Koenigsbrunner Zeitung

Wenn sich Nachbarn streiten...

... dann geht es vor Gericht um Bienen, eine Überwachun­gskamera und um Brennholz für den Winter, das plötzlich völlig durchnässt ist. Warum eine Richterin kein Urteil spricht

- VON PETER RICHTER

Augsburg Ein Haus mit Garten, Krokusse, die bei diesen frühlingsh­aften Temperatur­en schon aus dem Boden spitzen. Die Vögel zwitschern. Wer hat nicht schon davon geträumt? Das eigene Zuhause kann so schön sein. Die Realität kann aber auch zu einem lebenslang­en Albtraum werden. Na ja, zumindest für zwei Jahrzehnte, die es in diesem Fall sind, der an diesem Vormittag im Saal 142 des Augsburger Amtsgerich­ts aufgerollt wird. Schnell wird klar: Hier bekämpfen sich zwei Nachbarn aufs Erbitterts­te. Sie schenken sich nichts. Leidtragen­de sind aber auch Polizeibea­mte, die bei jeder Anzeige tätig werden müssen, und die Mitarbeite­r der Justiz.

„Wir haben seit mindestens 15 Jahren kein Wort miteinande­r gewechselt“, berichtet die Zeugin. Die 51-Jährige hat ihren Nachbarn jetzt das erste Mal vors Strafgeric­ht gebracht. Es geht juristisch betrachtet um eine Lappalie. Der Vorwurf: Sachbeschä­digung. Brennholz im von 80 Euro soll durch Verschulde­n des Nachbarn durchnässt worden sein und damit unbrauchba­r, um noch im Winter verheizt zu werden. Die bereits von einem Amtsrichte­r per Strafbefeh­l verhängte Geldstrafe von 800 Euro haben der pensionier­te Beamte und sein Verteidige­r Udo Reissner nicht akzeptiert. Daher trifft man sich jetzt vor Gericht.

Und da zeigt sich im Prozess, dass die Anzeige der Augsburger­in wohl als Gegenangri­ff zu sehen ist. Auch sie ist von ihrem Nachbarn wegen Sachbeschä­digung angezeigt worden, und zwar schon Wochen zuvor: Der pensionier­te Beamte hatte im Herbst 2017 entlang der Grundstück­sgrenze sein Brennholz in Gitterboxe­n gestapelt und, damit es trocken bleibt, mit einem Blechdach geschützt. Das Dach ragte über die Grundstück­sgrenze und so floss – absichtlic­h oder nicht – Regenwasse­r direkt auf das Holzlager der Nachbarin. Die ließ, als sie den Schaden bemerkte, das Blech von einem Gärtner entfernen. Wie die Frau ausführt, hat sie die Arbeiten filmisch dokumentie­rt, um notfalls beweisen zu können, das Grundstück dabei nicht betreten zu haben. Denn „Betreten verboten“heißt es auf dem Schild, das im Nachbargar­ten aufgestell­t ist. Was Richterin Ute Bernhard wundert, denn dieser ist nicht eingezäunt. Doch: Das Betretungs­verbot gelte ausschließ­lich der Nachbarin und ihrem Gärtner, erklärt der Angeklagte.

Wie konnte es soweit kommen? Die Nachbarin berichtet, dass schon bald nach ihrem Einzug 1999 die Streiterei­en angefangen hätten. Erst ging es um Bienen. Der heute 58-Jährige hatte mehrere Bienenvölk­er, die sich erwartungs­gemäß nicht an Grundstück­sgrenzen hielten. „Wenn die Völker bei mir waren“, so die Zeugin, „haben sich meine Patienten nicht mehr reingeWert traut.“Die Frau ist Heilprakti­kerin. Der Konflikt verschärft­e sich, als die Frau den Familienva­ter anzeigte, Polizisten daraufhin sein Haus durchsucht­en. Stein des Anstoßes war eine Überwachun­gskamera, die auf ihr Grundstück gerichtet war. Ihr Nachbar musste sie entfernen.

Als der Prozess schon fast zwei Stunden dauert, Angeklagte­r und Nachbarin ausgiebig zu Wort gekommen sind, zieht Richterin Bernhard resigniere­nd ihr Fazit: „Ich kann auch keinen Frieden stiften, das ist mir schon klar. Man beschuldig­t sich hier gegenseiti­g.“

Wenig später stellt das Gericht das Strafverfa­hren wegen Geringfügi­gkeit ein. Und zwar ohne die zwei Zeugen gehört zu haben, die noch vor dem Gerichtssa­al warteten. „Wir gehen auseinande­r und wir wissen, dass es weitergeht“, verabschie­det die Richterin die Beteiligte­n und die Zuhörer im Saal. Sie dürfte schon bald recht behalten: Die Staatsanwa­ltschaft hat das Landeskrim­inalamt mit einem Gutachten beauftragt ...

Betretungs­verbot gilt nur für eine Frau

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