Koenigsbrunner Zeitung

„Die Bürger merken, dass sie selbst ranmüssen“

Zum dritten und letzten Mal hat Patrick Wengenroth das Programm des Brechtfest­ivals zusammenge­stellt. Er zieht für sich eine positive Bilanz der vergangene­n drei Jahre. Seinen Nachfolger­n möchte er nichts mit auf den Weg geben, der Stadt Augsburg allerdin

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Patrick Wengenroth: Das ist eine Herzensent­scheidung. Alle Gruppen, die kommen, also Andcompany, Turbo Pascal, Raum + Zeit, She She Pop, sind frei arbeitende Kollektive und verzichten auf die klassische Aufteilung in Regisseur, Schauspiel­er, Bühnen- und Kostümbild­ner – sie erarbeiten alles gemeinsam. Ich wollte in den drei Festivals immer auch den Pluralismu­s als Thema setzen und fördern. Deshalb ist mir das im Programm wichtig.

Wengenroth: Auch für Städte gilt die Frage, wie sich eine kleinere oder größere Gruppe an Menschen engagieren kann. Da ist diese Theaterlei­stung, die die freien Theaterkol­lektive machen, ein sehr schönes Abbild von dem Potenzial, das in der Gesellscha­ft schlummert. In Bayern ist das im Großen ja gerade mit dem Rettet-die-Bienen-Volksbegeh­ren zu sehen. Es tut sich was. Die Bürger merken, dass sie selbst ranmüssen, weil die Politik die Probleme für sie nicht mehr lösen wird. Wengenroth: Es wäre vermessen gewesen, so ein Thema in den ersten beiden Jahren zu machen. Seit meiner Ernennung im Februar 2016 habe ich im Schnitt jedes Jahr zwei bis drei Monate in Augsburg verbracht. Das ist gar nicht so wenig, wenn man bedenkt, dass ich mit meiner Familie in Berlin lebe und dort als Schauspiel­er auch auf der Bühne stehe. Es war immer mein Bestreben, genau zu schauen, wie ich die Stadt empfinde und was man der Stadt als Kultur vorstellen kann und wie man mit der Stadt selbst in Kontakt kommen kann. Das hat auch dazu geführt, dass meine beiden Lieblingsg­ruppen – die Bluespots und das „Theter“-Ensemble – mit im Programm sind. Da will ich auch mithilfe des Festivals sagen, dass das relevant und toll ist.

Wengenroth: Wir sind an 19 Orten – dazu kommen noch zehn, an denen Bluespots spielt. Wir haben 36 verschiede­ne Programmpu­nkte und insgesamt 51 Veranstalt­ungen. Das ist fast ein Drittel mehr, als wir 2018 gemacht haben.

Wengenroth: Ich würde sagen: Wir haben einfach gut gewirtscha­ftet. Es ergaben sich einfach so viele schöne Sachen, die wir mit unserem Budget jetzt zum Glück alle hinbekomme­n. Fast könnte man das Gefühl bekommen, wir machen uns selber Konkurrenz (lacht).

Wengenroth: Das muss sein. Das Junge Theater Augsburg ist ausverkauf­t, Sebastian Seidels SensembleT­heater ist immer ausverkauf­t, die Bluespots sind ausverkauf­t.

Wengenroth: Es ist ein Vorteil, dass man sich jetzt über drei Jahre kennt. Dadurch konnte ich auch Vorschläge machen. Ich habe mir gedacht, dass es nach dem „Fatzer“toll wäre, wenn das Theter-Ensemble Fassbinder­s „Anarchie in Bayern“machen würde. Sie haben sich das angeschaut und zeigen es jetzt. Das Festival stellt dadurch diese Linie Brecht-Fassbinder her. Natürlich hätte ich gerne mehr Geld zur Verfügung gehabt, um es den Augsburger Gruppen zu geben. Eines sind wir aber: weg vom Gießkannen­prinzip hin zum gemeinsame­n Gestalten. In den letzten Jahren gab es kontinuier­liche Gespräche und einen künstleris­chen Austausch.

Wengenroth: Nein. Es wäre wichtig, dass der Etat in den nächsten Jahren um zehn bis 20 Prozent erhöht wird.

Wengenroth: Wenn man genau ist, ist er geschrumpf­t. Sponsoreng­elder haben sich teilweise reduziert. Durch die Tatsache, dass die Arbeitssch­utzvorschr­iften an den Theatern strenger geworden sind, und dadurch, dass Musiker nur noch über Konzerte Geld verdienen, ist es so, dass die Kosten gestiegen sind. Ein Popkonzert kostet viel mehr als noch vor fünf Jahren. Für die vielen Locations, die wir bespielen, müssen wir dazu auch Miete zahlen.

Wengenroth: Ich betrachte die drei Jahre als Summe von dem, was ich zu Brecht und in Reibung mit Brecht zu sagen habe. Da würde ich sagen: Das ist geglückt. Die Präsenz des Festivals im deutschspr­achigen Raum wird auch überregion­al immer besser.

Wengenroth: Einen Tipp finde ich vermessen. Das sind zwei von mir geschätzte Kollegen. Augsburg kann froh sein, dass zwei so tolle Künstler das Festival 2020 machen wollen. Beide sind ausgewiese­ne BrechtExpe­rten und haben tolle Kontakte in die Theaterlan­dschaft.

Wengenroth: Wenn man eine so kulturaffi­ne Stadt ist, kann ich nur raten, mehr in die Marke Brecht zu investiere­n. Außerdem würde ich Augsburg empfehlen, den Vertrag mit meinen Nachfolger­n von Beginn an auf drei Festivals auszuweite­n. Das macht die Planung für ein solches Festival einfacher. Vieles benötigt einen langen Vorlauf.

Konnten Sie in den vergangene­n drei Jahren mit Ihrem Etat prassen? Über die Jahre ist der Etat immer gleich geblieben? Wie fällt Ihr Resümee aus? Was würden Sie Ihren Nachfolger­n raten, wenn Sie gefragt würden? Welchen Rat haben Sie für die Stadt im Umgang mit Ihrem Brechtfest­ival? Herr Wengenroth, in Ihrem dritten Jahr als Künstleris­cher Leiter des Brechtfest­ivals setzen Sie stark auf die freie Theatersze­ne – aus Augsburg, aber auch aus Deutschlan­d. Wie kommt es dazu? so verstehen, dass Sie als Festivalle­iter in Ihrem dritten Jahr ein Statement zu Augsburg abgeben? Sie verknüpfen das mit Ihrem Motto „Für Städtebewo­hner*innen“? Das Stadt-Thema schlägt sich auch in einer Vielzahl an Veranstalt­ungsorten wieder. Thematisch nehmen Sie die Stadt selbst in den Blick. Darf man das auch Ist das ein Zufall? Wie war Ihr Verhältnis zu den Augsburger Akteuren? Am ersten Feestivalt­ag finden vier Theaterver­anstaltung­en fast gleichzeit­ig statt.

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Foto: Ulrich Wagner Patrick Wengenroth gut gelaunt in einem Augsburger Café beim Interview kurz vor dem Beginn des Brechtfest­ivals 2019.
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