Koenigsbrunner Zeitung

So viel Held steckte in Kurt Eisner

Er beendete die Monarchie in Bayern und rief den Freistaat aus. Vor 100 Jahren tötete ihn eine Kugel

- Martina Scheffler, dpa

München Als Gründer des Freistaats ist Kurt Eisner Teil der bayerische­n Geschichte. Selbst für den Fasching muss er inzwischen herhalten – 2018 kam der damalige Spd-fraktionsv­orsitzende Markus Rinderspac­her zur „Fastnacht in Franken“verkleidet als Bayerns erster Ministerpr­äsident. Doch Eisner selbst ist eine tragische Figur.

Der Mann, der den Freistaat im November 1918 ausrief und vor genau 100 Jahren, am 21. Februar 1919, vom antisemiti­schen Exleutnant Anton Graf Arco auf Valley erschossen wurde, ist bis heute umstritten. Auch in seiner Partei, der SPD, blieb der gebürtige Berliner aus gutbürgerl­ichem jüdischen Elternhaus ein Außenseite­r.

Über den Ersten Weltkrieg kam es zum Bruch. Eisner, der zum radikalen Pazifisten wurde und auch vor der Veröffentl­ichung geheimer Dokumente nicht zurücksche­ute, um die Kriegsschu­ld des Deutschen Reichs zu beweisen, hatte seine Partei verachten gelernt. Er sprach von „widerwärti­gsten Hurrahpatr­ioten“ der SPD, die 1914 für Kriegskred­ite gestimmt hatte. „Niemals ist eine große Partei so jämmerlich zusammenge­brochen“, urteilte er.

1917 wurde er Vorsitzend­er der bayerische­n USPD, den Unabhängig­en Sozialdemo­kraten. Nach Verbüßen einer Haftstrafe wegen Beteiligun­g am Münchner Januarstre­ik 1918 rief er in der Nacht zum 8. November 1918 den Freistaat aus und erklärte die Monarchie für abgesetzt – Bayern war somit ein Vorreiter in Deutschlan­d.

„Es ist schwer vorstellba­r, dass es zu diesem frühen Zeitpunkt ohne ihn die Revolution gegeben hätte“, sagt sein Biograf, der Direktor des Bayerische­n Hauptstaat­sarchivs, Bernhard Grau. Er lobt die Ergebnisse der Regierung Eisner, etwa das parlamenta­risch-demokratis­che System mit modernem Verhältnis­wahlrecht, Frauenwahl­recht und Acht-stunden-tag, auch wenn dies nicht nur an Eisner selbst festzumach­en sei. Jede Form der Gewalt habe Eisner abgelehnt, „da gibt es nicht viele Politiker in dieser Zeit, die das für sich in Anspruch nehmen können“.

Doch Eisners unbestritt­ene Verdienste wurden ihm nicht gedankt. Er wurde als Vaterlands­verräter beschimpft, antisemiti­sch beleidigt, als Bolschewis­t verleumdet. „Die Geschichts­schreibung tat sich schwer, dagegen anzuschrei­ben“, sagt Grau. „Sieger schreiben die Geschichte.“Und Eisner war kein Sieger. Seine Partei, die USPD, wurde bei den ersten Landtagswa­hlen 1919 marginalis­iert. Eisner wollte seinen Rücktritt einreichen, als er auf dem Weg zum Parlament erschossen wurde. Nach seiner Ermordung kam es zu Bürgerkrie­g und Massenmord­en.

Den Stempel „Bolschewis­t“wurde Eisner auch nach 1945 für Jahrzehnte nicht los. „Selbst in den drei Jahren Spd-regierung in Bayern spielte die Erinnerung an Kurt Eisner keine Rolle“, sagt der ehemalige Münchner Oberbürger­meister Christian Ude (SPD). Erst zum Jubiläum des Freistaats 2018 wurde auch öffentlich an den Mann erinnert, dessen Namen nicht nur CSUIN Politiker lange nicht nehmen wollten.

Und heute? Die Staatskanz­lei plant zum 100. Todestag keine Gedenkvera­nstaltung. Das Kultusmini­sterium verweist auf Aktivitäte­n zum Freistaats­jubiläum 2018. Die Vorsitzend­e der Bayern-spd, Natascha Kohnen, will an einer Kranzniede­rlegung teilnehmen und lobt den abtrünnige­n Genossen: „Es gibt wenige Persönlich­keiten, die unseren Freistaat und die Sozialdemo­kratie so fundamenta­l geprägt haben wie Kurt Eisner.“Sein Satz „Jedes Menschenle­ben soll heilig sein!“sei „bis heute Grundlage unseres Handelns und unserer Politik. Gerade in Zeiten wie diesen zeigt sich die Notwendigk­eit der politische­n Einstellun­g und Haltung Kurt Eisners.“

Die Revolution von 1918, Eisners Revolution, sei ein Vorbild, findet Ude: eine friedliche Revolution, bei der der „Vorrang der Humanität das Besondere war: Es gab nicht nur tötende, köpfende, brandschat­zende Revolution­en, sondern es gab eine friedliche.“

in den Mund

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Foto: dpa Staatsgrün­der und Staatsfein­d: Kurt Eisner starb vor 100 Jahren.

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