Koenigsbrunner Zeitung

„Einer für alle, alle für einen“

Der FC Bayern sieht sich nach dem 0:0 gegen Liverpool auf dem Weg zu alter Stärke und verloren geglaubtem Selbstbewu­sstsein, auch wenn das Ergebnis ein großes Risiko birgt

- VON DIRK SALZMANN

Liverpool Es war schon kurz vor Mitternach­t deutscher Zeit, als Niko Kovac die Leistung seiner Bayern an der legendären Anfield Road in Liverpool bewertete. Während der 47-Jährige sichtbar zufrieden, aber mit der gebotenen Zurückhalt­ung über die von ihm gewählte Taktik und Aufstellun­g sprach, herrschte bei Karl-heinz Rummenigge unweit der Spielerkab­inen vergleichs­weiße Jubelstimm­ung. „Sepp Herberger hätte heute seine helle Freude gehabt“, sagte der Münchner Vorstandsc­hef – und fügte hinzu: „Einer für alle, alle für einen.“

Tatsächlic­h war es nicht die spielerisc­he Klasse oder die Qualität der Einzelkönn­er, die die Partie prägten. Nein, an diesem Abend in der Hafenstadt im Nordwesten Englands gab es das zu sehen, was die britischen Zuschauer vielleicht mehr schätzen als jedes andere Publikum weltweit: harte Zweikämpfe, Laufduelle, unbedingte­r Einsatz.

dass eben vor allem die bajuwarisc­hen Musketiere in dieser Hinsicht herausstac­hen, allen voran Javi Martínez, „der einfach hervorrage­nd war und einige Bälle abgefangen hat, die sonst ganz gefährlich hätten werden können“, wie Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic bestätigte.

Der Spanier profitiert­e von der Verletzung von Leon Goretzka und davon, dass Franck Ribéry nach der Geburt seines fünften Kindes noch an den Folgen einer schlaflose­n Nacht litt. Martínez spielte wie zu besten Triple-zeiten 2013. „Ich bin zufrieden mit meiner Leistung. Die Mannschaft braucht mich in schwierige­n Momenten und ich bin immer bereit für Spiele wie heute“, sagte der Abräumer, dem Torwart Manuel Neuer sogar noch ein Sonderlob aussprach: „Das hat er schon in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass er keinen Zweikampf verloren gibt. Chapeau vor seiner Leistung.“

Es braucht aber mehr als einen Martínez, um in Liverpool zu beste- hen. 0:2, 1:3, 1:4 – selten waren die Bayern-fans so skeptisch vor einer Partie. Zumal selbst Uli Hoeneß im Vorfeld gerade einmal ein Unentschie­den als Zielsetzun­g vorgegeben hatte. Auf Nachfragen, ob das nicht zu zurückhalt­en sei, wurde er fast schon ausfällig. Ein Sieg in Liverpool? Eher, so hätte man meinen können, würde in der Beatles-stadt den Rolling Stones ein Museum gewidmet.

Nein, der Respekt vor dem FC Liverpool, vor der Kulisse an der Anfield Road war tatsächlic­h groß und ließ keinen Platz für Miasan-mia-sprüche. Auch deshalb, weil sich die Bayern in der Bundesliga zuletzt immer wieder eklatante Fehler in der Abwehr leisteten. Nicht zuletzt beim jüngsten 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg.

Bundesliga ist aber nicht Champinur, ons League und die Champions League ist keine Bundesliga. Oder Weltmeiste­rschaft. Oder Europameis­terschaft. In diesem Stakkato versuchte Kovac zu erklären, warum in Liverpool plötzlich all das funktionie­rte, was vorher schieflief. Konkreter wurde Salihamidz­ic, der es so erklärte: „Jeder ist fünf bis zehn Prozent mehr konzentrie­rt, wenn es in der Champions League losgeht.“

Dem musste auch Jürgen Klopp zustimmen, der von der Leistung der Bayern nicht minder beeindruck­t war. „Ich habe weder Gnabry so gut verteidige­n gesehen noch habe ich Alaba und Kimmich so disziplini­ert und wenig in der Offensive gesehen“, sagte Liverpools deutscher Cheftraine­r.

Rummenigge hätte noch mehr Sprüche von Sepp Herberger aus der Zitate-sammlung hervorzaub­ern können, etwa den vom Runden, das ins Eckige muss. Aber weil das im Hinspiel nicht gelang, geht es nun eben mit einem 0:0 am 13. März ins Rückspiel. Die Ausgangsla­ge ist gefährlich, denn sollte Liverpool einen Treffer erzielen, bräuchten die Bayern derer schon mindestens zwei zum Weiterkomm­en.

Entspreche­nd sagte Klopp, dass dies für sein Team kein optimales, aber dann doch ein Ergebnis sei, mit dem man gut leben könne. Das nächste Spiel ist ohnehin immer das schwerste. Und natürlich: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Aber auch wenn noch keine Partystimm­ung bei Trainer und Spielern aufkommen wollte, dem bajuwarisc­hen Selbstbewu­sstsein hat er gutgetan, dieser Abend in Liverpool. Vielleicht war dieses 0:0 sogar mehr wert, als das reine Ergebnis aussagt. Rummenigge zumindest ließ es sich nicht nehmen, darauf hinzuweise­n, dass „wir noch in allen drei Wettbewerb­en unterwegs sind“. Und weiter: „Alles ist möglich. Man darf einen FC Bayern niemals unterschät­zen.“

Das hatte sich vor dem Spiel noch ganz anders angehört.

Selbst Jürgen Klopp war beeindruck­t von den Bayern

 ?? Foto: Witters ?? Fast wie ein Sieg: Die Bayern-profis feierten nach dem 0:0 gegen Liverpool mit ihren mitgereist­en Fans.
Foto: Witters Fast wie ein Sieg: Die Bayern-profis feierten nach dem 0:0 gegen Liverpool mit ihren mitgereist­en Fans.

Newspapers in German

Newspapers from Germany