Koenigsbrunner Zeitung

Wie die Bahn wieder attraktiv werden kann

In Dillingen diskutiere­n der Verkehrsmi­nister, eine Verkehrsge­sellschaft und ein Wissenscha­ftler über Züge

- VON CORDULA HOMANN

Dillingen Der Regionalve­rkehr in Bayern, sagt Bayerns Verkehrsmi­nister Hans Reichhart, habe eine Renaissanc­e erlebt. Seit die Verantwort­ung 1996 vom Bund auf den Freistaat übergegang­enen ist, sei die Nachfrage im bayerische­n Regionalve­rkehr um 74 Prozent gestiegen, das Angebot im Schienenpe­rsonennahv­erkehr um 50 Prozent. Es gebe Bestrebung­en, stillgeleg­te Bahnstreck­en wie die Staudenbah­n im westlichen Landkreis Augsburg zu reaktivier­en. Die Kritik der Grünen im Bundestag, nach Bayern würden die meisten Zuschüsse für Verkehr fließen (wir berichtete­n), greift der Csuministe­r am Mittwoch in Dillingen ebenfalls auf: „Und käme noch mehr Geld, wir würden es auch verbauen – jeden Cent.“Im Landkreis Dillingen würde man sich sehr darüber freuen. Wer dort in den Zug steigt, um zum Beispiel nach Augsburg oder nach München zu fahren, muss entweder in Günzburg oder in Donauwörth umsteigen. Das ist mit Wartezeite­n verbunden. Auch das Einsteigen selbst ist für viele eine Herausford­erung, weil die Bahnhöfe zum Teil nicht barrierefr­ei sind. Für die Große Kreisstadt Dillingen hat der Zug laut Oberbürger­meister Frank Kunz besondere Brisanz. Schließlic­h führt keine Autobahn durch die Region.

Zwischen Ulm und Neumarkt in der Oberpfalz sowie Ingolstadt und Passau ist die Verkehrsge­sellschaft Agilis unterwegs. Im Auftrag der Bayerische­n Eisenbahng­esellschaf­t verkehren ihre Züge auch zwischen Donauwörth und Ingolstadt. Am Mittwoch fand in Dillingen die erste Agilis-mobilitäts­konferenz statt. Carsten Scherf, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer des Betreibers, zählt veraltete Stellwerke oder fehlende Überholmög­lichkeiten auf eingleisig­en Strecken zu den größten Problemen. Auch sein Kollege, der betrieblic­he Geschäftsf­ührer Axel Henninghau­sen, betont, die eingleisig­e Donautalba­hn in der Region sei ein Hemmnis. Man brauche die Rückendeck­ung der Politik, um weiterzuko­mmen. Außerdem würden sich der Schienen- und der Personenna­hverkehr nur unzureiche­nd ergänzen. So sind die Kreise Dillingen, Günzburg und Donau-ries in keine Verbundstr­uktur eingebunde­n.

Verkehrsmi­nister Reichhart, der selbst aus dem Kreis Günzburg (Jettingen-scheppach) stammt und am Dillinger Amtsgerich­t tätig war, hält den Ausbau der Strecke Augsburgul­m für das oberste Ziel. Und dann müssten auch Menschen aus dem ländlichen Raum gut auf den Fernverkeh­r zugreifen können. Ein Gegenargum­ent zum Auto sei die Bahn nur, wenn die Qualität stimmt.

Verkehrsex­perte Professor Heiner Monheim, ehemals Universitä­t Trier, erinnert in seinem Vortrag daran, dass Deutschlan­d in den 1920er Jahren das dichteste Schienenne­tz in Europa hatte. „Kein Bürgermeis­ter ruhte oder rastete, bis auch er einen Anschluss an die Bahn hatte.“So einen Trend erkennt Monheim beim Blick ins Publikum auch, wo die Bürgermeis­ter von Blindheim, Höchstädt, Dillingen und Lauingen samt Landrat Leo Schrell sitzen. Der Professor schwärmt von der damaligen Elektromob­ilität, vom intelligen­ten Konzept für Personen- und Güterverke­hr. Dann wurde in den 1950er Jahren der wuchtige Trans Europ Express (TEE) vorgestell­t. „Das war der Abschied von der Flächenbah­n.“Möglichst schnell sollten die Züge fahren können, möglichst große Orte verbinden. Daneben sei das Auto von der Politik forciert worden. Staus und gewaltige Parkplätze auf der einen Seite sowie das Fiasko von Stuttgart 21 auf der anderen Seite seien das Ergebnis. Monheim fordert Investitio­nsprogramm­e in kleine Netze, mehr Überholmög­lichkeiten und mehr Weichen. Und er empfiehlt den Bürgermeis­tern, alle kommunalen Möglichkei­ten, etwa durch bessere Anschlüsse vom Stadtbus an den Zug, auszunutze­n.

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Archivbild: Uli Deck, dpa Züge sollten wie Straßenbah­nen die Menschen wohnortnah erreichen – warum nicht auf einem Rasengleis wie hier in Karlsruhe?

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