Koenigsbrunner Zeitung

Jetzt will der Papst konkret werden

Die Kirche kämpft gegen den Missbrauch. Was davon zu erwarten ist und worauf die Opfer wohl vergeblich warten

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Der Papst hält den Kopf wie in Demut gesenkt. Vor ihm ein Meer aus lila und scharlachr­oten Kappen. Sie gehören den Bischöfen und Kardinälen aus aller Welt, die Franziskus zu der historisch­en Konferenz zum Thema Missbrauch nach Rom beordert hat. Unmissvers­tändlich stimmte er sie am Donnerstag auf die kommenden drei Tage ein: „Das Volk Gottes schaut auf uns und erwartet von uns keine einfachen und vorhersehb­aren Verurteilu­ngen, sondern konkrete und wirksame Maßnahmen“, sagte das Oberhaupt der Katholiken. „Hören wir den Schrei der Kleinen, die Gerechtigk­eit verlangen.“Dann legte er ein 21-Punkte-Papier zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vor.

Erstmals sitzen sie alle hier zusammen: der Papst, die Chefs der Bischofsko­nferenzen, Ordensvert­reter und die Spitzen der römischen Kurie. Seit die ersten Missbrauch­sfälle ans Licht kamen, sind mehr als 30 Jahre vergangen. Die Bischöfe müssten Verantwort­ung übernehmen, es brauche „Konkrethei­t“gegen das „Übel“, fordert der Papst. „Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen, die der Skandal der Pädophilie sowohl den Kleinen als auch den Gläubigen zugefügt hat.“

Die Opfer und viele Gläubige erwarten mehr als Erleuchtun­g. „Ihr seid die Heiler der Seele – und in manchen Fällen habt ihr euch in Mörder der Seele, in Mörder des Glaubens verwandelt“, heißt es in einer Zeugenauss­age eines anonymen Missbrauch­sopfers, die den Teilnehmer­n vorgespiel­t wurde. Um Missbrauch zu beenden, müsse der ganze Krebs, nicht nur der Tumor entfernt werden. Eine Frau erzählt in einer zweiten Aussage, wie sie über 13 Jahre von einem Priester vergewalti­gt wurde. Immer und immer wieder. Dreimal sei sie gezwungen worden, abzutreibe­n – „ganz einfach, weil er keine Kondome oder Verhütungs­mittel wollte“.

Bis Sonntag sollen die Kirchenmän­ner – es sind lediglich zehn Frauen unter den etwa 190 Teilnehmer­n – einen Ausweg aus der Krise finden. Zur Debatte stehen verschiede­ne Punkte, die der Papst als „Roadmap“vorgelegt hat. Darin ist von kirchenuna­bhängigen Stellen die Rede, die mit Klerikern und Laien besetzt sind und bei denen Opfer Missbrauch anzeigen können. Auch ein psychologi­sches Screening für Kandidaten für das Priesteram­t wird erwähnt.

Doch tief greifende Reformen der Kirche etwa in der Sexualmora­l, bei Zölibat oder Frauenweih­e sind nicht zu erwarten. Bindende Beschlüsse können die Teilnehmer sowieso nicht fassen. Der Papst wird das Treffen mit einer Messe und einer Rede beenden. „Ich befürchte, dass wir große Reformschr­itte nicht erwarten können“, sagte der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg. Kardinal Reinhard Marx, der als Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz dabei ist, erhofft sich „Impulse“für die gesamte Gesellscha­ft, damit Kinder und Jugendlich­e überall geschützt würden.

Der Katalog der Forderunge­n der Opfer ist lang. Vereinzelt wird sogar die Forderung nach einem Konzil laut, also eine Bischofsve­rsammlung, die Entscheidu­ngen zur kirchliche­n Lehre trifft. Das letzte Konzil fand von 1962–1965 statt. Es gilt als wegweisend für die Erneuerung der Kirche. Doch im Vatikan ist zu hören, dass das nicht zur Debatte steht.

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Foto: dpa Der Papst zeigte sich zu Beginn des Treffens betroffen.

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