So werden Eltern zu einem sicheren Hafen
Ruth Launer, Sozialpädagogin und SAFE-Mentorin, füllt in Neusäß die pädagogischen Schlagworte „Sichere Bindung“und „feinfühliger Umgang“in ihrem Workshop mit Leben
Neusäß Die elf Monate alte Lilli liegt auf dem Wickeltisch und will nicht stillhalten, während Mama Petra ihr die Windeln wechseln will. Immer wieder schiebt sie sich mit den kleinen Füßen nach oben und entgleitet Mamas Händen – sehr zur Freude von Lilli und sehr zum Leidwesen von Petra, denn die will eigentlich nur eine frische Windel um Lillis Po wickeln.
Eine Szene wie diese ist Alltag in vielen Familien und doch besinnen sich nur wenige Eltern darauf, das Zappeln ihres Babys als eigenständiges Signal wahrzunehmen. „Das Kind will spielen“, erklärt Ruth Launer, Diplom-Sozialpädagogin und SAFE-Mentorin. Wer als Elternteil auf einen feinfühligen Umgang achtet und damit ganz bewusst auf die Signale des Kindes zu reagieren lernt, wird ganz intuitiv diese Signale des Kindes als Äußerung eines Bedürfnisses erkennen, sie wahrnehmen, zu interpretieren lernen und darauf zu reagieren. Das heißt, für das Praxisbeispiel Wickeln, dass Eltern das Spielbedürfnis wahrnehmen, dem Kind einen Gegenstand zur Beschäftigung anbieten oder sogar aktiv mitspielen und dann aber zum eigentlichen Sinn und Zweck der Übung zurückkommen, denn: Die Windel muss trotzdem um den Po.
Im Kind bewirkt dieses Verständnis seitens der Eltern mehrerlei: Es fühlt sich verstanden, sicher und beschützt. Verstehen Eltern die Signale ihrer Kinder – was im Fokus des Workshops von Ruth Launer steht – dann werden Eltern zum sicheren Hafen für ihre Kinder. Sie werden zum Rückzugsort mit Schutzfunktion und eröffnen den Kindern damit gleichzeitig Entwicklungsfreiräume. Feinfühlig im Umgang mit Babys und Kleinkindern zu sein und auf die Signale zu achten, ist in vielerlei Situationen wichtig, eine Praxisanleitung zum „richtigen“Wickeln oder „richtigen“Füttern gibt es im Workshop von Ruth Launer nicht. Stattdessen sollen die Eltern miteinander, voneinander und untereinander lernen und erfahren, welche Signale Babys und Kinder senden, welche Bedürf- nisse dahinterstehen und wie feinfühliges elterliches Verhalten aussehen kann. Wie wichtig eine sichere Bindung für Babys und Kinder ist, macht sich das ganze Leben über bemerkbar. Studien haben gezeigt, so Ruth Launer, dass Kinder, deren Eltern dieser sichere Häfen sind, besser mit Gleichaltrigen klarkommen, empathischer und lernfähig sind und die Fähigkeit, Konflikte zu
lösen, besser ausprägen. Auch die Beziehungsfähigkeit wird maßgeblich davon beeinflusst, wie viel Sicherheit ihr elterlicher Hafen ihnen einst gegeben hat.
Ruth Launer möchte in ihrem Kurs, den sie zum ersten Mal veranstaltet, zeigen, was Feinfühligkeit konkret in unterschiedlichen Alltagssituationen bedeutet. Dabei wird sie auch die Erfahrungen und Erlebnisse der Eltern miteinbeziehen, die als Experten für ihre Kinder schon viel ausprobiert, sich angeeignet oder vielleicht auch wieder verworfen haben. Mit Blick auf einen regen Austausch untereinander wünscht sich Ruth Launer Aha-Effekte wie die, die sie selbst erleben durfte. In ihrer Weiterbildung zur SAFE-Mentorin hat sie erfahren dürfen, dass Ausdauer und Geduld die mitunter wichtigste Tugend eines Elternteils sind. 100 bis 1000 Mal zu beruhigen, zu trösten, sich Zeit zu nehmen, und Gefühle zu benennen, ist die Aufgabe von Eltern, gerade dann, wenn beispielsweise Gefühle wie Wut in den Kindern aufsteigen und es umso schwieriger wird „richtig“zu reagieren.
Auch das möchte die SAFE-Mentorin vermitteln: Sie will ihren Titel wörtlich nehmen und mit Leben füllen. S-A-F-E steht für Sichere Ausbildung für Eltern. Durch Vermittlung der Grundlagen einer sicheren Bindung und von Feinfühligkeit in Kombination mit Übungen sollen die Eltern darin Sicherheit erlangen, als Elternteil bindungsfördernd und an den Bedürfnissen des Kindes orientiert zu agieren.