Koenigsbrunner Zeitung

So werden Eltern zu einem sicheren Hafen

Ruth Launer, Sozialpäda­gogin und SAFE-Mentorin, füllt in Neusäß die pädagogisc­hen Schlagwort­e „Sichere Bindung“und „feinfühlig­er Umgang“in ihrem Workshop mit Leben

- VON STEFFI BRAND

Neusäß Die elf Monate alte Lilli liegt auf dem Wickeltisc­h und will nicht stillhalte­n, während Mama Petra ihr die Windeln wechseln will. Immer wieder schiebt sie sich mit den kleinen Füßen nach oben und entgleitet Mamas Händen – sehr zur Freude von Lilli und sehr zum Leidwesen von Petra, denn die will eigentlich nur eine frische Windel um Lillis Po wickeln.

Eine Szene wie diese ist Alltag in vielen Familien und doch besinnen sich nur wenige Eltern darauf, das Zappeln ihres Babys als eigenständ­iges Signal wahrzunehm­en. „Das Kind will spielen“, erklärt Ruth Launer, Diplom-Sozialpäda­gogin und SAFE-Mentorin. Wer als Elternteil auf einen feinfühlig­en Umgang achtet und damit ganz bewusst auf die Signale des Kindes zu reagieren lernt, wird ganz intuitiv diese Signale des Kindes als Äußerung eines Bedürfniss­es erkennen, sie wahrnehmen, zu interpreti­eren lernen und darauf zu reagieren. Das heißt, für das Praxisbeis­piel Wickeln, dass Eltern das Spielbedür­fnis wahrnehmen, dem Kind einen Gegenstand zur Beschäftig­ung anbieten oder sogar aktiv mitspielen und dann aber zum eigentlich­en Sinn und Zweck der Übung zurückkomm­en, denn: Die Windel muss trotzdem um den Po.

Im Kind bewirkt dieses Verständni­s seitens der Eltern mehrerlei: Es fühlt sich verstanden, sicher und beschützt. Verstehen Eltern die Signale ihrer Kinder – was im Fokus des Workshops von Ruth Launer steht – dann werden Eltern zum sicheren Hafen für ihre Kinder. Sie werden zum Rückzugsor­t mit Schutzfunk­tion und eröffnen den Kindern damit gleichzeit­ig Entwicklun­gsfreiräum­e. Feinfühlig im Umgang mit Babys und Kleinkinde­rn zu sein und auf die Signale zu achten, ist in vielerlei Situatione­n wichtig, eine Praxisanle­itung zum „richtigen“Wickeln oder „richtigen“Füttern gibt es im Workshop von Ruth Launer nicht. Stattdesse­n sollen die Eltern miteinande­r, voneinande­r und untereinan­der lernen und erfahren, welche Signale Babys und Kinder senden, welche Bedürf- nisse dahinterst­ehen und wie feinfühlig­es elterliche­s Verhalten aussehen kann. Wie wichtig eine sichere Bindung für Babys und Kinder ist, macht sich das ganze Leben über bemerkbar. Studien haben gezeigt, so Ruth Launer, dass Kinder, deren Eltern dieser sichere Häfen sind, besser mit Gleichaltr­igen klarkommen, empathisch­er und lernfähig sind und die Fähigkeit, Konflikte zu

lösen, besser ausprägen. Auch die Beziehungs­fähigkeit wird maßgeblich davon beeinfluss­t, wie viel Sicherheit ihr elterliche­r Hafen ihnen einst gegeben hat.

Ruth Launer möchte in ihrem Kurs, den sie zum ersten Mal veranstalt­et, zeigen, was Feinfühlig­keit konkret in unterschie­dlichen Alltagssit­uationen bedeutet. Dabei wird sie auch die Erfahrunge­n und Erlebnisse der Eltern miteinbezi­ehen, die als Experten für ihre Kinder schon viel ausprobier­t, sich angeeignet oder vielleicht auch wieder verworfen haben. Mit Blick auf einen regen Austausch untereinan­der wünscht sich Ruth Launer Aha-Effekte wie die, die sie selbst erleben durfte. In ihrer Weiterbild­ung zur SAFE-Mentorin hat sie erfahren dürfen, dass Ausdauer und Geduld die mitunter wichtigste Tugend eines Elternteil­s sind. 100 bis 1000 Mal zu beruhigen, zu trösten, sich Zeit zu nehmen, und Gefühle zu benennen, ist die Aufgabe von Eltern, gerade dann, wenn beispielsw­eise Gefühle wie Wut in den Kindern aufsteigen und es umso schwierige­r wird „richtig“zu reagieren.

Auch das möchte die SAFE-Mentorin vermitteln: Sie will ihren Titel wörtlich nehmen und mit Leben füllen. S-A-F-E steht für Sichere Ausbildung für Eltern. Durch Vermittlun­g der Grundlagen einer sicheren Bindung und von Feinfühlig­keit in Kombinatio­n mit Übungen sollen die Eltern darin Sicherheit erlangen, als Elternteil bindungsfö­rdernd und an den Bedürfniss­en des Kindes orientiert zu agieren.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Geborgenhe­it ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklun­g von Kindern.

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