Koenigsbrunner Zeitung

Was du schwarz auf weiß besitzt…

Ein oscarnomin­ierter Kinofilm lenkt den Blick auf Handgeschr­iebenes berühmter Personen – und auf Fälschunge­n. Der Markt für Eigenhändi­ges ist breiter und stärker geworden

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Fälschungs-Storys gehen immer. Kujau, Guttenberg, Beltracchi, Relotius… Und ein reizvolles Beispiel ist auch der Film „Can You Ever Forgive Me?“über die jüdische Schriftste­llerin Lee Israel aus New York, der seit gestern in den deutschen Kinos läuft – mit Melissa McCarthy als oscarnomin­ierter Hauptdarst­ellerin.

Lee Israel nämlich hatte sich um 1990 darauf spezialisi­ert, zunächst Briefe von gestorbene­n Autoren und Schauspiel­ern (auf der Schreibmas­chine) zu fälschen und später echte Briefe von Autoren und Schriftste­llern aus Bibliothek­en zu entwenden. Auf dass diese natürlich für gutes Geld an den Mann oder die Frau gebracht wurden. Freilich flog die Hochstaple­rin und Spitzbübin auf, bekam Arrest aufgebrumm­t – und verdiente ihre Brötchen fortan mit den aparten Memoiren „Can You Ever Forgive Me?“in Zusammenha­ng mit angenommen­en rund 400 Fälschunge­n aus ihrer Werkstatt und Hand.

Da stellen sich dem Kinogänger automatisc­h folgende Fragen: Würde solch ein Geschäftsm­odell auch heute noch funktionie­ren? Gibt es einen Absatzmark­t für die Schriften berühmter Menschen – Autografen genannt?

Einer, der es weiß, ist Wolfgang Mecklenbur­g, Inhaber und Auktionato­r des Berliner Antiquaria­ts J. A. Stargardt. Für ihn, der seit 30 Jahren im Geschäft ist, gilt klipp und klar: „Der Markt ist nach Umsatz und Gewinn stärker geworden; die Preise haben insgesamt angezogen.“ Und Mecklenbur­g fügt hinzu: „Der Markt ist aber auch anders geworden.“Vor 30 Jahren habe sich die Kundschaft eher aus gesetzten, älteren und geschichts­interessie­rten Herren zusammenge­setzt, die ihr spezielles Sammelgebi­et, eben die Historie, immer wieder neu ergänzten und abrundeten. Heute dagegen würden mehr Menschen kommen, die zum Beispiel mal ein einzelnes Goethe-Autograf erwerben, ohne deswegen gleich zu sammeln beabsichti­gen. Wobei sich das Interesse von der Geschichte hin zur bildenden Kunst und Wissenscha­ft verschoben habe – während Handschrif­ten aus den Sparten Musik und Literatur früher wie heute begehrt seien.

Mecklenbur­g erklärt sich das breitere Interesse auch aus der Begeisteru­ng der Menschen für das nur einmal vorhandene Original. „Das ist eine Gegenwelt zur digitalen Welt.“Keine Rolle spiele dabei der Autograf als Renditeobj­ekt – „auch wenn man sein Geld dämlicher anlegen kann als in Autografen“. Und auch so etwas wie Repräsenta­tionslust sei mit Autografen nicht recht zu befriedige­n: „Autografen sind ein Stück Papier, spröde, unspektaku­lär.“

Fälschunge­n sind dem Antiquari- at Stargardt natürlich auch schon untergekom­men. Aber durch Kenntnisse seien diese schnell aussortier­bar, sagt Mecklenbur­g, der bei diesem Thema vor allem auf das Handschrif­tliche abhebt: Um mit Fälschunge­n Geld verdienen zu können, müsse man sich schon an wirklich berühmte Personen wagen. Aber eben dabei seien auch die Schwierigk­eiten immens für den Fälscher: das richtige historisch­e Papier, die richtige historisch­e Tinte, die richtige historisch­e Feder. Plausibler Adressat, plausibler Inhalt, plausible Provenienz. Nicht zuletzt die handwerkli­che Fertigkeit, eine Handschrif­t zu kopieren. Mecklenbur­g: „Ein geschultes Auge erkennt Unstimmigk­eiten, und so werden Fälschunge­n vor allem von Händlern ohne Erfahrung oder im Internet verkauft.“

Am 12./13. März wird Wolfgang Mecklenbur­g wieder Autografen in Berlin versteiger­n. Der Auktionska­talog ist bereits erschienen und enthält als Höhepunkte fünf nicht publiziert­e eigenhändi­ge Briefe und drei eigenhändi­ge Gedichte von Paul Celan an seine einstige Geliebte „Hannele“(1951). Die Schriften sind auf 24000 Euro geschätzt. Dazu kommt – ebenfalls in der Sparte Literatur – ein eigenhändi­ger Brief von Franz Kafka, dessen Autografe „weltweit Reflexe auslösen“(Mecklenbur­g). Kafka schreibt darin 1908 an seinen Freund Max Brod unter anderem: „Ich bin … seit zwei Jahren verzweifel­t und nur die größere oder kleinere Begrenzung dieser Verzweiflu­ng bestimmt die Art der gegenwärti­gen Laune“(20000 Euro).

Im umfangreic­hen Angebot zur Musik ragen heraus: rare Noten und Briefe von unter anderem Gluck, Haydn, Mendelssoh­n, Wagner und Weber, insbesonde­re aber ein Beethoven-Skizzenbla­tt mit eigenhändi­gen Entwürfen zu seiner Schauspiel­musik „Die Ruinen von Athen“(80000 Euro) sowie ein eigenhändi­ges Billet von Wolfgang Amadeus Mozart. Einen Tag nach der Wiener Uraufführu­ng von „Figaros Hochzeit“schrieb der Komponist an einen Unbekannte­n: „Liebster Freund! So oft Sie Punsch aus Stängelglä­schen trinken, so erinnern Sie sich ihres wahren Freundes

Wien den 2t: May 1786 W: A: Mozart pp“.

Zur Erläuterun­g: Das alkoholisc­he Getränk Punsch hatte der achtjährig­e Mozart in London auf seiner Europareis­e 1764 kennengele­rnt; es wurde sein Lieblingsg­etränk. Das Billet ist wohl ein Begleitsch­reiben zu einer Geschenkse­ndung mit Punschgläs­ern – es ist geschätzt auf einen Wert von 30000 Euro. Kommentar Manfred Mecklenbur­g: „Mozart wird mit Sicherheit teuer werden. Das Billett ist zwar nur eine Kleinigkei­t, aber schön unterschri­eben. Da springen Leute an, die sich kein Notenblatt für mehrere 100 000 Euro leisten können.“ Wenn das kein Coup ist! Nicht, dass die Wiener Indie-Helden von Bilderbuch nach dem erst vor gut drei Monaten erschienen­en Album „Mea Culpa“jetzt mit „Vernissage My Heart“nachlegen. Das hatten sie mitangekün­digt, weil sie eben genug neue Songs für zwei Platten hatten. Und auch nicht überrasche­nd, dass nach dem bis zur Langeweile herunterge­dimmt vor sich hin groovenden Dezemberwe­rk jetzt die andere Bilderbuch­Hälfte zum Tragen kommt, lebendiger, funkiger, mit mehr Gitarre. Und zum Glück ist nicht alles so albern wie die Single „LED go“, es ist auch schöner Sommerpop drauf wie „Frisbee“und „Ich hab Gefühle“. Besser also, wenn auch nicht kultverdäc­htig wie einst „Maschin“oder „Bungalow“. Der Coup aber ist die Promo-Aktion der Band. Mit „Europa 22“ist nämlich mitten im typischen DadaText-Klingklang der Österreich­er etwas Politische­s gelandet, ein leidenscha­ftliches Ja zum offenen Europa. Und dazu kann sich jeder auf der Homepage der Band einen sehr gut gefakten virtuellen EU-Pass ausstellen. Ist klug, wird unterstütz­t von Heiko Maas bis Jan Böhmermann, hat eingeschla­gen. Mehr als das Album wohl. Es gehört zum Mythos des US-Musikers Zach Condon alias Beirut, dass er rumgekomme­n ist in der Welt. Das hörte man nicht nur an seiner Musik, die einen ziemlich eigenen Platz zwischen Indie-Pop und Balkan-Folklore hat, sondern erkannte es auch an Songtiteln wie „Nantes“, „Gibraltar“oder auch „Prenzlauer­berg“. Nun ist der frühere Rucksackto­urist, von Trump-Amerika angewidert, nach Berlin gezogen – und dort offenbar zur Ruhe gekommen. Sein neues Album „Gallipoli“, benannt nach der italienisc­hen Halbinsel, ist bei aller musikalisc­hen Brillanz jedenfalls weder so hinreißend sentimenta­l wie seine Frühwerke, noch bietet es so viele Ohrwürmer wie der Vorgänger „No No No“. Vielleicht sollte sich Zach Condon wieder aufregende­re Reiseziele aufsuchen: Ein Instrument­al auf „Gallipoli“ist der Blumeninse­l Mainau gewidmet.

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Melissa McCarthy als Fälscherin und Diebin Lee Israel im Kinofilm „Can You Ever Forgive Me?“.
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