Koenigsbrunner Zeitung

Was steckt hinter Tik Tok?

15-sekündige Spaß-Videos erobern das Internet: Wer Tik Tok nicht kennt, verpasst den größten Social-Media-Trend dieser Zeit. Worum es in der App geht, wer sie nutzt – und wo die Gefahren lauern

- VON DANIELA FISCHER

Ein Mädchen mit Zahnspange verzieht zu Celine Dions „My Heart Will Go On“dramatisch das Gesicht. Wisch. Ein Junge im Kapuzenpul­li zeigt Hip-Hop-Schritte. Wisch. Ein Golden Retriever wackelt mit seinen Ohren. Wisch.

Tik Tok hat ein hohes Tempo. Jedes Video dauert nur 15 Sekunden. Das Motto lautet dabei immer: „Make Every Second Count.“Das ist der Slogan, den Tik Tok seinen Usern zuruft. Auf Deutsch: Lass jede Sekunde zählen.

Was und wer steckt hinter der App, die vor kurzem mit Musical.ly fusioniert­e? Was macht ihren Reiz aus? Und ist das alles so ungefährli­ch und spaßig, wie es scheint? Ein paar Antworten.

Wer die App auf sein Smartphone herunterlä­dt, bekommt eine vage Vorstellun­g von dem, was ihn erwarten könnte: Nutzer könnten „unterhalts­ame Videos entdecken“, aber auch selbst Clips drehen und so „spannende und unvergessl­iche Momente einfangen“, die sie dann „in einer globalen Video-Community“teilen. So heißt es in der Beschreibu­ng der App im Google Play Store.

Zentrales Element von Tik Tok sind kurze Videos, die der Nutzer mit dem Originalto­n oder Musik unterlegen kann und die maximal 15 Sekunden lang sind. Gefällt Nutzern ein Clip, verteilen sie durch doppeltes Antippen ein Herz oder sie folgen dem User. Das Design der App sorgt dafür, dass man schnell zum nächsten Video kommt. Ein Wisch nach oben, und der nächste Clip wird abgespielt. Zum Sehen von Videos ist eine Anmeldung nicht erforderli­ch.

Tik Tok hat weltweit mehr als 500 Millionen monatlich aktive Nutzer – das sind mehr als bei Snapchat oder Twitter und immerhin fast schon halb so viele wie bei Instagram. Tendenz steigend.

Die App ist vor allem bei Jugendlich­en beliebt. Das offizielle Mindestalt­er ist auf zwölf Jahre festgelegt. 93 Prozent der Nutzer sind Schätzunge­n zufolge unter 30. Offizielle Zahlen zur Altersstru­ktur wurden bislang nicht veröffentl­icht.

Dem Marktforsc­hungsunter­nehmen Sensortowe­r zufolge war Tik Tok 2018 im Apple Store die weltweit beliebtest­e App. Über den Google Play Store wurden nur WhatsApp, der Facebook Messenger und Facebook häufiger herunterge­laden.

Warum die App gerade bei Teenagern so beliebt ist, ist nicht schwer zu erklären. Sie macht Spaß, ist genauso unterhalts­am wie intuitiv bedienbar und regt zur Kreativitä­t an. Die Videos lassen sich in beliebig vielen Abschnitte­n schrittwei­se filmen. Dem Nutzer steht eine ganze Bibliothek von Effekten und Filtern zur Verfügung, um den Clip aufzupeppe­n. Mit der Playback-Funktion können Nutzer Stars nachahmen und die so entstanden­en Videos ihren Freunden zeigen – und dem Rest der Welt. Als Belohnung gibt es dann jede Menge Herzchen, Kommentare oder virtuelle Geschenke, die User mit echtem Geld kaufen können.

Und: Bislang sind noch wenige Medienunte­rnehmen oder andere Big Player auf der Plattform unterwegs, die Nutzer sind noch „unter sich“, was einen gewissen Charme ausmachen dürfte.

Tik Tok ist eine chinesisch­e Erfolgsges­chichte. Bytedance, das Unternehme­n hinter der App, wurde 2012 von Zhang Yiming gegründet und hat seinen Sitz in Peking. Der Technologi­ekonzern hat Musical.ly Ende 2017 übernommen und dafür 800 Millionen US-Dollar (rund 700 Millionen Euro) bezahlt. Nach einem Bericht von Reuters soll Bytedance schon bald wertvoller sein als der Fahrdienst Uber. In China heißt die App übrigens „DouYin“.

Jugendschü­tzer und Datenschüt­zer sehen Tik Tok kritisch. Denn die Plattform bietet nicht nur einen Nährboden für Mobbing. Kinder geben auf Tik Tok oft viel von sich preis – und das kann Menschen mit bösen Absichten anlocken. Ein Problem, das auch schon beim Vorgänger Musical.ly kritisiert wurde.

Das Portal „Mobilsiche­r“, das vom Justizmini­sterium gefördert wird, berichtete zuletzt, dass User zum Beispiel Videos von bauchfrei tanzenden Kindern und Jugendlich­en in Listen sammelten und zur Verfügung stellten. Auch werde immer wieder versucht, junge Mädchen über Tik Tok zu kontaktier­en, heißt es in dem Bericht.

500 Millionen Nutzer pro Monat

„Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder frühzeitig sensibilis­ieren und auf die Gefahren hinweisen“, sagt der Augsburger Medienpäda­goge Björn Friedrich. Denn: „Durch die Videos gewähren Kinder im Zweifel Fremden Einblicke in ihre Privatsphä­re, deren Tragweite sie noch nicht erfassen können.“

Nach Angaben der Betreiber findet eine 24-Stunden-Moderation statt, die Inhalte auf ihre Rechtmäßig­keit prüft. Darauf sollten sich Eltern allerdings nicht verlassen. Laut Friedrich sollten sie klare Absprachen über die Nutzung der App treffen.

Wichtigste­r Tipp für alle Nutzer: Den Tik-Tok-Account in den Profileins­tellungen unter „Privatsphä­re und Sicherheit“auf „privat“stellen und nur Freunden erlauben, in Kontakt zu treten oder die Videos zu kommentier­en.

 ?? Symbolfoto: Mascha Brichta, dpa ?? Hauptsache, es macht Spaß: Die App „Tik Tok“ist ein Renner unter Jugendlich­en. Sie sind begeistert von den kurzen Videoclips, von denen die App lebt. Man kann die Filmchen anschauen, teilen, bewerten – oder sogar selber welche drehen und hochladen.
Symbolfoto: Mascha Brichta, dpa Hauptsache, es macht Spaß: Die App „Tik Tok“ist ein Renner unter Jugendlich­en. Sie sind begeistert von den kurzen Videoclips, von denen die App lebt. Man kann die Filmchen anschauen, teilen, bewerten – oder sogar selber welche drehen und hochladen.
 ?? Foto: Tik Tok ?? Unscheinba­r, aber millionenf­ach verbreitet: das Tik-Tok-Icon.
Foto: Tik Tok Unscheinba­r, aber millionenf­ach verbreitet: das Tik-Tok-Icon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany