Koenigsbrunner Zeitung

Eine Umbenennun­g war nicht sein Ziel

Der Pensionär Hans-Georg Kalbhenn aus Nordrhein-Westfalen hat in Augsburg mit seinen Fragen zum Namen der Grundschul­e in Oberhausen eine Lawine in Gang gesetzt. Worauf es ihm ankam

- VON MIRIAM ZISSLER

Hans-Georg Kalbhenn hat viele Baustellen. Zu wenig ausgewiese­ne Parkplätze in seiner Heimatstad­t Espelkamp in Nordrhein-Westfalen beschäftig­en den pensionier­ten Lehrer genauso wie verstopfte Gullys oder kaputte Straßenlam­pen. „Die melde ich bei der Gemeinde“, sagt er. Und das nicht nur in seinem Ort, sondern überall, wo er sich gerade aufhält und ihm etwas auffällt. „Viele Städte haben dafür ein Formular im Internet“, erzählt der 70-Jährige am Telefon. Manchmal erhält er für seine Mitteilung­en ein Dankeschön, manchmal gebe es „komische“Reaktionen, manchmal gar keine. „Aber dann melde ich mich wieder.“Hans-Georg Kalbhenn lässt bei vielen Themen nicht locker. Wenn ihm etwas auffällt, dann meldet er sich. So hat er sich vor über zwei Jahren bei der Schulleite­rin Claudia Kirsch der Werner-EgkGrundsc­hule in Augsburg gemeldet.

Kalbhenn und seine Frau hatten eine Bekannte besucht, die in der Nähe Augsburgs lebt. Dabei war ihm die Grundschul­e aufgefalle­n. Er recherchie­rte im Internet und blieb an der Homepage der Oberhauser Schule hängen. „Darin stand, dass Werner Egk der Namenspatr­on der Schule ist“, sagt Kalbhenn. Als Erklärung wurden einige Angaben zum Leben und Werk des Komponiste­n aufgeliste­t. „Zu wenig“, wie Kalbhenn befand und die Schulleite­rin auffordert­e, doch die Angaben über Egk zu ergänzen.

„Es ging mir darum, dass die Seite vervollstä­ndigt, dass sein Leben von Anfang bis Ende dargestell­t wird und nicht nur Rosinen gepickt werden.“Er verwies speziell auf Egks Kompositio­n zu den Olympische­n Spielen 1936, ausgezeich­net mit einer Goldmedail­le, sowie auf Egks Platz in der sogenannte­n „Gottbegnad­eten-Liste“1944. Darauf befanden sich mehr als 1000 Künstler, die für Propaganda­aufgaben vom Kriegseins­atz befreit wurden. Kalbhenns Forderung, den Künstler auf der Schulhomep­age umfassend vorzustell­en, setzte eine Lawine in Gang. Von der Schule wurde er ans Schulverwa­ltungsamt verwiesen. Die Reaktionen aus Augsburg waren „spärlich“– deshalb schrieb Kalbhenn irgendwann an den großen Verteiler: an das Kulturrefe­rat, an die Fraktionen, an Oberbürger­meister Kurt Gribl, an die Zeitung. Daraufhin wurde im Bildungsau­sschuss diskutiert, die Rechtsdire­ktorin vom Bildungsre­ferat beschäftig­te sich mit dem Thema und schließlic­h auch die Kommission für Erinnerung­skultur, die mit einer Stellungna­hme zur Namensgebu­ng beauftragt wurde. Zwischenze­itlich hatte Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) einen Antrag an den Ältestenra­t zur Umbenennun­g der Schule gestellt. „Eine Umbenennun­g war nie mein Ziel“, sagt Kalbhenn. Von ihm aus könne die Oberhauser Schule weiterhin den Namen Werner Egk tragen. „Aber dann bitte mit einer kompletten Vita auf der Homepage“, sagt er. Die bisherige Variante wurde bereits von der Internetse­ite der Schule genommen. Unter dem Stichwort Werner Egk befindet sich eine Erklärung, dass in den Augen der Kommission für Erinnerung­skultur der Komponist kein Vorbild und kein geeigneter Namenspatr­on für die Schule sei und die Schulgemei­nschaft die Stadt Augsburg und die Regierung von Schwaben darum bittet, ab dem Schuljahr 2019/2020 den Namen „Grundschul­e Augsburg Oberhausen Mitte“tragen zu dürfen.

Hans-Georg Kalbhenn engagiert sich bezüglich des Komponiste­n in Augsburg und Donauwörth, wo es eine Begegnungs­stätte, eine Musikschul­e und einen „Werner-EgkPreis“gibt. Werner Egk wurde im Mai 1901 als Werner Joseph Mayer in Auchesheim, das heute zu Donauwörth gehört, geboren. Donauwörth will mögliche neue Erkenntnis­se prüfen, sieht aber derzeit keinen „Handlungsb­edarf“. An andere Städte und Gemeinden hat sich Kalbhenn wegen des Komponiste­n nicht gewandt. „Ich habe eine Telefonbuc­h-CD. Da könnte ich bundesweit alle Werner-Egk-Straßen und Plätze aufrufen und könnte die Kommunen anschreibe­n. Aber das mache ich nicht“, sagt er. Er habe wie bereits erwähnt viele verschiede­ne Baustellen. Jeden Tag verbringt er Zeit im Internet, recherchie­rt über seine aktuellen Fälle, findet neue. „Seit es das Internet gibt, ist die Welt ein Dorf. Würde ich Englisch sprechen, würde ich mir auch amerikanis­che Seiten vornehmen“, ist er sich sicher.

Am Abend ist eine Bürgervers­ammlung, wo er hin will. Dort wird er sich einbringen. „Nur beim Telefonbuc­h habe ich aufgegeben. Da stimmt so viel nicht“, sagt er. Er habe zig falsche Adressen gemeldet. Doch geändert würden sie nicht. Da müssten sich die betreffend­en Personen selber melden, hieß es stets. „Das Telefonbuc­h ist ein Märchenbuc­h“, ärgert sich Hans-Georg Kalbhenn darüber.

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H. Kalbhenn

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