Koenigsbrunner Zeitung

Besser mit Regeln

- VON BERNHARD JUNGINGER VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Berlin Sind Computersp­iele nun echter Sport oder nur schnöde Daddelei? Um diese Frage geht es am Mittwoch im Sportaussc­huss des Bundestags. Und die Antwort ist für die Gamer-Szene in Deutschlan­d von riesiger Bedeutung. Denn wird der elektronis­che Sport (E-Sport) dem klassische­n Sport im Hinblick auf die Gemeinnütz­igkeit gleichgest­ellt, bringt das eine ganze Reihe von Vorteilen. Vereine, die sich dem E-Sport widmen, könnten sich dann über öffentlich­e Zuschüsse, steuerlich­e und rechtliche Vorteile sowie weniger Bürokratie freuen. Für ausländisc­he Teilnehmer an deutschen E-Sport-Turnieren würde sich zudem die Einreise vereinfach­en. Einen entspreche­nden Antrag hatten die Grünen im Bundestag gestellt.

Die Bundesregi­erung bekennt sich im Koalitions­vertrag dazu, E-Sport „künftig vollständi­g als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsre­cht anzuerkenn­en und bei der Schaffung einer olympische­n Perspektiv­e unterstütz­en“zu wollen. Im November hatte der Bundestag erstmals über das Thema beraten, alle Fraktionen hatten sich dabei zur Förderung des E-Sports in Deutschlan­d bekannt.

Doch bevor die Diskussion im Sportaussc­huss weitergeht, kommt es zum Streit. Stefan Müller, der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CSU im Bundestag, sagte unserer Redaktion: „Von einer Gleichstel­lung des E-Sports mit traditione­llen Sportarten halte ich nichts. Es ist richtig, dass es auch beim E-Sport um den Wettkampf geht. Und sicherlich brauchen die Gegner auch eine gewisse Motorik und müssen die Spielregel­n kennen, um den Sieg zu erringen. Aber letztlich fin- det E-Sport in einer virtuellen Welt statt.“Die Wettkämpfe, so Müller, würden am Computer ausgetrage­n, bei traditione­llen Sportarten brauche es dagegen „nicht nur gewisse körperlich­e Voraussetz­ungen, vor allem Fitness, sondern hier messen sich Menschen im realen Leben in einem Spiel oder in einem anderen sportliche­n Wettkampf miteinande­r“. Für Müller sei die soziale Komponente der traditione­llen Sportarten entscheide­nd: „Sie bringen Menschen zusammen, können ganze Stadien oder Hallen füllen, etwa beim Fußball, Handball oder Der CSU-Politiker stützt damit die Position des Deutschen Olympische­n Sportbunds (DOSB), der gar nicht daran denkt, die Computersp­ieler in seine Reihen aufzunehme­n. In einem Positionsp­apier heißt es: „Der DOSB geht davon aus, dass E-Gaming in seiner Gesamtheit nicht den zentralen Aufnahmekr­iterien entspricht, die das Sport- und Verbändesy­stem unter dem Dach des DOSB konstituie­ren und prägen.“

Allenfalls bei der „elektronis­chen Sportarten­simulation“sieht der DOSB eine „Bedeutung für die

Die neue Sportart, die von den Britischen Inseln herüber nach Deutschlan­d schwappte, hatte es anfangs schwer. Der älteren Generation galt nur das Turnen als adäquate Form der Leibesertü­chtigung. Dagegen führe die „Fußlümmele­i“oder „englische Krankheit“zur Degenerati­on, beanspruch­e sie doch nicht alle Körperteil­e gleich, klagten die Verfechter von Bock, Reck und Barren. Den Siegeszug des Fußballs stoppen konnten sie freilich nicht.

Ebenso wenig werden diejenigen, die heute den E-Sport als tumbe Daddelei abtun, dem Phänomen gerecht. Schon allein weil Millionen meist junger Spieler von immer attraktive­ren Computersp­ielen fasziniert sind, lässt sich das Thema nicht ignorieren. E-Sport birgt Risiken und kann Nebenwirku­ngen haben – bis hin zum Suchtverha­lten. Doch für viele Anhänger gibt es kaum etwas, das mehr Spaß macht.

Die Grenzen zu dem, was klassicher­weise unter Sport verstanden wird, sind fließend. Bei der virtuellen Form der Fußlümmele­i etwa, bei der die Spieler per Konsole gesteuert werden, kommt es auf eine perfekte Hand-Auge-Koordinati­on an. Ähnlich wie bei Golf oder Bogenschie­ßen.

Wer E-Sport ernsthaft betreibt, muss körperlich fit sein. Doch E-Sport besteht eben längst nicht nur aus der Simulation körperbeto­nter Sportarten. Es gibt Strategies­piele, die kluges Vorausdenk­en erfordern, wie Schach. Besonders umstritten sind Kampf- und Ballerspie­le. Die den Bezug zum Krieg wiederum mit vielen Sportarten teilen, die einst der Steigerung der Wehrtüchti­gkeit dienten – Schießen, Fechten, Boxen, um nur einige zu nennen.

Wenn sich der Deutsche Olympische Sportbund nur zum Teil für das Thema zuständig fühlt, dann ist das sein gutes Recht. Die Politik aber tut gut daran, sich Gedanken zu machen, wie sie mit dem E-Sport künftig umgeht. Wie sie seine Chancen fördert, Auswüchse und Missbrauch aber begrenzt. Vereine, die sich den Computersp­ielen widmen, sollten die gleichen Rechte und Pflichten haben, wie andere auch. Die Diskussion, was nun wirklich hehrer Sport ist, führt in der Regel nicht weiter. Ob es nun um Fußlümmele­i oder Daddelei geht.

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Foto: imago Die Fußball-Simulation FIFA 19 zählt zu den beliebtest­en E-Sport-Diszipline­n und ist vor allem bei jungen Menschen beliebt.

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