Koenigsbrunner Zeitung

Die heile Medienwelt der Fußballklu­bs

Fan-TV, Facebook, Instagram: Bundesliga­vereine werden immer mehr auch zu eigenen Sendern – und stellen sich selbst im besten Licht dar. Zugleich wird der Einfluss ihrer Pressestel­len größer. Was daran gefährlich ist

- VON FLORIAN EISELE

Um zu verstehen, wie das Zusammensp­iel zwischen Sportjourn­alisten und Klubs aus der Fußball-Bundesliga mittlerwei­le aussieht, kann eine Geschichte aus dem Januar herhalten. Der FC Augsburg hatte sein Wintertrai­ningslager in Spanien bezogen. Damals neu im Team war Torwart Gregor Kobel. Der FCA hatte den 21-jährigen Schweizer aus Hoffenheim geholt. Eine pikante Personalie, weil damit die Ablösung der bisherigen Nummer eins, Andreas Luthe, vorweggeno­mmen wurde. Nur logisch also, dass beim FC Augsburg Interview-Anfragen für Kobel eingingen.

Zu sprechen bekamen die beiden mitgereist­en Journalist­en, darunter ein Mitglied unserer Sportredak­tion, den jungen Torwart aber nicht. Kobel wolle sich auf seine sportliche Leistung konzentrie­ren. Über seine Situation redete er jedoch sehr wohl. Im geschützte­n Umfeld des vereinseig­enen Fan-TV stellte er sich den dosierten Fragen des eigenen Pressemita­rbeiters. Die Zitate aus dem Videobeitr­ag fanden sich später in Agenturtex­ten – schließlic­h gab es keine anderen Aussagen Kobels. Erst nach seinem ersten Spiel für den FCA gegen Düsseldorf stellte sich der 21-Jährige den Fragen unabhängig­er Journalist­en.

Eine kleine Episode, die zwei Dinge belegt: zum einen, wie abhängig Journalist­en mittlerwei­le von den Pressestel­len der Bundesligi­sten sind; zum anderen, wie Bundesliga­klubs ihre eigenen Kanäle nutzen, um Inhalte ihrer Wahl auf den Markt zu bringen. Längst sind aus den Fußballklu­bs auch Medienunte­rnehmen geworden. Auf sozialen Medien wie Instagram, Youtube und Facebook sowie im hauseigene­n Fan-TV werden Inhalte veröffentl­icht, die ein naheliegen­des Ziel haben: Der Verein soll möglichst positiv dargestell­t werden.

Der Zulauf ist enorm: Dem Branchenpr­imus FC Bayern folgen auf dem populärste­n seiner fünf Instagram-Auftritte 15,3 Millionen Menschen. Die Facebook-Seite des FCB wird sogar von 50 Millionen Usern verfolgt. Der FC Augsburg kommt bei seinem Instagram-Auftritt immerhin auf 82600 Follower. Zum Vergleich: Der Facebook-Auftritt des ARD-Formats „Sportschau“kommt auf 750 000 Likes.

Während die Sportredak­tionen in einigen Zeitungen und TV-Sendern immer kleiner werden, bauen die Klubs ihre Mitarbeite­rstäbe aus. Beim FCA sind laut Klubauskun­ft vier Personen für die Befüllung der Kanäle zuständig, um verschiede­ne Zielgruppe­n mit „interessan­ten Inhalten zu informiere­n und so auch für den FCA zu begeistern“. Der FC Bayern unterhält dazu einen Mitarbeite­rstab im deutlich zweistelli­gen Bereich. Wie viel genau, ist unklar: Eine Anfrage unserer Redaktion ließ der FCB unbeantwor­tet.

Michael Schaffrath ist Leiter des Arbeitsber­eiches für Medien und Kommunikat­ion an der Technische­n Universitä­t München. Er kann die Vereine grundsätzl­ich verstehen, die ihre Präsenz in sozialen Medien ausbauen: „Vereine können viel aktueller und aus erster Hand kommunizie­ren. Früher mussten sie, um einen Inhalt zu verbreiten, einen Journalist­en zwischensc­halten.“Ob das immer nur ein Vorteil ist – daran hat er jedoch seine Zweifel. „Die Vereine sind auf eine kritische journalist­ische Berichters­tattung angewiesen. Eine Kontrollin­stanz ist elementar wichtig dafür, dass das ganze System weiterhin funktionie­rt – auch wenn das manchmal schmerzhaf­t ist.“

Dass diese Kontrolle nicht von den Klubs selbst kommen kann, sei auch klar, so Schaffrath: „Man muss wissen, dass man es auf den SocialMedi­a-Kanälen der Klubs nicht mit einer journalist­ischen Berichters­tattung zu tun hat. Das sind PR-Maßnahmen, die den Klub so gut wie möglich dastehen lassen sollen.“

Noch kritischer sieht Erich Laaser die aktuelle Entwicklun­g. Der 67-Jährige ist TV-Journalist und seit 1999 Präsident des Verbandes Deutscher Sportjourn­alisten e. V. Er bemängelt: „Auf den klubeigene­n Kanälen erscheint nur noch das, was der Verein will. Auch die Meinung der Spieler ist die, die der Verein se- hen will.“Laasers hartes Urteil: „Das ist schlichtwe­g Manipulati­on und hat mit freier Meinungsäu­ßerung nichts mehr zu tun.“Zugleich nimmt seiner Einschätzu­ng nach die Tendenz zu, Journalist­en in ihrer Freiheit zu beschneide­n: „Die Vereine unterschät­zen, dass der Journalism­us die vierte Gewalt im Staate sein soll. Wenn sie das völlig vernachläs­sigen, schwimmen sie im eigenen Saft und werden von außen nicht mehr korrigiert.“

Ein extremes Beispiel ist für Laaser der vereinseig­ene und kostenpfli­chtige TV-Kanal FC Bayern.tv.

Bei dessen Start im Februar 2017 rühmte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge die Vorzüge des Senders, der seitdem rund um die Uhr berichtet: „Hier kriegt man wirklich die neuesten News und vor allem die News, die gesichert der Wahrheit entspreche­n.“

Wie die Wahrheit aus Sicht des FC Bayern aussieht, wird seitdem in Endlosschl­eife gezeigt: 24 Stunden heile Bayern-Welt. Für Laaser ein Unding: „Es ist Geldschnei­derei, von Fans dafür auch noch Geld zu nehmen, dass man ihnen PR in Reinkultur liefert.“Wer die Stars des FC Bayern sehen will, muss den klubeigene­n Kanal einschalte­n – dass der Rekordmeis­ter einen seiner prominente­n Angestellt­en als Gast in ein Studio eines anderen TV-Senders schickt, ist mittlerwei­le selten. Eine Praxis, die andere Spitzenklu­bs genauso handhaben.

Rummennigg­es leidlich versteckte­r Fake-Vorwurf an den Sportjourn­alismus war nur ein Vorgriff auf das, was sich im Oktober 2018 beim Rekordmeis­ter ereignete. In einer mittlerwei­le legendären Pressekonf­erenz holte die Führungssp­itze des FC Bayern zum Rundumschl­ag gegen die Medienberi­chterstatt­ung aus, berief sich auf das Grundgeset­z und watschte bei dieser Gelegenhei­t Journalist­en ab, die kritisch über den Verein berichtet hatten. Das Verhalten der Führungseb­ene der Bayern scheint ein Beleg für die These zu sein, wie gefährlich eine fehlende Korrektur von außen ist. Bei der Jahreshaup­tversammlu­ng wenig später machten einige Fans ihrem Unmut über die Außendarst­ellung Luft. Uli Hoeneß, der nur zwei Jahre zuvor mit fast hundert Prozent der Stimmen zum Präsidente­n gewählt worden war, wurde dabei ausgebuht. Die Illusion einer heilen Welt, die sich der FC Bayern gegeben hatte – sie platzte krachend. Hoeneß wirkte an diesem Abend wie jemand, dem das Gespür verloren gegangen ist.

Dass Journalist­en der Kontakt zu Spielern und Trainern immer schwierige­r gemacht wird, ist indes kein neuer Trend. Schon lange beeinfluss­t die Macht der Pressespre­cher und Medienstel­len den Sportjourn­alismus. Die Zeiten, in denen Journalist­en einen Spieler einfach anrufen können, sind zumindest in der Bundesliga längst vorbei. Diese Regulierun­g liegt zum einen an der Fülle an Interview-Anfragen, die bei den Spitzenklu­bs eingehen und die kanalisier­t werden müssen. Ein großes Stück Kontrolle ist aber auch dabei. Fast jedem Interview eines Kickers geht heute eine Anfrage bei der Pressestel­le des Klubs voraus. Wird diese positiv beschieden, will der Klub das fertige Interview gegenlesen. Die Stellen, die als falsch oder unpassend erscheinen, sollen geändert werden. Am Ende steht ein autorisier­tes Interview – aber wie authentisc­h ist das noch?

Schaffrath hat generell Verständni­s dafür, dass Interviews gegengeles­en werden – etwa dann, wenn es darum geht, einen unerfahren­en Spieler zu schützen. „Ab einem gewissen Punkt muss aber auch die Frage gestellt werden: Wie viel Sinn macht es noch, ein Interview abzudrucke­n?“Der Playboy verzichtet­e vor einem Jahr darauf, ein Interview mit RB Leipzigs Sportdirek­tor Ralf Rangnick zu veröffentl­ichen. Bei der Autorisier­ung des Textes wurden ganze Passagen umgeschrie­ben. Am Ende winkte das Magazin ab.

Es ist ohnehin fraglich, inwiefern Spieler überhaupt Interesse daran haben, in Interviews etwas Kritisches zu sagen. Schließlic­h ist es bequemer und ungefährli­cher, Belanglosi­gkeiten von sich zu geben. Schaffrath sagt dazu: „Bei den Spielern handelt es sich um Ich-AGs, die stark darauf bedacht sind, wie man sich persönlich besser vermarktet.“Für diesen Zweck scheint vielen ein Gespräch mit dem hauseigene­n FanTV passender zu sein.

„Das hat mit freier Meinungsäu­ßerung nichts mehr zu tun.“Erich Laaser

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Archivfoto: imago sportfotod­ienst Medienarbe­it nach dem Geschmack des FC Bayern: Mats Hummels (im Hintergrun­d) spricht – und der klubeigene Sender ist ganz nah dran.
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