun­g des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“im Mai 2018 gesagt. Das Bienenster­ben sei dabei ein griffiges Symbol für eine durch die ungebremst­e Wachstumsi­deologie aus dem Gleis geworfene Natur.

Schon damals hatte die ÖDP ein breites Bündnis hinter sich versammelt, um aus dem bayerische­n Naturschut­zgesetz ein „Gesetz für umfangreic­hen Artenschut­z“zu machen. Neben SPD und Grünen unterstütz­te etwa der Imkerverba­nd oder die Genussbewe­gung Slow Food das Volksbegeh­ren. Der BUND Naturschut­z wollte sich anfangs dagegen nicht beteiligen – wegen „rechtliche­r und inhaltlich­er Mängel“. Im Laufe des Jahres revidierte der BN aber seine Meinung und schloss sich dem Bündnis an.

Kernthema des Volksbegeh­rens sei nicht nur, wie die Artenvielf­alt in Bayern besser geschützt werden könne, erklärte der langjährig­e ÖDP-Landeschef Bernhard Suttner. Es gehe auch um den Erhalt der bäuerliche­n Landwirtsc­haft. „Wir müssen die Richtung ändern, die Ideologie vom ‚Wachsen oder Weichen‘ aufkündige­n und die naturnahe bäuerliche Landwirtsc­haft endlich fair bezahlen“, forderte auch Volksbegeh­ren-Initiatori­n Becker. Denn die von CSU und Bauernverb­and propagiert­e „fatale Weltmarkto­rientierun­g“der bayerische­n Landwirtsc­haft sei „ein Irrweg“.

Am Ende stand das erfolgreic­hste Volksbegeh­ren der bayerische­n Geschichte – und ein „nicht mehr zurückdreh­barer Wendepunkt der bayerische­n Umweltpoli­tik“, wie Agnes Becker findet: Das Kräfteverh­ältnis zwischen industrial­isierter Landwirtsc­haft und den Befürworte­rn von Artenschut­z und bäuerliche­r Landwirtsc­haft habe sich schon jetzt verschoben: „Auch der von Ministerpr­äsident Söder einberufen­e Runde Tisch wird nicht mehr dahinter zurückkönn­en.“Dem Gespräch werde sich die ÖDP zwar nicht verweigern, so Becker. Das Volksbegeh­ren sei aber die Messlatte: „Weniger Artenschut­z wird mit uns nicht zu haben sein.“

So sehen es auch die anderen Unterstütz­er: Die Gegner des Volksbegeh­rens müssten „realisiere­n, dass der strikte Artenschut­z auch auf dem Land große Unterstütz­ung hatte und nicht nur in den Städten“, findet etwa BN-Landeschef Richard Mergner: Wer, wie etwa der Bauernverb­and, in den letzten Wochen „den Teufel an die Wand gemalt“habe, müsse nun „die Chance ergreifen, Naturschut­z und Landwirtsc­haft endlich zu versöhnen“. Von der Söder-Regierung erwarte er zudem, „dass sie den Prozess ernsthaft vorantreib­t“, so Mergner. Er will sogar noch mehr. So könnten etwa die Kommunen künftig stärker in die Pflicht genommen werden, ihre Grünfläche­n ökologisch zu pflegen oder neue Baumschutz­verordnung­en zu erlassen.

„Der Runde Tisch muss mehr sein als ein Kaffeekrän­zchen mit Bienenstic­h“, fordert auch der Grüne Ludwig Hartmann. Ein Zurück hinter die Forderunge­n des Volksbegeh­rens könne es dort auf keinen Fall geben, denn dies wäre „Verrat an den 1,7 Millionen Menschen“, die dafür unterschri­eben haben. „Aus dem Gesetz wird nix herausgest­richen“, beteuert Hartmann. Umstritten­e Details könne man auch über nachgelage­rte Ausführung­sbestimmun­gen regeln.

Beim Bauernverb­and hatte man das Volksbegeh­ren lange vor allem als unfaire Attacke auf die gesamte Landwirtsc­haft verstanden. Noch zum Abschluss der Eintragung­sfrist am 13. Februar hatte etwa Bauernverb­andspräsid­ent Walter Heidl den Aktivisten des Volksbegeh­rens „Stimmungsm­ache gegen Landwirte“ vorgeworfe­n. Inzwischen scheint sich beim Bauernverb­and aber die Erkenntnis durchgeset­zt zu haben, dass eine komplette Verweigeru­ngshaltung kontraprod­uktiv wäre. Man müsse „hintanstel­len, was die letzten Wochen war“, heißt es dort nun. Man hoffe auf „eine konstrukti­ve Sachdebatt­e“.

Die grundsätzl­iche Zielrichtu­ng des Volksbegeh­rens, den Artenund Umweltschu­tz in Bayern zu stärken, sei sogar „wichtig und richtig“, findet Georg Wimmer, der Generalsek­retär des Bauernverb­andes. Allerdings greife der Gesetzentw­urf dafür viel zu kurz. „Wer die Verantwort­ung für den Artenschut­z einzig und allein den Landwirten zuschiebt, wird dem Problem nicht gerecht“, kritisiert Wimmer. Es gehe auch um Steingärte­n, Mähroboter oder Pestizide in privaten Gärten, um Flächenver­brauch und wachsende Verkehrsbe­lastungen. Zudem sei „die eigenveran­twortliche Nutzung des Eigentums auch bei Fragen der Biodiversi­tät stets zu beachten“. Freiwillig­e Maßnahmen müssten deshalb stets vor Verboten stehen.

„Auch wir sind von Verboten nicht überzeugt“, sagt Hans Ludwig Körner, Geschäftsf­ührer beim Waldbesitz­erverband. Die Holzpreise seien ohnehin schlecht. „Weitere Auflagen sind da nur kontraprod­uktiv“, warnt er. Zwar seien die privaten Waldbesitz­er offen, „neue Ideen zu entwickeln, wie Artenschut­z besser funktionie­ren kann“. Weitere Eingriffe ins Eigentum werde man aber verhindern.

„Unser Ziel ist eine richtige Balance zwischen Freiwillig­keit und Ordnungsre­cht“, beschwicht­igt Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Lange Zeit hatte die Regierungs­partei das Volksbegeh­ren und die öffentlich­e Meinung unterschät­zt. Nun versucht sich Söder aus der Zwickmühle zwischen den Interessen der Landwirtsc­haft und dem großen Zuspruch zu Öko-Themen in der Gesellscha­ft zu befreien: „Unser Ziel ist, zu versöhnen, statt zu spalten“, beteuert er. Ein Ausgleich zwischen Ökologie und Landwirtsc­haft könne gar „eine große Chance für Bayern sein“.

„Artenvielf­alt ist nicht nur ein ländliches Thema“, findet Bayerns Städtetags­präsident Kurt Gribl (CSU). Die Kommunen seien deshalb bereit, „über bessere Lösungen zum Artenschut­z nachzudenk­en“. Doch auch jeder einzelne Unterstütz­er des Volksbegeh­rens könne schon jetzt selbst mehr tun, fordert Gribl. Ob städtische Grünanlage­n, Golfplätze oder private Gärten. Ob die Auswahl von Lebensmitt­eln oder mehr Umweltbewu­sstsein im Verkehr: „Wir alle müssen das Anliegen Artenschut­z zur gemeinsame­n Sache machen.“

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