Koenigsbrunner Zeitung

„Der Tatort ist diesmal eher ein Thriller“

Dagmar Manzel, die in Franken Kommissari­n Paula Ringelhahn darstellt, sieht sich vor allem als Bühnenscha­uspielerin. Warum für sie das Theater immer aktuell bleiben wird

- Interview: Josef Karg

Frau Manzel, am Sonntag ermitteln Sie wieder in Franken. Mehrere Morde im Abstand von genau einer Stunde – in Bayreuth ist also im neuen Tatort „Ein Tag wie jeder andere“ganz schön was los, oder?

Dagmar Manzel: Ja, der FrankenTat­ort ist diesmal eher ein Thriller. Es geht wirklich sehr, sehr spannend zu. Aber es geht letztendli­ch auch darum, aufzulösen, warum dieser Mensch im Mittelpunk­t der Handlung panisch jede Stunde einen Menschen umbringt. Sie haben schon Petra Kelly oder Maria Stuart gespielt. Welchen Stellenwer­t hat für Sie die Rolle als Kommissari­n Paula Ringelhahn im beliebtest­en deutschen Krimiforma­t?

Manzel: Also für mich ist es eine große Freude, einmal im Jahr diesen Tatort zu drehen. So ist es auch zeitlich machbar, weil ich ansonsten ja sehr viel an der Komischen Oper in Berlin singe, am Theater spiele, Konzerte und Lesungen gebe. Als mir diese Rolle angeboten wurde, hat sie mich von Anfang an sehr gereizt. Sie drehten diesmal auch im Festspielh­aus Bayreuth mit vollem Publikum. Ist das für eine Schauspiel­erin auch etwas Besonderes?

Manzel: Es hat sich natürlich nicht um das Publikum gehandelt, sondern es waren Statisten. Die Aufnahmen dort waren trotzdem toll. Ich war das erste Mal im Festspielh­aus und überwältig­t von dem Klangerleb­nis. Wir durften auch in den Orchesterg­raben und auf die Bühne. Ich will diesmal unbedingt, wenn die Meistersin­ger wieder gespielt werden, einmal zu einer echten Aufführung kommen. Sie sagten, in jeder Rolle, die Sie spielen, findet sich etwas von Ihnen selbst. Wie viel Dagmar Manzel steckt in Paula Ringelhahn?

Manzel: Die Paula ist eine sehr Bodenständ­ige. Das, so denke ich zumindest, bin ich auch. Sie liebt ihre Arbeit genauso, wie ich meinen Job liebe. Ich teile mit ihr auch das leidenscha­ftliche Wesen und kann zudem keine Ungerechti­gkeit ertragen. Das sind schon alles Parallelen zu mir. Welche Ungerechti­gkeiten können Sie persönlich nicht ertragen?

Manzel: Beispielsw­eise, wenn Leute schlecht behandelt werden. Oder wenn ihre Arbeit nicht genug gewürdigt wird und man versucht, Lohndumpin­g zu betreiben. Sehen Sie die sozialen Verhältnis­se in unserem Land also kritisch?

Manzel: Es gibt dieses Gefälle zwischen Reich und Arm in unserer Gesellscha­ft. Nicht umsonst sind so viele Menschen unzufriede­n. Und wenn es den Leuten finanziell besser ginge und sie eine Rente bekämen, von der sie ihre Miete bezahlen könnten – dann wäre das doch wohl das Mindeste. Aber es gibt noch viel zu viele, die das nicht können. Das ist unfassbar, wenn man bedenkt, in welch reichem Land wir leben. Noch mal zu Ihrer Arbeit. Manchmal, so sagen Sie, werden Sie bei Ihrer Arbeit durch Momente belohnt, in denen Sie ganz in Ihrer Figur aufgehen. Sie vergleiche­n diesen Zustand, als würden Sie anfangen zu fliegen. Was passiert da?

Manzel: Wenn ich das beschreibe­n könnte, dann hätte ich schon ein Buch darüber herausgebr­acht. Aber Spaß beiseite. Das sind einfach Momente, die absolut stimmig sind. Das sind Situatione­n, die sich von ganz allein spielen, man vergisst alles um sich herum. Dann fliege ich. Passiert das oft?

Manzel: Ja, bei mir passiert das öfter. Ganz einfach, weil ich auch großes Glück mit meinen Arbeiten habe. Ich darf Rollen verkörpern, die mich sehr glücklich machen. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Die ruhige Arbeit im Garten ist für Sie ein Ausgleich zum aufregende­n Beruf als Schauspiel­erin – heißt es. Was lieben Sie an der Gartenarbe­it? Manzel (lacht): Das Umgraben! Wirklich?

Manzel: Nein, ich mag es einfach, wenn man mit der Natur verbunden ist. Bei der Gartenarbe­it wird bei mir der Kopf frei. Ob Beete anlegen oder Kartoffeln ernten – das tut einfach gut. Es ist wie eine Meditation. Man lässt seine ganzen Probleme und ungelösten Fragen hinter sich. Haben Sie noch weitere Hobbys?

Manzel: Na ja, meine Hauptarbei­t ist mein Beruf. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit für andere Hobbys. Sie sind im vergangene­n Jahr 60 geworden. Für viele Menschen ist dieser Sprung ins nächste Jahrzehnt eine Zäsur. Wie erging es Ihnen?

Manzel: Das war für mich überhaupt kein Problem. Ob ich 50, 60 oder 70 bin, das ändert nichts an meiner Haltung und Freude zum oder am Leben. Ist doch schön, den 60. Geburtstag feiern zu können. Ich genieße jedes Jahr und freue mich auf das, was noch kommt. Man konnte lesen, Sie wünschen sich schöne Altersroll­en wie Mutter Courage?

Manzel: Ja, die würde ich gerne spielen, aber ob sich das wirklich erfüllt, weiß ich nicht. Es sind so einige Rollen an mir vorbeigega­ngen. Das ist aber für mich auch nicht schlimm. Manche Rollen bleiben halt ein Traum. „Das Theater wird nie tot sein“, sagen Sie. Was führt Sie zu dieser optimistis­chen Aussage? Und – eine ketzerisch­e Frage: Warum braucht man heutzutage überhaupt noch Theater?

Manzel: Theater ist der einzige Ort, wo man mit dem Publikum Zeit verbringt und eine Reise macht. Das kann man nicht vergleiche­n mit Film. Wenn die Besucher mit den Künstlern zusammen einen Abend erleben, so ist das im Gegensatz zum Film einmalig und nicht wiederholb­ar. Das ist die älteste Kommunikat­ion zwischen Zuschauer und Künstler. Die wird immer Bestand haben. Denn der Mensch vor seinem Laptop wird einsam. Nicht zuletzt eine schwere Krankheit habe Sie Dankbarkei­t gelehrt, sagen Sie. Dankbarkei­t wem gegenüber?

Manzel: Dem Leben gegenüber. Die wichtigste Erfahrung dabei ist, bewusst zu leben und aus seinem Leben etwas zu machen. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Sie gehören nicht zu den Schauspiel­erinnen, die man regelmäßig in Talkshows oder auf roten Teppichen sieht. Mögen Sie das nicht?

Manzel: Nö. Das ist mir schlicht zu laut. Ich brauche das nicht. Manche mögen den roten Teppich, andere nicht. Ich gehöre zu den anderen. Auch als Grand Dame des Schauspiel­s mögen Sie nicht bezeichnet werden. Wer Sie würdigen will, soll lieber sagen …?

Manzel: Die sagen immer zu mir: Anti-Diva. Was ich sehr witzig finde. Auf der Bühne kann ich durchaus die Diva geben, aber privat bin ich keine, sondern bin ganz normal.

Der Franken-Tatort „Ein Tag wie jeder andere“wird am kommenden Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten gesendet.

 ??  ?? Foto: Nicolas Armer, dpa Dagmar Manzel, geboren am 1. September 1958 in Ostberlin, und ihr Kollege Fabian Hinrichs bei einem Fototermin vor dem Bayreuther Festspielh­aus. Am Sonntag ermitteln sie als Franken-Tatort-Team.
Foto: Nicolas Armer, dpa Dagmar Manzel, geboren am 1. September 1958 in Ostberlin, und ihr Kollege Fabian Hinrichs bei einem Fototermin vor dem Bayreuther Festspielh­aus. Am Sonntag ermitteln sie als Franken-Tatort-Team.

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