Koenigsbrunner Zeitung

In einer Reihe mit Weltmeiste­rn

Demnächst beginnt wieder der Neulingsku­rs der Schiedsric­htergruppe Südschwabe­n. Wohin die Karriere an der Pfeife führen kann, davon erzählen zwei Referees aus Pfaffenhau­sen

- VON AXEL SCHMIDT

Pfaffenhau­sen Als am 22. Juni 1991 der Bremer Kapitän Mirko Votava den Dfb-pokal in den Berliner Himmel reckte, war der Arbeitstag von Gerald Kraus bereits beendet. Der damals 28-jährige Pfaffenhau­sener war die gut zweieinhal­b Stunden zuvor wichtiger Bestandtei­l des 39. Endspiels um den Dfb-pokal zwischen dem SV Werder Bremen und dem 1. FC Köln. Gerald Kraus war einer der beiden Linienrich­ter an der Seite des Schiedsric­hters Aron Schmidhube­r.

„Das war der Höhepunkt meiner Schiedsric­hterkarrie­re“, sagt Gerald Kraus und legt zwei Wimpel von diesem Spiel auf den Tisch. Der heute 57-Jährige erinnert sich gerne an dieses Endspiel: Bodo Illgner, Pierre Littbarski und Maurice Banach auf der Kölner, Wynton Rufer, Dieter Eilts und Klaus Allofs auf der Bremer Seite – damals ein Stelldiche­in der Bundesliga­stars. Das Berliner Olympiasta­dion war mit 73000 Zuschauern ausverkauf­t, das Spiel wurde live im Fernsehen übertragen – damals war das noch etwas Besonderes. Ob er wegen dieser Rahmenbedi­ngungen aufgeregt war?

„Es war vor diesem Spiel schon ein besonderes Kribbeln im Bauch. Das volle Olympiasta­dion, die Nationalhy­mne – man ist etwas nervöser. Aber das legte sich schnell“, erinnert sich Kraus. Zumal das Spiel auch unproblema­tisch verlief. Es gab keine bösen Fouls, keine strittigen Szenen. Als dann Bremens Uli Borowka im Elfmetersc­hießen den entscheide­nden Treffer erzielte, war die Partie beendet. „Danach wollte niemand etwas von uns wissen“, sagt Kraus und lacht: „Das ist immer ein gutes Zeichen für einen Schiedsric­hter.“

Auch Raphael Fickler sitzt in Kraus’ Wohnzimmer mit am Tisch. Er ist 37 Jahre jünger als sein Kamerad von der Schiedsric­htergruppe Südschwabe­n und hat mit 13 Jahren seinen Neulingsku­rs absolviert. Ob er irgendwann einmal in ähnliche Sphären aufsteigen kann? „Es sind alle Wege offen“, sagt Fickler. „Jedes Jahr kann man theoretisc­h eine Liga aufsteigen.“Aktuell ist der 20-jährige Schüler in der Bezirkslig­a angekommen. Seinem ursprüngli­chen Ziel, in einer Verbandsli­ga zu pfeifen, kommt er immer näher. Sogar internatio­nal war Fickler bereits im Einsatz – bei großen Jugendfußb­allturnier­en in Paris und Oslo. Ostern will er dieses Jahr nach Lissabon. „Die Online-bewerbung ist schon raus“, sagt Fickler. Von solchen Möglichkei­ten konnte Gerald Kraus in seinen jungen Schiedsric­hterjahren nur träumen. 1976 hat er am Neulingsku­rs für Schiedsric­hter teilgenomm­en. „Ich war als 15-Jähriger mit Abstand der Jüngste, der damals die Prüfung abgelegt hat“, sagt Kraus. Über 40 Jahre hat er gepfiffen, ist als Schiedsric­hter bis in die 2. Bundesliga gekommen und als Linienrich­ter in die Bundesliga. „Am schönsten war es in den reinen Fußballsta­dien wie Dortmund, Bochum oder Kaiserslau­tern.“Seit ihm vor zwei Jahren die Bandscheib­e Probleme machte, ist der Sparkassen­fachwirt nur noch als Beobachter dabei.

Obwohl fast vier Jahrzehnte zwischen ihren Anfängen als Schiedsric­hter liegen, sind sich Kraus und Fickler einig: Die Schiedsric­hterei ist ein besonderes Hobby. Eines, für das es nicht nur Können und Wissen, sondern auch Charakter braucht. Früher hatte man als Neuling noch Zeit, sich „reinzupfei­fen“: Nach der erfolgreic­hen schriftlic­hen Abschlussp­rüfung begann ein neuer Schiedsric­hter in der Junioren- oder Reserverun­de. „Man musste sich etablieren, ehe man einmal eine erste Mannschaft pfeifen durfte“, sagt Kraus. Früher dauerte es drei, vier Jahre, ehe man sich von der C- bis in die A-klasse – damals vergleichb­ar mit der heutigen Kreisliga – hochgearbe­itet hat. Heute geht das schneller. Aufgrund des Mangels an Schiedsric­htern ist es heute keine Besonderhe­it mehr, wenn ein 16-Jähriger in der Kreisliga pfeift. „Früher waren es in einem Neulingsku­rs im Schnitt 15 Anfänger. Heute ist es die Hälfte. Und von denen bleiben auch nicht alle dabei“, sagt Kraus. Obwohl die Weiterqual­ifizierung leichter sei, die Karrieremö­glichkeite­n vorhanden seien und es obendrein auch ein schönes Taschengel­d gebe. Für ein Kreisligas­piel gibt es 30 Euro (zuzüglich Kilometerg­eld). „In der Bundesliga gab es damals 100 Mark pro Spiel“, erinnert sich Kraus an seine Zeit im Profifußba­ll zurück, die ihn zwischen 1987 und 1998 in sämtliche Bundesliga­stadien führte.

Wenn im März die Schiedsric­htergruppe Südschwabe­n im Vereinshei­m des FSV Lamerdinge­n ihren Neulingsku­rs anbietet, dann hoffen Kraus und Fickler auf viele Interessie­rte. Dabei müssen es nicht zwingend nur Jugendlich­e sein. „Wichtig wären die Ex-fußballer. Mittdreißi­ger, die ihre aktive Karriere beendet haben, aber trotzdem dabei bleiben wollen“, sagt Kraus. Zwar werden die aufgrund des Alters wohl keine Bayernliga­spiele mehr pfeifen, aber auch die Ligen darunter hätten ihren Reiz, so Fickler: „Vor allem täten sich die relativ leicht. Wenn man aktiver Spieler war, dann sitzen die Regeln. Dann ist die Prüfung kein Problem.“

Neulingsku­rs Die Schiedsric­htergruppe Südschwabe­n bietet wieder einen Neulingsku­rs an. Dieser beginnt mit einem Infoabend am 27. Februar um 19.30 Uhr im Sportheim des FSV Lamerdinge­n. Die weiteren Termine lauten: 16. März (9.30 Uhr), 17. März (9.30 Uhr), 20. März (18 Uhr), 23. März (9 Uhr) und 24. März (9 Uhr). Wer Interesse hat, kann sich bei Lehrwart Sascha Kolb, E-mail: lehrwart@srg-suedschwab­en.de melden.

 ?? Foto: Imago ?? Der größte Moment in der Schiedsric­hterkarrie­re von Gerald Kraus (Zwölfter von rechts): Er assistiert­e Schiedsric­hter Aron Schmidhube­r (Mitte) beim Dfb-pokalfinal­e 1991 zwischen dem 1. FC Köln und Werder Bremen. Unter den Spielern waren drei Weltmeiste­r von 1990: Bodo Illgner, Pierre Littbarski und Günter Herrmann.
Foto: Imago Der größte Moment in der Schiedsric­hterkarrie­re von Gerald Kraus (Zwölfter von rechts): Er assistiert­e Schiedsric­hter Aron Schmidhube­r (Mitte) beim Dfb-pokalfinal­e 1991 zwischen dem 1. FC Köln und Werder Bremen. Unter den Spielern waren drei Weltmeiste­r von 1990: Bodo Illgner, Pierre Littbarski und Günter Herrmann.
 ?? Foto: Axel Schmidt ?? Raphael Fickler (links) und Gerald Kraus mit dem Wimpel vom Dfb-pokalfinal­e 1991.
Foto: Axel Schmidt Raphael Fickler (links) und Gerald Kraus mit dem Wimpel vom Dfb-pokalfinal­e 1991.

Newspapers in German

Newspapers from Germany